Bayerisches Innenministerium: Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung ist eine «linke Kampfschrift»

Vor kurzem ist die neueste Untersuchung der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) zu „Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2010“ unter dem Titel „Die Mitte in der Krise“ erschienen. Das bayerische Innenministerium bezeichnet die Studie in einer Presseerklärung (Pressemitteilung Nr. 108/11) als „linke Kampfschrift gegen liberale und konservative Auffassungen und die hiesige Gesellschaftsordnung“ und unterstellt „Wählerbeschimpfung“. Es sei „geradezu frech“, jedes Jahr wieder diese «Pseudo-Studie» neu «aufzuwärmen» anstatt ihre Methoden «auf den Prüfstand zu stellen».

Der Grund für diese Aufregung: Die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung stellt fest, dass rechtsextreme Anschauungen eben nicht nur ein Problem des „rechten Randes“ der Gesellschaft sind, sondern sich auch in der Mitte der Gesellschaft finden. Und dies in besonderem Maße in Bayern.

Schon oft wurde davor gewarnt, dass insbesondere ausländerfeindliche Einstellungen das Einfallstor für alte und neue Nazis und deren Ideologie sind. Und im letzten Jahr hat die öffentliche Debatte um das Buch von Sarrazin gezeigt, wie verbreitet fremden- und islamfeindliche Vorurteile gerade in der Mitte der Gesellschaft sind. Sie wurden unter dem Motto „man wird ja mal sagen dürfen…“ unverhohlen geäußert.

Und dies bestätigt die Studie der FES. Die Befragungen ergaben, dass fast 40 Prozent der Bayern der Meinung sind, dass die Bundesrepublik durch zu viele Ausländer überfremdet sei. Im restlichen Westdeutschland finden das nur 32,4 Prozent, in Ostdeutschland sind es dagegen 43,4 Prozent. Auch der Antisemitismus ist im Freistaat überdurchschnittlich hoch. So hält fast jeder vierte Bayer den Einfluss der Juden für zu groß. Und 18 Prozent glauben, dass Juden etwas Besonderes und Eigentümliches an sich haben und deswegen nicht zu uns passen. Im Bundesdurchschnitt sind das knapp 15 Prozent. Deutlich mehr als im Rest Deutschlands wird in Bayern der Nationalsozialismus verharmlost. 16,8 Prozent sind überzeugt davon, dass der Nationalsozialismus seine guten Seiten hatte, im Bundesdurchschnitt sind es nur 10,3 Prozent. Deutliche Zahlen, die zeigen, wie die vom Innenministerium beschworene „liberale“ Mitte der Gesellschaft denkt.

Florian Ritter, bayerischer Landtagsabgeordneter der SPD, stellt anlässlich der Vorstellung der Studie im Landtag fest: „Oft wird das Thema Ausländerfeindlichkeit in der Öffentlichkeit bemüht, dadurch wird jedoch ein Nährboden für rechte Organisationen geschaffen. Wir wollen keine Politik mit Vorurteilen betreiben, sondern gegen Vorurteile. Dazu müssen wir konkrete politische Konsequenzen aus dieser Studie ziehen, die deutlich gezeigt hat, dass ausländerfeindliche und rechtsextreme Tendenzen auch in der Mitte der Gesellschaft zu finden sind.“ Ritter betont: „Ausländerfeindlichkeit ist eine gefährliche Einstiegsdroge in rechtsextreme Menschenbilder. Daher ist nachhaltiges und vor allem gemeinsames politisches Handeln gefragt.“

Innenminister Herrmann (CSU) betonte in der Presseerklärung, dass der Kampf gegen den Rechtsextremismus gerade in Bayern ernst genommen werde und verwies auf die umfassenden Aktivitäten der Staatsregierung. «In Bayern gehen wir seit Jahren entschlossen gegen Rechtsradikale vor. Wir intensivieren ständig unsere Maßnahmen gegen Rechtsextremismus.“

Genau. Besonders deutlich wurde dies bei der Vorstellung des neuesten Verfassungsschutzberichtes seines Ministeriums. Eine Reihe von rechtsextremen Organisationen tauchen in diesem Bericht überhaupt nicht mehr auf:

  • So bleiben die rassistischen und menschenverachtenden Aktivitäten und Äußerungen selbsternannter «Islamkritiker»- wie der lokalen Münchner Aktivisten von «Politically Incorrect» und der «Bürgerbewegung Pax Europa» (BPE), die zur Zeit die Gründung eines bayerischen Landesverbands der neuen rechtspopulistischen Partei «Die Freiheit» betreiben, unerwähnt.
  • Die «Burschenschaft Danubia» wird ebenfalls nicht im Bericht aufgeführt.
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  • Und die «Kameradschaft München», eine der aktivsten Nazi-Gruppierungen in Bayern und dem «Freien Netz Süd» zugehörig, taucht erstmals auch nicht mehr im VS-Bericht auf.
  • Auch rechtsextreme Veranstaltungen wie der jährliche «Frankentag» in Obertrubach, der ein wichtiges Ereignis für die Naziszene ist, werden im Verfassungsschutzbericht nicht erwähnt.

Aber Organisationen wie die „antifaschistische informations-, dokumentations- und archivstelle (aida e. V.) und die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der AntifaschistInnen – VVN-BdA“, die sich seit Jahren gegen Rechtsextremisten engagieren, werden im Verfassungsschutzbericht als „linksextremistisch“ diffamiert. Und das trotz eines Gerichtsurteils, in dem die Nennung von aida als unbegründet zurückgewiesen wurde. In der Urteilsbegründung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Az. 10 CE 10.1830) heißt es deutlich: «Der Bericht enthält über den Antragsteller [a.i.d.a.] ein auch nicht ansatzweise durch tatsächliche Anhaltspunkte nachvollziehbar belegtes Negativurteil“.

Die vollständige Presseerklärung des Innenministeriums