Freies Netz Süd lud zum Klagelied nach Schwandorf

Neonazi-Aufmarsch in Schwandorf (Foto: Endstation Rechts. Bayern)
Neonazi-Aufmarsch in Schwandorf (Foto: Endstation Rechts. Bayern)

Am Sonntag den 18.12.2011 führten Neonazis aus den Reihen des Kameradschaftsnetzwerkes «Freies Netz Süd» (FNS) einen Aufmarsch in Schwandorf durch. Thema war der Verfassungsschutz und die Berichterstattung über die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) allgemein, sowie die Berichterstattung über die lokale rechte Szene in den lokalen Masenmedien. Mehrere Berichte im «Wochenblatt», der «Mittelbayerische Zeitung» und dem «Neuem Tag» brachten unter anderem Straftaten, Gerichtsverfahren und drohende Verfahren lokaler Neonazi-Aktivisten ans Tageslicht.

Der Aufmarsch fand nur einen Tag nach der jährlichen Gedenkfeier für die Opfer des rassistischen Brandanschlags von 1988 statt und wurde erst am Sonntag gegen 13:00 Uhr bekannt. Da der Aufmarsch für 14:00 Uhr angekündigt wurde, stand dem lokalen Bündnis gegen Rechts somit effektiv nur eine Stunde zur Mobilisierung zur Verfügung. Dennoch demonstrierten etwa 40 Bürgerinnen und Bürger, darunter auch der Landtagsabgeordnete Franz Schindler (SPD), gegen den Aufmarsch. Auf Seiten der Rechtsextremisten demonstrierten etwa 60 bis 65 Personen.

Angemeldet wurde die Demonstration durch den NPD Bezirksvorsitzenden Daniel W. aus Wackersdorf. Obwohl offiziell im Namen der Partei (NPD) angemeldet, war es doch von der Struktur der TeilnehmerInnen eher eine Aktion des Freien Netzes (FNS). Beteiligt war der gesamte Bezirksvorstand der NPD Oberpfalz. Neben W. nahmen auch sein Stellvertreter Robin Siener (Cham), Bezirksgeschäftsführer Karsten Panzer (Plößberg) sowie die Beisitzer Heidrich Klenhart (Postbaur-Heng) und Simon Preisinger (Flossenbürg) an der Demonstration teil. Angereist waren Rechtsextremisten zudem aus fast allen Regierungsbezirken. Dabei wurden schwarze Fahnen mit den Herkunftsbezeichnungen «Geisenhausen», «Schweinfurt-Hassberge» und «München – Nord» mitgeführt. Unter den 65 TeilnehmerInnen befanden sich auch etwa 12 – 15 Frauen. Auffällig war dabei die Geschlechtertrennung an den Demonstrationsbannern, die entweder nur von Männern oder nur von Frauen getragen wurden. Als Lautsprecherfahrzeug diente ein Kleinbus, der bereits zur Unterstützung der Wahlkämpfe vor ein paar Jahren von der NPD angeschafft wurde.

Am Zwischenkundgebungsort, knapp unterhalt des Marktplatzes in Schwandorf, sprach zunächst Daniel W.. In seiner Rede beklagte er sich über die Berichterstattung über ihn und seinen Stellvertreter Robin Siener in den letzten Wochen und Monaten und bezeichnete sie als «Hass- und Lügenpropaganda». Doch nur in einem einzigen Fall, einer möglichen Bedrohung eines Bürgers durch W. selbst, gab W. eine Gegendarstellung. Allerdings stritt W. in seiner Gegendarstellung den Vorwurf nicht direkt ab, sondern verwies lediglich darauf, dass bei der Polizei keine Anzeige in dieser Sache eingegangen sei.

Skurril war die Rede W.s insbesonders deshalb, weil er darin mehrfach die Berichterstattung über seine Person kritisierte, dabei aber immer von sich in der dritten Person sprach: «Im Mittelpunkt […] stehen der NPD-Bezirksverband Oberpfalz und deren Mitglieder Daniel W. und […]. Gerade der Bezirksvorsitzende W. […].». Vorgetragen und schnöde abgelesen wurde von W. ausserdem der Text, den die Schwandorfer Kameradschaft bereits am 9.12.2011 auf ihrer Homepage zu dem Themenkomplex veröffentlicht hatte. Warum niemand anderes die Vorwürfe vortragen konnte oder durfte, bleibt wohl W.s Geheimnis. Als höchstwahrscheinlich kann allerdings angenommen werden, dass man nicht unbedingt der Sprachakrobatik eines Stefan Kösters nacheifern wollte.

Der nächste Redner, der erst im September aus der Haft entlassene Neonazi Matthias Fischer aus Fürth, leitete seine Rede mit den Worten ein, er wäre nicht nach Schwandorf gekommen um «nur zu klagen und danach nichts anderes zu tun». Er berührte einige Fragen zum Verfassungsschutz, die aber nicht originär rechtsextrem, sondern allgemeine Fragen zur Verwicklung des Dienstes in die Morde der NSU
darstellen. Auch Fischer griff allgemein die Berichterstattung der Presse an. Sinngemäß warf er den Verantwortlichen vor, ihnen wäre «nach 1945 durch die Amerikaner das Rückrat herausoperiert worden». Nun kann man der deutschen Presselandschaft ja vieles vorwerfen, aber gerade das Jahr 1945 als Wendepunkt zu einer Zäsur, hin zu einer unselbstständigeren und lediglich Machthabern dienenden Medienlandschaft zu sehen, ist schon ein höchst fragwürdiger Vorwurf. Diese Wertung kann, auch angesichts der momentanen Berichterstattung um Bundespräsident Wulff, wohl nur ein überzeugter Nazi treffen.

Auch der letzte Redner der Demonstration, Simon Preisinger, blieb insgesamt bei den Themen seiner Vorredner und hielt sich in allgemeinen Worthülsen. Somit blieb es bei dem kläglichen Versuch, die Berichte der örtlichen Presse zu widerlegen. Deshalb wiederholte das FNS die Vorwürfe auf ihrer Internetseite in dem veröffentlichten Bericht zur Demonstration und hetzte zusätzlich gegen mehrere Personen in einem Ton, der die Bezeichnung «Hass» verdient.

Trotz ihrer geringen Zahl protestierten die anwesenden Gegendemonstranten in einer Lautstärke gegen die vorgetragenen Inhalte, so dass diese auf dem nahen Weihnachtsmarkt nicht zu verstehen waren.