Eggenfelden: „Dirndl-Volkstod“ und „Geschichten aus dem Schlachthof“

Statzberger redet

Etwa 20 Neonazis aus diversen ostbayerischen Kameradschaften führten am Samstag, den 25.08.2012 in der Mittagszeit eine Kundgebung am Bahnhof (Hbf) in Eggenfelden durch. Die Veranstaltung war vom Konzept her vergleichbar mit der Kundgebung in Burghausen zwei Wochen zuvor. Die Polizei unterband Protest in Sicht- und Hörweite in jeder Form. Nach verschiedenen Angaben protestierten zwischen 150 und 300 Menschen, darunter Landrat Michael Fahmüller (CSU), gegen die Aktion der Neonazis auf verschiedenen Plätzen im Innenstadtbereich. Getragen wurden diese Veranstaltungen vom DGB-Gewerkschaftsbund und dem Bündnis „Eggenfelden ist bunt“. Währenddessen sorgte der FDP-Kreisvorsitzende für einen Eklat, indem er auch der Veranstaltung der Rechtsextremisten ein gutes Gelingen wünschte.

Beiden Veranstaltungen waren kurze Diskussionen über Ablauf und Ort vorausgegangen. Eigentlich plant man auf Seite der Rechtsextremisten mit einem Platz im Innenstadtbereich. Diese wurden aber durch Anmeldungen von eigenen Kundgebungen von Seiten des DGB blockiert, der frühzeitig Hinweise auf eine Veranstaltung der ostbayerischen Neonazis hatte. Diesen blieb somit der unattraktive Vorplatz am Bahnhof, den sie dann wohl auch akzeptierten. Thematisiert wurden die Umstände von ihnen bei ihrer Kundgebung letztlich nicht.

Thematisch und konzeptionell orientierte sich die Veranstaltung an der Kundgebung in Burghausen. Die Banner waren identisch, wieder wurden zwei Kundgebungsteilnehmer geschminkt, mit peinlichen Kindersensen aus Plastik ausgestattet und als „Sensenmann / Tod“ an das entsprechende Banner gestellt. Mit 20 TeilnehmerInnen, darunter fünf Frauen, war die Veranstaltung um etwa ein Drittel kleiner als die in Burghausen, geschätzte 80 Prozent der TeilnehmerInnen in Eggenfelden waren auch schon in Burghausen vor Ort.

Im Gegensatz zu Burghausen gab es allerdings in Eggenfelden keine Proteste in Sicht- und Hörweite. Die Polizei, obwohl mit genügend Einsatzkräften vor Ort, versperrte bereits an der Auffahrt zum Bahnhof an der Landshuter Straße größeren Gruppen und offensichtlichen GegendemonstrantInnen den Weg und damit über 250 Meter entfernt von der rechtsextremen Kundgebung. Wer das für ein vorbildhaftes Konzept hält, Neonazis und ihrer Ideologie Aufmerksamkeit zu nehmen, muss allerdings enttäuscht werden. Zugreisende, Anwohner, Fahrradfahrer und Autos auf der Durchfahrt konnten ohne größere Probleme zum Kundgebungsort gelangen. Die Veranstaltung begann kurz nach 11.00 Uhr, wobei auf das sonst übliche Verlesen von Auflagen und das Stellen von Ordnern offensichtlich verzichtet wurde.

Als erster aus den Reihen der Rechtsextremisten redete Karl-Heinz Statzberger (Markt Schwaben). Er wiederholte seine schon in Burghausen gehaltene Rede mit ihren rassistischen und sexistischen Inhalten, die besonders Frauen einen gleichberechtigten Lebensentwurf absprach. Wohl wegen dem fehlenden Publikum sprach Statzberger für seine Verhältnisse weitestgehend emotionslos. In Burghausen hatte er noch seine sämtliche Verachtung in Begriffe und Bausteine wie „Besatzerkinder“ und „paart und Kinder zeugt“ gelegt.

Anstelle von Roland Wuttke sprach in Eggenfelden der Chamer Neonazi Robin Siener, verantwortlich für die in diesem Jahr gegründete „Bürgerinitiative Soziale Alternative Oberpfalz“, einem Sammelbecken für die aus der NPD ausgetretenen Neonazis des Bezirks.

Die krude NS-Verherrlichung Wuttkes fiel dieses Mal aus. Siener versuchte letztlich kläglich das „Volkstod-Thema“ zu rationalisieren und greifbarer zu machen. Zunächst lobte er die Aktionsform der sogenannten Unsterblichen, die das „Volkstod“-Thema innerhalb der rechten Szene popularisiert hatte. Er widersprach den „Meinungsmachern“, die schon vermeldet hätten, dass man die maskierten, die Nazis seien, „alle verhaftet hat und sowas nie wieder passieren würde.“ Sie hätten sich, so Siener wörtlich „wohl geirrt, denn jetzt ziehen schwarz vermummte Gestalten zusammen mit dem DGB und
anderen Linksgruppierungen mit Schweinemasken durch die Straßen und demonstrieren – das ist echt kein Witz – für den Volkstod und die Ausrottung der Deutschen.“ Den Zusammenhang versteht wohl nur Siener selbst.

Als Beispiele für den sich abzeichnenden Volkstod brachte er ebenso bemerkenswerte Beispiele hervor. So sei ein Verlust der Kultur schon an den „Phantasie-Dirndl“ auf dem Oktoberfest zu erkennen „am Beischlaf“ außerhalb von Beziehungen, am Kurzhaarschnitt bei Frauen und dem Tragen von Anzughosen.

Der nächste Redner, Roy Asmuß (Teising) wiederholte schon wie Statzberger seine Rede aus Burghausen. In den Reden (Statzberger / Siener / Asmuß) wurde vor allem deutlich, wie weit weg die rechtsextreme Ideologie von der Lebenswirklichkeit der Menschen ist. Das Dilemma, nicht erklären zu können, warum die Menschen nicht nach den völkischen und rassistischen Vorstellungen leben, obwohl sie es dank der demokratischen Freiheiten eigentlich könnten, führte noch zu weiteren letztlich abstrusen Erklärungsversuchen. Während angeblich der ungarische Arbeitskollege von Asmuß im Schlachthof, den er auch in Eggenfelden wieder bemüht, den ausbeuterischen Lohn durch Zeugen von Kinder erhöht, droht dem „deutschen Mann“, der Kinder zeugt, der finanzielle Ruin (laut Statzberger) Und auch sonst scheint dem „deutschen Mann“ wohl fast alles die Lust auf Kinder zu nehmen, es reichen schon Zitate von Grünen-Politikern aus dem Jahre 1975 und milde Strafen für Vergewaltigungen. Und laut Siener würden sich „deutsche Frauen“ deshalb zu „Türken“ hingezogen fühlen, weil diese sprechen könnten, einen gefestigten Freundeskreis hätten, sich rührend um ihre Eltern kümmern und dreimal am Tag beten würden.

Diese Erklärungsversuche zeigen nur eines. Die Menschen denken und handeln nicht nach den rassistischen Vorstellungen einer ethnisch homogenen Volksgemeinschaft. Das Konstrukt eines biologisch oder kulturell verstandenen „deutschen Volkes“ existiert dagegen nur in den Köpfen der Rassisten.

Als letzte „Rede“ wurde von der Münchner Aktivistin Vanessa Becker noch das Themenflugblatt zur Kampagne der ostbayerischen Neonazis verlesen. Die Polizei bestätigte auf Anfrage, dass es Hinweise auf weitere Kundgebungen im Rahmen dieser Kampagne im ostbayerischen Raum gäbe. Nähere Angaben wollte man allerdings nicht machen.

Zwischen den Reden spielten die Neonazis jeweils mehrere Rechtsrocktitel ab. Da es nicht selten drei oder vier waren, dauerte die gesamte Kundgebung trotz der kurzen Reden etwa 80 Minuten. Ein Teilnehmer, der in Burghausen noch in der Kundgebung stand, entfernte sich nach der ersten Rede aus dem Pulk und sorgte beim Bahnhofskiosk für Applaus und Zuspruch aus den „Reihen der Zuschauer“. Ein Aktivist verteilte während der Kundgebung das Themenflugblatt. Mehr als zehn dürfte er aber nicht losgeworden sein.

Für die größte Aufregung rund um die Kundgebung sorgte indes der Vorsitzende des FDP-Kreisverbandes Rottal-Inn, Florian Wassermann. Er lehnte eine Beteiligung an den Gegenprotesten ab, stellt es den Mitgliedern aber frei. In dem Statement attestierte er den Gegendemonstranten „Intoleranz“ und zeigte dabei ein krudes Verständnis von Meinungsfreiheit. Eine Haltung, die jedweden Protest als intolerant ablehnt, käme letztlich einer Absage an jede poltische Auseinandersetzung gleich. Zudem wünschte er beiden Veranstaltungen und somit auch den Rechtsextremisten ein „gutes Gelingen“.
Auf der Veranstaltungsseite „Eggenfelden ist bunt“ bei Facebook distanzierten sich FDP-Mitglieder von den Aussagen des Vorsitzenden, der bald sein Amt aufgibt. Thomas Asböck, stellvertretender DGB-Kreisvorsitzender Rotall-Inn und stellv. Juso-Landesvorsitzender verurteilte die Aussagen Wassermanns unter dem Beifall von 150 Menschen am Fischbrunnenplatz als „beschämend für eine vorgeblich demokratische Partei.“