NPD Bayern: Karl Richter löst Ralf Ollert ab – eine Einschätzung

Die bayerische NPD hat es trotz aller juristischen Schwierigkeiten am Samstag geschafft, einen Landesparteitag mit Neuwahlen abzuhalten. Im Beisein von Holger Apfel wurde wie erwartet der stellvertretende Bundesvorsitzende der NPD, Karl Richter zum neuen Vorsitzenden gewählt. Personell ändert sich sonst wenig.
Eine Einschätzung, was das bedeuten könnte.
Der Wechsel an der Spitze der NPD Bayern war schon länger beschlossene Sache. Schon Mitte September hatte Ollert nach elf Jahren seinen Rückzug vom Vorsitz erklärt. Der Vorstand hatte Karl Richter einstimmig als Nachfolger nominiert. Ollert, Stadtrat in Nürnberg für die Bürgerinitiative Ausländerstopp (BIA) hatte als Vorsitzender zwei Kampfkandidaturen gegen den Unterfranken Uwe Meenen (Bund Frankenland, NPD Berlin) gewonnen. Die letzte Niederlage Meenens gegen Ollert 2008 gilt als Startschuss für das Kameradschaftsnetz „Freies Netz Süd“ (FNS). Im Mai 2012 hatten weitere Neonazis aus den Reihen des Freien Netz Süd die NPD verlassen und dies mit Differenzen mit Ollerts Führung begründet.
Hinter Richter bleibt vieles beim Alten. Stellvertreter sind Sascha Roßmüller (Rain bei Straubing) und Sigrid Schüßler (Laufach, Unterfranken), die aktuelle Vorsitzende des Ring Nationaler Frauen (RNF). Schüßler rückte damit auf den von Richter bekleideten Stellvertreterposten nach. Ihr Amt bei den NPD-Frauen hatte sie Anfang des Jahres von Edda Schmidt (Bisingen, Baden-Württemberg) übernommen, die eher als fns-nah gilt und regelmäßig auf der Internetseite des Kameradschaftsnetzwerkes mit Beiträgen vertreten ist.
Auch bei den Stellvertretern folgte die Konferenz dem einstimmigen Votum des Landesvorstandes. Richter wurde laut dem Pressestatement mit nur einer Nein-Stimme gewählt, Roßmüller erzielte mit 63 von 64 Stimmen ein ähnlich eindeutiges Ergebnis.
Bei den Beisitzern soll die Konferenz „weitgehend der „Wunschliste“ des neuen Landeschefs“ entsprechend gewählt haben, d.h. aber, dass es hier mehr Bewerber als Plätze gab. Wieder im Vorstand ist so Ralf Ollert. Neu sind die Kreisvorsitzenden Manfred Waldukat (Augsburg) und Johannes Hühnlein (Kronach-Lichtenfels). Auch JN-Stützpunktleiter Sven Diem (Eckersmühlen) bekam einen Platz unter den insgesamt elf Beisitzern.
Der Landesparteitag war im Vorfeld durch juristische Streitigkeiten geprägt. Die NPD hatte für den Landesparteitag das Forum am Hofgarten in Günzburg anmieten wollen. Die Stadt hatte den Mietvertrag gekündigt, nachdem die NPD keine bzw. nur eine falsche Versicherungsbescheinigung vorlegen konnte. Diese Kündigung hatte auch vor dem Verwaltungsgericht und dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Bestand. Auch eine Anrufung des Bundesverfassungsgerichts brachte offensichtlich keinen Erfolg. Dennoch fand der Parteitag laut dem Kreisverband Neu-Ulm – Günzburg in Schwaben statt. 2010 und 2011 hatte die NPD in einem Gasthof in Schwenningen (Landkreis Dillingen) getagt.
Einschätzung
Mit Karl Richter hat die NPD den Mann im Landesverband an die Spitze gewählt, der noch über die besten Kontakte zum Freien Netz Süd verfügen soll. Bei den Demonstrationen der Freien Wähler gegen den ESM marschierte Richter häufiger mit den FNS-Kadern Karl-Heinz Statzberger und Roland Wuttke Seit an Seit. Martin Wiese, verurteilter Rechtsterrorist und deshalb offiziell von der NPD um Holger Apfel gemieden, soll laut Süddeutscher Zeitung auch schon Flugblätter für Richters BIA in München verteilt haben. Eine solche Zusammenarbeit wäre in anderen personellen Konstellationen, etwa Matthias Fischer/Ollert oder Daniel W./Patrick Schröder momentan undenkbar. Und eben deshalb darf die Wahl Richters nicht vorschnell als erneute Zuwendung der NPD zur Kameradschaftsszene gedeutet werden. Trat Richter in NPD-Funktion auf, wie etwa bei der Sommer-Tour oder auf der Demonstration von Pro Deutschland in München, war die Unterstützung aus den FNS-Reihen gleich null.
Es ist vermutlich eher eine Reißleine, die der NPD-
Landesverband um Ollert und Roßmüller gezogen hat, angesichts der Wahlen, die in den nächsten zwei Jahren (2013 Bundestag, Landtag, 2014 Kommunal) anstehen. Und genau für diesen Zeitraum ist Richter erst einmal gewählt.
Zwar ist es gelungen mit den JN-Stützpunkten Franken/Oberpfalz und Oberfranken eigene Jugendstrukturen zu gründen, für einen landesweiten Wahlkampf mit den nötigen Verteilaktionen, Plakatierungen und Infoständen ist das aber zu wenig. Die Aktivitäten von Diem konzentrieren sich ja jetzt schon nur auf einen schmalen Streifen zwischen Nürnberg und Oberfranken. Zudem ist fraglich, ob die Jugendlichen, die heute die Kleinaktionen bevölkern, in einem halben Jahr noch so mitmachen. Zu sprunghaft verläuft doch diese Phase des Lebens.
Und da die NPD in anderen Landesteilen teilweise nur aus älteren Parteimitgliedern besteht, dürfte in den Führungsstrukturen klar geworden sein, dass man auf die ungeliebten Kameradschaftskader nicht verzichten kann, auch wenn man sie sonst in die Kategorie „politikunfähig“ steckt. Das FNS verfügt gerade in Altbayern und Ostbayern über die nötigen Strukturen. Ihre Aktivisten tragen dort die kleineren Kampagnen der Kameradschaftsszene mit nächtlichen Briefkastenverteilungen und Klebeaktionen. Mit der etwa zeitgleich stattfindenden Bundestagswahl dürfte sich auch die Abstellung von NPD-Aktivisten aus anderen Bundesländern eher in Grenzen halten. Mit Richter an der Spitze hofft man wohl, den einen oder anderen „Kameraden“ zur Mitarbeit im Wahlkampf bewegen zu können.
Noch ist immer nicht so ganz klar, wie die Differenzen zwischen NPD Bayern und FNS genau zusammengesetzt sind, d.h. wie viel Streit tatsächlich mit der taktischen Ausrichtung und wie viel mit persönlichen Differenzen der Akteure begründet werden kann. Ollert und Roßmüller gelten inhaltlich und ideologisch als nicht weniger radikal als Fischer oder Meenen, auch wenn sie nach außen gemäßigter geben und ihnen manche Neonazis im Gegenzug Verrat an völkischen und rassistischen Positionen vorwerfen. Und schon vor dem Parteitag war klar, dass sich sowohl auf dem politischen Feld als auch dem persönlichen nicht viel bei der NPD ändern wird. Die Mehrheitsverhältnisse im Vorstand bleiben eindeutig. Das ändert auch ein anderer Vorsitzender nicht. Richter muss nun lediglich den Kopf dafür herhalten. Und angesichts der ganzen personellen Kontinuitäten dürften auch die persönlichen Feindschaften nicht abklingen.
Die FNS hat auf seiner Seite noch nicht offiziell Stellung zur Wahl Richters bezogen. Die ersten Stimmen auf Facebook sind eher ablehnender Natur. So einfach lässt man sich dann wohl doch nicht von Ollert und Roßmüller am Nasenring einspannen.