Holocaustleugner Williamson (vorerst) erneut zu einer Geldstrafe verurteilt

Die Verharmlosung des nationalsozialistischen Massenmords an den europäischen Juden durch den ehemaligen Bischof der Piusbruderschaft Richard Williamson beschäftigt weiterhin die deutsche Justiz. Nach Aufhebung früherer Urteile durch das OLG Nürnberg wurde erneut vor der Amtsgericht Regensburg verhandelt. Auch nach dem neuen Urteil bleibt es bei einer – nun allerdings geringeren – Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 20 Euro. Die Einlegung von Rechtmitteln und somit weitere Verhandlungen gelten als sicher.
Am Mittwoch, den 16.01.2013, ging die juristische Auseinandersetzung um den Holocaustleugner Richard Williamson in eine neue Runde. Dieser hatte bekanntlich im November 2008 nach einer Priesterweihe in der Niederlassung der Piusbruderschaft in Zaitskofen bei Regensburg einem schwedischen Fernsehteam in englischer Sprache ein Interview gegeben. Nach etwa einer Stunde mit religiösen Fragestellungen hielt ihm der Journalist frühere Äußerungen aus Kanada vor, in denen Williamson die Ermordung der Juden im Dritten Reich mittels Gaskammern bestritten hatte.
Er bestätigte das Zitat, gab die zentralen Thesen der Holocaustleugner wieder, offenbarte genauere Kenntnisse des „Leuchter-Reports“ und redete vom „german guilt complex“. Zudem sprach er die Strafbarkeit seiner Thesen in Deutschland an. Wortwörtlich forderte er allerdings von den Journalisten nur, mit dem Material nicht sofort zu den Behörden zu rennen und so nach seinen irrigen Vorstellungen seine Ausreise zu verhindern.
Nach Verurteilungen vor dem Amtsgericht und Landgericht Regensburg hob das OLG Nürnberg in seinem Beschluss vom 22. Februar 2012 (Az. 1 St OLG Ss 240/11) die Verurteilung auf. Laut den OLG-Richtern erfüllte der erste Strafbefehl gegen Williamson weder die gesetzlich vorgeschriebene Informationsfunktion und wegen grober Lückenhaftigkeit auch nicht die Umgrenzungsfunktion. Es fehlten Angaben zu Zeit und Ort einer etwaigen Veröffentlichung, ebenso zum Veröffentlichungsmedium und zum Verbreitungsweg.
Auf die Veröffentlichung komme es aber an, da das Interview mit dem schwedischen Kamerateam allein wegen der Abgeschiedenheit des Gesprächs noch nicht öffentlich war und somit eine noch nicht strafbewehrte Vorbereitungshandlung. Die Regensburger Staatsanwaltschaft erneuerte den Strafbefehl gegen Williamson, nach eigenen Angaben nun unter Berücksichtigung der Kritikpunkte des OLG.
Bis auf eine kleine Anekdote wenig Neues
Viel Neues gab es an dem einzigen Verhandlungstag allerdings nicht zu vernehmen. Williamson erschien wiederum nicht auf der Anklagebank, ebenso wie die als Zeugen geladenen Journalisten aus Schweden. Auf Verteidigerseite wurde Williamson wie schon vor dem Landgericht durch Edgar Weiler (Mannheim) verteidigt, dieses Mal unterstützt durch seinen Münchner Kooperationspartner Andreas Geipel.
Zu ihrer Verteidigungsstrategie gehörten formale Bedenken am neuen Strafbefehl, anknüpfend an den Aufhebungsbeschluss des OLG. Aber auch, und das dürften vor allem die anwesenden Sympathisanten Williamsons zur Kenntnis genommen haben, die Prüfung des Paragrafen 130 III StGB durch das Bundesverfassungsgericht auf einen möglichen Verstoß gegen die Meinungsfreiheit. Mit Sylvia Stolz und Michele Renouf saßen zwei bekannte Gesinnungsgenossinnen des Bischofs im Zuschauerraum. Renouf dokumentiert den Prozess mittels Kamera und durfte zunächst auch bei den Pressevertretern Platz nehmen.
Beide Anträge, ebenso wie eine ganze Reihe weiterer Begehren, wurden von der Richterin abgelehnt. Sie wurden sowieso mit Blick auf die höheren Instanzen gestellt, wie Weiler, an die Medienvertreter gewandt, offen ausführte.
Auch das Bild, das die Verteidigung vom Ablauf des Geschehens gab, war aus früheren Verhandlungen bekannt. Der Bischof wurde, so ihre Darstellung, von womöglich arglistigen Journalisten mittels einer Falle / Fangfrage aufs Glatteis geführt, noch dazu außerhalb des eigentlichen Interviews in einem
Hintergrundgespräch. Ohne explizite Vereinbarung zur Verwertung des Materials müsse der konkludent geschlossene Interviewvertrag eng ausgelegt werden und er könne so nichts für die Verbreitung seiner Worte.
Die eigentlichen Schuldigen suchte man bei den schwedischen Journalisten und denjenigen, die das Interview später in Netz gestellt hätten. Gegen diese Personen solle die Staatsanwaltschaft Ermittlungen anstellen. Ihr Mandant sei freizusprechen.
Ihre Verteidigungsstrategie wird aber weder dem Charakter der Interviews, der Bedeutung der Aussagen Williamsons noch dem Wesen des Journalismus gerecht. Williamson ging wohl selber davon aus, dass er sich noch im Interview und nicht in einem anschließenden Hintergrundgespräch befindet. Es gab kein Anzeichen dafür, dass es einen vernehmbaren Schnitt gab zwischen den religiösen Fragestellungen und den Fragen zu seinen früheren Äußerungen. Auch war klar, dass die Kamera lief und weiter aufgezeichnet wurde. Williamson hat das nie über seine Anwälte bestreiten lassen. Auch betrachtete er die Frage wohl noch als Teil des Interviews. Von seinem ersten Anwalt Maximilian Krah mit dem Spiegel-Artikel (4/2009) konfrontiert, der die Affäre in Deutschland ins Rollen brachte, erinnerte sich Williamson sofort an das Interview und es wäre „the last question“ gewesen.
Im Plädoyer der Staatsanwaltschaft gab es die Erinnerung, dass Williamson seine Ausführungen gegenüber einem Journalisten getätigt hatte, zu dessen Aufgaben es gehört, Inhalte zu verbreiten, erst recht, wenn sie Aufsehen erregend sind.
Zwar wollen auch Weiler und Geipel die Interviewsituation nicht auf eine Stufe mit dem Beichtgeheimnis stellen, es würde aber der Presse seine investigative Spitze rauben. Ergeben sich aus dem Interview neue Erkenntnisse, die den Interviewten in einem neuen Licht erscheinen lassen, oder die Organisation, die er vertritt, so ist das untrennbarer Teil des Interviews. Erst recht, wenn es sich um die Bestätigung einer so radikalen Wendung handelt.
Auch der Rauswurf Williamsons aus der Piusbruderschaft war kurz Thema. Wie schon bei den vorangegangenen Verhandlungen gab auch hier Maximilian Krah bereitwillig Auskunft und hatte eine kleine Anekdote im Gepäck. Williamson bekam vom Orden eine längere Auszeit verordnet. Offenbar wurde er auch verpflichtet, sich in dieser Zeit intensiver über seine kruden Thesen nachzudenken. Man stieß dabei auf Seiten der Bruderschaft auf die Jean-Claude Pressac.
Der 2003 verstorbene französische Apotheker, Chemiker und Historiker hatte zeitweise Sympathien für die holocaustleugnenden Thesen des Wortführers der Szene Robert Faurisson. Mit zunehmenden Forschungen entfernte er sich wieder von den Holocaustleugnern. Seine Veröffentlichungen zählen zu den wichtigsten Forschungsarbeiten über die Technik und Organisation des nationalsozialistischen Massenmordes und zur Widerlegung revisionistischer Ansichten. Man hoffte angeblich, so Krah, auf eine ähnliche Wandlung Williamsons. Das über die Klarsfeld-Foundation bezogene Buch hat Williamson allerdings laut Krah dann nie gelesen.
Zum Bruch kam es dann allerdings wegen andauernder Kritik an der Führung der Piusbruderschaft.
Staatsanwaltschaft reagiert zurückhaltend und lässt womöglich Chancen aus
Das Urteil fällt dann so aus, wie es die meisten Prozessbeteiligten wohl erwartet hatten. Richterin Andrea Hausladen spricht Williamson schuldig. Er habe mit seinen Aussagen den Straftatbestand des § 130 III erfüllt und es zumindest billigend in Kauf genommen, dass seine gegenüber einem Journalisten getätigten Aussagen auch in Deutschland öffentlich werden und hier den öffentlichen Frieden stören. Zu seinen Gunsten sprachen wie schon in den früheren Verfahren die fehlenden Vorstrafen und der Versuch mittels einer gescheiterten einstweiligen Verfügung die weitere Verbreitung des Interviews zu verhindern.
Mit der langen Verfahrensdauer kam ein weiterer entlastender Umstand hinzu. Die Strafe verringerte sich so von 100 Tagessätzen aus den früheren
Urteilen auf 90. Durch den Rauswurf aus der Piusbruderschaft reduzierten sich seine finanziellen Möglichkeiten erheblich. Er lebt nun nach Auskunft seiner Anwälte wechselnd bei Freunden und finanziert sich über Spenden. Der Tagessatz wurde deshalb drastisch auf 20 Euro reduziert.
Fragen warf während des Verhandlungstages vor allem das Verhalten der Staatsanwaltschaft auf. Oberstaatsanwalt Zach verfolgt die Verhandlung wenig engagiert. Seine Erwiderungen auf die Anträge der Verteidigung sind wortkarg und bisweilen missverständlich. Seine Ausführungen halten sich meist eng an den Strafbefehl. Auch ignoriert er Williamsons veränderte ökonomische Lage und fordert 100 Tagessätze zu 65 Euro. Das entspricht dem Urteil des Landgerichts, stammte aber noch aus der Zeit als der Bischofs beim Orden untergebracht und verpflegt wurde. Nachlässigkeit? Desinteresse?
Einigen Prozessbeobachtern erscheint das Verhalten der Staatsanwaltschaft selbstsicher. Aber diese Sicherheit könnte trügen und zu dem fahrlässigen Umgang mit dem Fall führen, wie es sich in der ersten Aufhebung des Strafbefehls niedergeschlagen hat. Zwar ist man in der glücklichen Situation mittels des Videos die Aussagen Williamsons eindeutig belegen zu können und die Verteidigung bestreitet auch nicht, dass das Interview so geführt wurde. Aber zur Volksverhetzung gehört nun mal mehr als die Äußerung an sich.
Auch beim Video konzentriert sich fast ausschließlich auf die schockierenden Aussagen zu den Gaskammern und den herunter gerechneten Opferzahlen.
Kaum eine Rolle spielte im Verfahren, dass sich Williamson mit seinen Äußerungen doch an die deutsche Öffentlichkeit gewandt haben könnte, auch wenn er das Interview einem schwedischen Sender in englischer Sprache gab. Williamson spricht gegen Ende des Interviews über das aus der rechtsextremen Szene bekannte Bild eines „deutschen Schuldkomplexes“.
Die Deutschen hätten, so der ehemalige Bischof, zig Milliarden Mark (danach Euros) deshalb ausgegeben, weil sie meinten, 6 Millionen Juden vergast zu haben. Die Frage aber, wofür der deutsche Staat Geld ausgibt, ist vordringlich eine innerdeutsche Angelegenheit und Williamson griff in diese Debatte ein. Er wandte sich somit auch an ein deutsches Publikum. Das Bekanntwerden seiner Äußerungen in Deutschland und die Störung des öffentlichen Friedens kann und muss ihm somit stärker zugerechnet werden, als es die Staatsanwaltschaft bisher mit ihren allgemein gehalten Sätzen im Strafbefehl ausgedrückt hat.
Lediglich in der Urteilsbegründung der Richterin kam der Umstand in einem Nebensatz kurz zur Sprache. Und das wäre nicht die erste Nachlässigkeit, die in Regensburg „gehalten“ hat und woanders dann zum Tragen kommt.