Abgesagter NPD-Bundesparteitag bei Coburg: Rechtsextremisten scheiterten an eigener Unfähigkeit

Vor etwa 10 Tagen wollte die NPD eigentlich ihren Bundesparteitag bei Coburg in einem Zelt abhalten. Es kam bekanntlich anders. Seitdem verbreitet selbst die NPD die Geschichte, ihr Parteitag sei an den von dem Landkreis aufgeschütteten Erdhaufen und eingeleiteten Bauarbeiten gescheitert. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth offenbart ein anderes Bild, wie uns auch der Verwaltungsrechtsexperte Prof. Dr. Gerrit Manssen im Interview bestätigte. Zudem nimmt Landrat Michael Busch zu der Anzeige der NPD Stellung.
Es ist ein schönes, geradezu verlockendes Bild: «Rechtsextremisten scheiterten braunen Haufen». Selbst die NPD rückt die Sperrung der Straße mittels Erdhaufen in den Vordergrund ihrer Kritik an Landrat und Landratsamt Coburg. Die Partei traf sowohl Spott als auch innerparteiliche Kritik durch den früheren Vorsitzenden Voigt. Sie kann damit aber wohl eher leben als mit den eigentlichen Gründen: der Parteitag war juristisch schlecht, wenn nicht sogar stümperhaft vorbereitet. Die Partei verfuhr mit dem Bundesparteitag wie mit einer normalen Demo, ohne sich über die rechtlichen Anforderungen einer «Großveranstaltung» (O-Ton NPD) offenbar Gedanken gemacht zu haben. Die Konsequenz war ein mehrfaches Umstellen und Erweitern der Anträge bei Gericht. Die letzte Änderung brachte die NPD keine zwei Stunden vor dem selbst gewünschten Entscheidungstermin ein.
Man scheiterte juristisch auch schon an der Benennung des richtigen Antragsgegners (Passivlegitimation). Hier musste das Gericht die NPD auf die Doppelnatur des Landratsamtes (Behörde des Landkreises und Behörde des Freistaats) hinweisen. Diesen Unterschied erlernen Studierende der Rechtswissenschaften in den ersten Stunden Verwaltungsrecht. Die NPD klagte dann einfach gegen beide, Landkreis und Freistaat, so dass es zwangsläufig auch den richtigen Beklagten treffen musste. Auch das wird man in Prüfungen Studierenden nicht durchgehen lassen.
Auch waren die Anträge ungenügend abgefasst. Hier kam der NPD eine Regelung zugute, die eigentlich normalen BürgerInnen ohne größere rechtliche Beratung helfen soll, über formale Hürden des Prozessrechts zu kommen. Man bindet das Gericht nicht an den Wortlaut des Antrags, sondern ergründet, was der Antragssteller eigentlich will und was ihm hilft.
Zu der Entscheidung selbst befragten wir Prof. Dr. Gerrit Manssen, Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, insbesondere deutsches und europäisches Verwaltungsrecht an der Universität Regensburg.
Er erteilt aber auch von manchen wohl stillschweigend gehegten Hoffnungen eine Absage, dass sich über Straßensperrungen NPD-Parteitage verhindern lassen. Die Geschichte mit den «Erdhaufen» wird so wohl eine einmalige Episode bleiben.
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ER-B: Herr Professor Manssen, was waren die entscheidungsrelevanten Gründe? Warum ist die NPD unterlegen?
Manssen: Eine Bewertung des Beschlusses des VG Bayreuth ist nur mit großer Vorsicht möglich. Es handelt sich um eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren. Das Verwaltungsgericht hat nur summarisch (also vorläufig, ohne genaue Feststellung der Sach- und Rechtslage) geprüft und musste unter großem Zeitdruck entscheiden.
Letztlich ist die NPD deshalb gescheitert, weil die Durchführung der Veranstaltung auf dem in Aussicht genommenen Gelände nur mit entsprechenden Erlaubnissen nach Straßenrecht (Sondernutzungserlaubnis für die Zufahrt vom Grundstück zur Kreisstraße) und/oder Straßenverkehrsrecht (Ausnahmegenehmigung für das Befahren entgegen der Anordnung einer Verkehrsbeschränkung, und ev. weitere Erlaubnissen oder Anordnungen) möglich gewesen wäre.
Diese Entscheidungen lagen allerdings im Ermessen des Landratsamtes. Sie wurden von der NPD spät, mit
unklaren Anträgen und teilweise erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragt. Das Gericht sah sich daran gehindert, unter diesen Umständen von einer sog. Ermessensreduzierung auf Null auszugehen und das Landratsamt zur Erteilung der Genehmigungen zu verpflichten.
Die Bauarbeiten auf der Kreisstraße spielten eine wohl nur nachgeordnete Rolle. Auch ohne diese Bauarbeiten wäre eine Durchführung der NPD-Veranstaltung in der geplanten Form straßen- bzw. straßenverkehrsrechtlich nicht möglich gewesen.
ER-B: Ist die Entscheidung vertretbar und gut begründet?
Manssen: Im Ergebnis erscheint die Entscheidung richtig. Letztlich waren die komplizierten Fragen des Zusammenspiels von Straßenrecht und Straßenverkehrsrecht sowie die Problematik der Ermessensausübung in der dem Gericht zur Verfügung stehenden Zeit nicht anders zu lösen. Man merkt der Entscheidung allerdings an, dass sie unter großem Zeitdruck getroffen wurde. In tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bleiben nach der Lektüre einige Fragen offen, etwa bezüglich der vom Landkreis begonnenen Bauarbeiten auf der Kreisstraße.
ER-B: Wie ist der Konflikt um die Baustelle zu beurteilen? Kann das Versammlungsrecht eine Behörde zwingen, eine geplante Maßnahme abzubrechen oder zu verschieben?
Manssen: Grundsätzlich muss sich eine Behörde auch gegenüber einer möglicherweise verfassungswidrige Ziele verfolgenden politischen Partei grundrechts-, d. h. vor allem versammlungsfreundlich verhalten. Sie darf eine Veranstaltung wie den Parteitag einer bisher nicht für verfassungswidrig erklärten Partei nicht behindern oder vereiteln.
Im vorliegenden Fall erscheinen die Argumente des Landkreises bezüglich der Bauarbeiten auf der Kreisstraße vorgeschoben. Auch das Verwaltungsgericht führt aus, es könne sich des Eindrucks „nicht ganz erwehren“, dass die Baumaßnahmen auch dazu dienten, die beabsichtigte Veranstaltung zu verhindern. Dies ist angesichts des richterlichen Bemühens um Zurückhaltung in der Wortwahl schon ein deutlicher Hinweis. Ein Verhalten des Landkreises, das auf Vereitelung der Veranstaltung zielt, wäre rechtswidrig. Das Verwaltungsgericht windet sich aus dem Problem dadurch heraus, dass es meint, eine Rechtsverletzung für die NPD würde nicht eintreten, da ja die nötigen Erlaubnisse nach Straßenrecht und/oder Straßenverkehrsrecht ohnehin nicht vorlägen (s. o.). In diesem Punkt ist die Begründung mehr als zweifelhaft.
Grundsätzlich ist es die Aufgabe der Verwaltungsgerichte, mögliche „Tricks“, mit denen Verwaltungsbehörden grundsätzlich erlaubte, aber aus ihrer Sicht unerwünschte Tätigkeiten vereiteln wollen, zu unterbinden. Aber nochmals: Auch wenn das Gericht angeordnet hätte, die abgelagerte Erde wieder zu beseitigen, die Zufahrt zum Veranstaltungsgelände wäre trotzdem nicht erlaubt gewesen.
ER-B: Vielen Dank
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Stellungnahme von Landrat Michael Busch zum Beschluss des Verwaltungsgerichts und zu der von der NPD betriebenen Anzeige und Beschwerde.
Die NPD befindet sich in einer akuten Führungs- und Finanzkrise. Es ist ihr nicht einmal gelungen, einen ordentlichen Bundesparteitag durchzuführen.
Folglich braucht es natürlich vor allem nach innen dieses Getöse, um von den eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken.
Ich sehe dem sehr gelassen entgegen, werde allerdings schon prüfen lassen, ob hier bereits der Tatbestand der Verleumdung erfüllt ist. Denn die Vorwürfe, die da öffentlich erhoben werden, sind völlig haltlos und falsch dargestellt. Der Landkreis Coburg hat nur seine begonnenen Arbeiten im vorgesehenen Zeitplan fortgeführt und das auch als sein Recht angesehen. Dies wurde dem Verwaltungsgericht gegenüber ausführlich dargelegt und auch so bestätigt.
Hier noch einmal ausführlich, um was es wirklich ging:
Der
Landkreis Coburg hat nicht Lkw-Ladungen Erde auf die Straße gekippt, um den NPD Parteitag zu verhindern. Diese Maßnahme findet statt, weil wir Erdaushub aus den Straßengräben, die wir jedes Jahr nach dem Winter ausheben, nicht mehr wie zuvor ohne weiteres auf landwirtschaftlichen Flächen ausbringen dürfen, sondern auf einer versiegelten Fläche zwischenlagern, um Bodenproben zu entnehmen und diese im Labor untersuchen lassen.
Erst nach Erhalt der Ergebnisse der Proben können wir über die Ausbringung entscheiden, den Boden entweder auf Äckern oder auf Böschungen zu verwenden oder ggf. wir müssen die Erde sogar entsorgen. Letzteres ist aber eher unwahrscheinlich.
Die NPD wollte nun den Landkreis Coburg zwingen, diese Maßnahmen einzustellen, weil sie auf einem völlig ungeeigneten Grundstück ohne rechtliche Zufahrt im Wald einen Parteitag in einem Zelt abhalten wollte. Und das völlig überraschend mit einer Vorlaufzeit von 13 Tagen. Dies haben wir uns nicht bieten lassen. Und das hat auch das Verwaltungsgericht Bayreuth so gewertet.
Wir machen unsere Arbeit nach unserem Zeitplan. Das Vorgehen ist insoweit auch keine «originelle Idee» oder gar Verschwendung von Steuergeldern, sondern eine notwendige Maßnahme. Dass aber für das Verwaltungsgericht noch völlig andere Gründe zur Stützung unserer Auffassung führten, ist der Begründung der Entscheidung zu entnehmen.