Auch Derrick half Williamson nicht. Gericht bestätigt Strafe wegen Holocaustleugnung

§ 130 StGB Volksverhetzung

Mit der Verwerfung der Berufung endete am 23.09.2013 die zweitägige Verhandlung gegen den ehemaligen Bischof der erzkonservativen Piusbruderschaft, Richard Williamson. Es bleibt bei einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu 20,- Euro. Die mittlerweile vierte Verhandlung in Regensburg samt Beweisaufnahme lieferte kaum neue Erkenntnisse, wohl aber neue Anekdoten.

Richard Williamson hatte bekanntlich am 01. November 2008 im Priesterseminar der erzkonservativen Piusbruderschaft in Zaitskofen nahe Regenburg einem schwedischen Fernsehsender ein Interview gegeben und gegen Ende des Interviews auf Nachfrage die Existenz von Gaskammern und den Holocaust geleugnet.

Die Aussagen wurden offenbar schon kurz danach in Schweden bekannt erreichten aber besondere Brisanz, als der damalige Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation von Williamson und drei anderen Bischöfen der Piusbruderschaft aufhob.

In Deutschland provozierte das Interview zehn Strafanzeigen. Erste Verurteilungen vor Amts- und Landgericht Regensburg wurden wegen formaler Mängel im Strafbefehl vom Oberlandesgericht Nürnberg aufgehoben, so dass der erneute Gang in die ersten Instanzen nötig wurde. Williamson erschien erneut nicht vor Gericht. Die Verteidigung übernahmen wie schon vor dem Amtsgericht die Verteidiger Edgar Weiler und Andreas Geipel.

Die sich wiederholende Beweisaufnahme mit den immer gleichen Zeugen brachte keine neuen Erkenntnisse, zeigte aber den Einfluss früherer Urteile auf Nuancen der Aussagen. Immerhin hatten schon drei Kammern begründen müssen, warum und wie sich Williamson strafbar gemacht hatte. So wurde der Bischof, zuerst noch internetaffin und „Blogger“ zum eher distanzierten User, der tippen kann und Seiten findet.

Auch das Internet wurde in der Rückschau wieder zu etwas mehr „Neuland“ erklärt, besonders was die Verknüpfung und Bereitstellung von Print- und Rundfunkangeboten „online“ betrifft. Und auch der Bischof war, laut Aussagen des Anwalts der Piusbruderschaft, schockierter darüber und konnte sich noch weniger als früher vorstellen, wie das Interview ins Internet gekommen sein sollte und dann noch „in die Zeitung / den Spiegel“. Um diesen Eindruck noch zu verstärken, sollte auch ein Treffen der Verteidigung mit ihrem Mandaten im Mai in München in die Akten. Dazu „befragte“ der damals anwesende Anwalt Weiler den damals ebenfalls anwesenden – nun Zeuge – Geipel und berichtet ebenfalls von einem „entsetzten und überraschten“ Bischof.

In den Augen der Verteidigung sei das Interview auch entgegen der Abrede rechtswidrig verbreitet worden, die Zweitverwendung und jede weitere hätten von Williamson extra genehmigt werden müssen, so die Argumentation. Anwalt Geipel wollte zum Beweis einen eigenen Verlagsvertrag verlesen. Und ausgerechnet die Serie „Derrick“ sollte ebenfalls als Beleg herhalten. Jede Verbreitung der Serie in ein anderes Land bedürfe einer gesonderten Vereinbarung, so die Verteidigung. Das wisse jede/r JournalistIn. Die anwesenden Journalisten waren sich aber, ihren Reaktionen zufolge, doch sehr bewusst, wie wenig Fernsehproduktion und Interview mit Nachrichtenwert doch vergleichbar sind.

Auch der Richter betonte in seiner Urteilsbegründung, dass diese Fragen im Strafrecht eher nach den Regeln der „objektiven Zurechnung“ zu bewerten seien und ob die Folgen vom Täter noch so vorhergesehen werden konnten. Und das konnte Williamson nach Ansicht der Kammer. Immerhin war er als exkommunizierter katholischer Bischof in einer herausgehobenen Position und er tätigte die Aussagen auf deutschem Boden. In einer solchen Situation ist es zudem nicht lebensfremd („Durchbrechung des Kausalverlaufs“
im Juristendeutsch), wenn zivilrechtliche Absprachen ggf. nicht eingehalten werden, Nachrichten mit dieser Brisanz ihren Weg über diverse Kanäle an die Öffentlichkeit finden und eventuell über Youtube abrufbar eingestellt werden.

Dieser Einschätzung des Gerichts kann man gut folgen. Die Beispiele anderer Holocaustleugner wie Fred Leuchter, Scherer/Rudolf, Lüftl oder Faurisson zeigen deutlich, wie auch weniger herausgehobene „Gestalten“ durch solcherlei Aussagen zu trauriger Berühmtheit gelangen können. Auch bleibt die Leugnung eine friedensstörende Aussage, die Aufsehen verursacht, auch dort, wo es nicht unter Strafe steht.

Auch Williamsons Worte an die Journalisten ganz am Ende des Interviews, vorsichtig zu sein, weil seine Aussagen in Deutschland strafbar seien, konnte nicht für den Bischof gewertet werden. Die Betonung dieser Passage war ein Schwerpunkt der Verteidigung. Weil man mit der amtlich bestellten Übersetzung nicht ganz einverstanden war, sollte ein extra Gutachten eingeholt werden. Mit diesem sollte wohl Williamsons Formulierung „I beg you“ zu einem Verbot ausgebaut werden, das Video dort nicht zu verwenden, wo es strafbar sei. Auch hier stellte das Gericht mit den deutlichen Worten „wenn man schon darauf herumreitet“ fest, dass Williamson wörtlich nur darum bat, ungestört das Land verlassen zu können, was er dann ja auch konnte.

Ein weiterer Beweisantrag, eingebracht im zweistündigen Plädoyer der Verteidigung, sollte zudem den Nachweis führen, dass die Verbreitung der Sendung über Satellit auch in Deutschland dort hauptsächlich Schweden erreichen würde, was auch dem Selbstverständnis des Senders SVT entsprechen würde. Das veranlasste einen Journalisten zu der bissigen Bemerkung, ob wohl nur geburtsmäßige „Deutsche“ den inländischen Frieden stören könnten. Auch die Staatsanwaltschaft wies dieses Ansinnen in deutlichen Worten zurück.

Auch bei einigen anderen Passagen im Plädoyer der Verteidigung konnten sich Williamsons Brüder im Geiste unnötigerweise „gebauchpinselt“ fühlen. Man sprach im Bezug auf die wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse lediglich von der „Mehrheitsmeinung“ und der „herrschenden historischen Meinung“. Auch sei der objektive Tatbestand des § 130 III StGB nicht verwirklicht. Eine rein wissenschaftliche Betätigung mit den Fragen sei erlaubt. Zahlendiskussionen seien ohne Bedeutung und deshalb keine Leugnung, weil der § 6 im Völkerstrafgesetzbuch, auf den § 130 III StGB verweist, schon die Leugnung der Tötung einer Person aus den genannten Motiven unter Strafe stellt.

Williamson hätte zudem sachlich gesprochen, ohne „aggressive Ausdrucksweise“ und „ohne Beschönigungstendenz“. Er habe so weder die Verbrechen verharmlost, noch seien seine Aussagen „zur Aufhetzung“ geeignet, so Edgar Weiler. Er nannte Williamson durch die öffentliche Meinung „vorverurteilt“. Er sei ein „Überzeugungstäter“ und „unbelehrbar“, was ein „Dilemma“ darstelle.

Das wären alles natürlich Türöffner für eine straflose öffentliche Leugnung des Holocaust. Auf Vorhalt des Richters bestritt die Verteidigung, dabei an Straffreiheit für Leugner aus Überzeugung gedacht zu haben. Man hätte dazu das alles an anderer Stelle betonen müssen und nicht im objektiven Tatbestand, hieß es auf Nachfrage.

Richter Walter Boeckh sah insgesamt und in klaren Worten keine Probleme darin, den Schuldspruch Williamsons aufrecht zu erhalten. Wenn die Reduzierung der Opferzahlen und die Leugnung der Existenz von Gaskammern keine Leugnung oder Verharmlosung seien, dann wisse er nicht, was sonst. Mit den Gaskammern würde ein „kennzeichnendes Teilgeschehen“ des Massenmordes geleugnet. Und auch sonst erfahre der Bischof lediglich die gesellschaftliche Reaktion, die er durch seine freiwilligen Äußerungen auch veranlasst habe.

Äußerungen im TV seien immer öffentlich. Dazu reiche das Wissen Williamsons aus, sich noch in einer Interviewsituation zu befinden. Journalisten seien von Berufswegen an der Verbreitung von Nachrichten interessiert und zeigten erkennbar Interesse an seinen
Äußerungen. Deshalb müsse er sich keine konkreten Gedanken über den Verbreitungsweg gemacht haben, sondern nur damit rechnen müssen, dass es öffentlich wird.

Da die Staatsanwaltschaft keine Berufung eingelegt hatte, war die Kammer beim Strafmaß an das Urteil des Amtsgerichts gebunden. Der Richter ließ wenige Zweifel daran, dass er die die bestätigten 90 Tagessätze zu 20,- Euro für ein mildes Strafmaß hält. Die Verteidigung hat bereits im Vorfeld angekündigt, im Falle einer erneuten Verurteilung den weiteren Instanzenweg zu gehen und eventuell das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anzurufen. Die nächste Entscheidung liegt nun aber beim Oberlandesgericht in Nürnberg.