Das hausgemachte Versagen – Zum Debakel rechter Parteien bei der Landtagswahl 2013

Niederlage bei den Wahlen: Richter (NPD), Stürzenberger (DF) und Schüßler (NPD). (Fotomontage, Fotos: R. Löster)

Wer bei Wahlen in Bayern punkten möchte, kommt an den Metropolregionen um Nürnberg und München nicht vorbei. Entsprechend wurde besonders die bayerische Landeshauptstadt in den letzten Wochen auch von Parteien am ganz rechten Rand regelrecht belagert. So unterschiedlich die Parteien zwischen DIE FREIHEIT und NPD auch betrachtet werden müssen, so erschreckend ähnlich waren ihre Wahlkampfstrategien, Inhalte und Agitationsmuster. Manche Aktivisten sind sowohl für die NPD, als auch für die sich sonst distanzierende FREIHEIT aktiv. 0,0% für Michael Stürzenberger auf Landesebene trotz Aufruf von PRO, DF zu wählen. NPD halbiert ihr Ergebnis, selbst die in Bayern sonst stabil stehenden REPs mussten Stimmen einbüßen. Sie hatten sich viel vorgenommen, gescheitert sind sie in erster Linie an sich selbst. Und in München stellten sie dies im Vorfeld eindrucksvoll unter Beweis.

Eine Analyse von Felix Benneckenstein

Stürzenberger und DIE FREIHEIT: einstige Hoffnungsträger im freien Fall

Die rechtspopulistische Kleinstpartei DIE FREIHEIT um den Ex- CSU Mann Michael Stürzenberger ist quasi im Dauerwahlkampf. Seit beinahe zwei Jahren hetzt die Gruppierung, die dem extrem rechten Internetblog Politically Incorrect nahesteht, gegen Muslime und Andersdenkende. Dennoch legt sie Wert darauf, angeblich «nichts gegen die Menschen» zu haben. Und Neonazi möchte der Chefideologe Michael Stürzenberger schon gar nicht genannt werden. Er sieht sich rechts der CSU, im Geiste Franz-Josef Strauß›, paradoxerweise sogar ausgerechnet in der Tradition der NS-Widerstandsbewegung Weiße Rose. In gefühlt jedem zweiten Satz beteuert Stürzenberger, mit Neonazis nichts am Hut zu haben. Eine angebliche Solidarität mit Israel soll dies belegen. Dabei kommentierte auf Facebook kürzlich ein Vertrauter Stürzenbergers treffend: «Ich mag Israel nur, weil es der Feind meines Feindes ist!». Der Nahostkonflikt wird von verschiedenen Seiten immer wieder missbraucht, um Vorurteile, wahlweise gegen Muslime oder Juden zu schüren.

Vor wenigen Wochen hat Stürzenberger bei einer Kundgebung am Stachus einem stadtbekannten und durch seine Kleidung leicht als solchen erkennbaren Neonazi persönlich zum Ordner benannt. Angeblich nur eine Verwechslung. Doch nicht nur militante Neonazis kann Stürzenberger mit seiner populistischen Hetze mobilisieren. Laut Eigenangaben hat der geschiedene Ex-Politiker bereits 30.000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt, mit dem sich der 49jährige offensichtlich selbst ein Denkmal setzen möchte: Ein Bürgerbegehren gegen eine «Moschee am Stachus», wie dort fälschlicherweise deklariert wird, denn der Standort Herzog-Wilhelm-Str., einige 100 m vom Münchner Stachus entfernt, ist längst vom Tisch. Bei 34.000 gültigen Unterschriften kann Stürzenberger theoretisch sein Bürgerbegehren erreichen. Er träumt von einer Abstimmung am Tag der Kommunalwahl im März 2014. «Damit jede Münchnerin und jeder Münchner dann auch die Wahl hat. Das ist urdemokratisch». Doch die Frage, ob über ein Gebäude abgestimmt werden kann, das offiziell noch überhaupt nicht in Planung ist, wird ebenso noch final juristisch geklärt werden müssen wie die Kompatibilität mit unserem Grundgesetz – darf einer der größten Glaubensgemeinschaften unserer Gesellschaft nur aufgrund von Vorurteilen und Ressentiments, die eine politische Minderheit geschickt zu schüren versteht, verwehrt werden, ein Gotteshaus zu errichten? Stürzenberger lässt sich davon nicht beirren, gibt sich nach außen gerne siegessicher und souverän. Doch der Schein trügt. In der letzten Zeit erlitt Stürzenberger mehr und mehr Rückschläge, er trägt nun die Konsequenzen seiner monatelangen unsäglichen Provokationen.

Die Landeshauptstadt München reagierte spät, aber durchdacht: Stürzenbergers Reden sind in Dauer und Lautstärke massiv per Auflagen eingeschränkt. Überschreitungen notieren die Polizisten vor Ort und bringen sie häufig zur Anzeige. Jüngst erhielt er hierfür einen
ersten Bußgeldbescheid. Zuvor hat Stürzenberger meist über Stunden hinweg in für Anwohner unerträglicher Lautstärke seine Phrasen verbreitet. Der ehemalige Journalist wurde zudem mit einem umfangreichen Fotografierverbot belegt. Die Stadt reagierte damit auf die heftigen Hassvideos, die besonders von Jugendlichen, die sich am Stand im Ton vergriffen haben, hochgeladen wurden. Aktivisten der FREIHEIT haben immer wieder Menschen solange provoziert, bis diese verbal ausfällig wurden. Diese provozierten Ausfälle fanden sich dann im Internet wieder und werden noch immer tausendfach geklickt. Stürzenberger hatte gegen die Auflagen geklagt- und verlor auch diesen Prozess. Außerdem reagierte der Verfassungsschutz, der den Islamhasser seit einigen Monaten beobachtet. Im Halbjahresbericht 2013 werden DIE FREIHEIT, Stürzenberger und die Ortsgruppe München des extrem rechten Internetblogs PI, für die Stürzenberger laut Eigenangaben ehrenamtlich arbeitet, wo er jedoch immer häufiger um Spenden für sich selbst bettelt bereits erwähnt.

Bei den Landtagswahlen erlebte Stürzenberger ein zu erwartendes Desaster. Die Chancen, auch nur einen Minimalbetrag aus der öffentlichen Parteienfinanzierung und/ oder der Wahlkampfkostenrückerstattung zu erhalten, gingen im Vorfeld bereits gen Null. Und so beziffert der Landeswahlleiter im vorläufigen Endergebnis die Stimmen für DF auf 0,0%. Obwohl es immer wieder Versuche gab, in anderen Regionen Bayerns Fuß zu fassen, schafften es die Protagonisten letztlich ausschließlich in Oberbayern überhaupt auf die Wahlliste. Die angetretenen Kandidaten lassen tief in die Gesinnung der Kleinstpartei blicken. Hatte DF bei ihrer Gründung durch einige ehemalige CDU/CSU- Funktionäre und teils gesellschaftlich angesehene Mitglieder noch in vielen die Hoffnung geweckt, eine starke, rechte Partei könne im Aufkommen sein, befindet sie sich heute deutlich spürbar wieder auf dem Rückzug. Ranghohe Funktionäre haben die Partei zahlreich wieder verlassen, intern gab es zuletzt immer wieder Zoff. Häufig ging es um Posten innerhalb der Partei, Unterstützer äußerten sich an Infoständen signifikant rassistisch, was dem Ruf der Partei weiter schaden könnte. Doch auch Stürzenbergers radikaler Kurs schreckt viele ab. Kürzlich hatte er von «diesen beschissene(n) arabischen Ländern», gesprochen. Ein Beamter des Staatsschutz der Polizei notierte den Satz eifrig in seinem Notizblock, woraufhin Stürzenberger den Satz sogar noch einmal «zum mitschreiben für die Polizei» wiederholte. Ständig fängt er sich neue Strafanzeigen ein. Meist wegen Beleidigung, Verleumdung, falscher Verdächtigung. Beobachter sprechen von vermehrt unkontrolliertem Auftreten Stürzenbergers. In Oberbayern war kaum ein Wahlkampf der Partei wahrnehmbar. Das Ergebnis verwundert insofern nicht: In allen Wahlkreisen lag die Partei bei wohlwollend aufgerundeten 0,1 bis 0,2 %, der fehlende Antritt außerhalb Oberbayerns macht daraus auf Bayern gerechnet 0,0.

Maximale Provokation vor dem Klärwerk: PRO scheitert an fehlender Kommunalstruktur

Zwischen NPD und DF versucht die Bürgerbewegung PRO Deutschland derweilen, ausschließlich Stimmen für die Bundestagswahl zu gewinnen. Auf die Landtagswahlliste hat sie es trotz wochenlanger Unterschriftensammlungen überhaupt nicht erst geschafft. Auf Bundesebene weiß niemand so genau, wo der PRO-Zug politisch hinfahren soll. PRO-NRW bemüht sich um das seriöse Außenbild, PRO-Deutschland Bundesgeschäftsführer Lars Seidensticker setzt auf maximale Provokation. Häufig wurde er schon bei Kundgebungen von der Polizei verhaftet. Zu erwähnenswerten Strafen kam es bislang nicht. Doch Seidensticker will keine gerichtlichen Auseinandersetzungen. Er spekuliert mit der Berichterstattung über seine provokanten Einsätze, die bis zu Rangeleien reichen, die er sich medienwirksam auch mit ungeliebten NPD-Kameraden liefert. Auch in München sollte dies so passieren. Provozieren und dadurch ins Gespräch kommen. Doch da hat Seidensticker seine Rechnung ohne den Münchner Parteikameraden gemacht. Wie
schlecht diese aufgestellt sind, durften etwa 80-100 Gegendemonstranten bereits am 07. September vor dem Münchner Gewerkschaftshaus selbst erfahren. Unter dem wirren Motto «Solidarität mit dem DGB: Scheinasylanten raus!» wollte PRO dort mittels einer stationären Kundgebung Präsenz zeigen. Zu den anderen vier Demonstranten sprach zunächst der stellvertretende Kreisvorsitzende für München, Uwe Göller. Es war eine Rede, aus der nicht zitiert werden kann – die Sätze haben einfach meist keinen tieferen Sinn ergeben. Sein «Chef» im Kreisverband, Stefan Werner, machte es ihm gleich. Er wollte den Gegendemonstranten fragen stellen, diese befanden sich auf der anderen Seite einer Münchner Hauptverkehrsstraße, das mitgebrachte Megaphon gab nicht viel her. Die Gegendemonstranten können dies unmöglich verstanden haben. Trotzdem wartete Werner stets auf Antwort. Das Wechselspiel ging über zwei Stunden.

Zwei Tage später kam Seidensticker mit seiner deutschlandweiten Kundgebungsfahrt nach München. «Das liest sich wie ein >>who is who<< der NoGo-Areas" kommentierte auf einer PRO-nahen Facebookseite ein User. Tatsächlich suchte der Wanderzirkus in jeder beliebigen Stadt just die Orte auf, an denen es zu möglichst großem und möglichst heftigen Gegenprotesten kommen kann. Doch während es in vielen Städten tatsächlich zu Zwischenfällen kam, die mit einer größeren Medienaufmerksamkeit verbunden waren, fand in München die PRO-Show in guter Sicht- und noch besserer Riechweite eines Klärwerkes ihren Auftakt. Unweit davon war die Moschee in München-Freimann, das eigentliche Ziel. Außer einem Journalisten hat die Kundgebung niemand verfolgt. Es war niemand vor Ort. Kundgebung Nummer Zwei fand fand dann immerhin schon deutlich näher an einer Moschee statt. Doch außer dieser, in der zu dieser Zeit kein Betrieb war, befand sich neben einem einzigen Wohnhaus nur ein lange stillgelegter Teil des Münchner Schlachthofes am Kundgebungsort. Aufmerksamkeit sieht anders aus. Dabei hatte PRO sogar eine kleine Nebelmaschine dabei. Die Show war vorbereitet, das Publikum blieb aus. Die dritte Kundgebung sollte vor dem Jugendtreff Kafe Marat stattfinden. Zumindest hat Seidensticker sie dort angemeldet. Die Behörden verlegten die Kundgebung auf die andere Seite der Kreuzung. Zwischen einer Baustelle und einem veganen Einkaufsmarkt durften die PRO-Zöglinge hier ihre Parolen kundtun. Die Besitzer des Einkaufsmarktes konnten sie jedenfalls nicht überzeugen: Als sie dort einkaufen wollten, wurde ihnen der Zutritt verwehrt. An diese legitime Ausübung des Hausrechtes wollten sich die PRO-Aktivisten nicht halten. Die Polizei musste den Ladeninhabern zur Hilfe eilen und das Hausverbot durchsetzen. Kundgebung vier ist spontan ersatzlos entfallen, der angekündigte Ort (Patentamt) macht auch bei näherer Betrachtung überhaupt keinen Sinn. Die letzte Station war eine Adresse, in der sich bis vor vielen Jahren ein linker Info-Laden befunden hat. Sonst ist dort nichts, wogegen oder wofür man demonstrieren kann. "Dass der zu ist, hat uns keiner vorher gesagt", schimpft Seidensticker durch das Mikrofon. Vor der Wahl riefen führende PRO-Aktivisten dazu auf, mangels der eigenen Beteiligung die Gesinnungsfreunde der Partei DIE FREIHEIT zu wählen. Mit Schützenhilfe der bayerischen PRO-Fraktion kam sie wie erwähnt in Oberbayern auf 0,2 %. Zwischen Klärwerk und Baustellen lassen sich die Massen in Bayern offensichtlich nicht mobilisieren. Aber wahrscheinlich hat Seidensticker auch das "keiner vorher gesagt". Das NPD-Schiff orientierungslos auf hoher See: Wohin des Weges, Herr Richter?

Die NPD hat es in Bayern nicht überall auf die Wahlliste geschafft. Im Kopf hatte man nicht nur deshalb auch schon die Bundestagswahl, der bayerische Landesvorsitzende und Münchner Stadtrat (Bürgerinitiative Ausländerstopp) Karl Richter dürfte zudem ebenso wie Michael Stürzenberger bereits Werbung in eigener Sache für die Kommunalwahl 2014 betreiben. Mehrere NPD-Kommandos zogen in der heißen Wahlkampfphase durch München und das Umland: Zum
Einen die Bayern-NPD mit Karl Richter & Sigrid Schüssler im Stammteam bei der «Bayerntour», zum Anderen ist da die Deutschland-Tour, die um einen LKW und ein paar bundesweit bekannte Neonazis reicher ist. Karl Richter scheint die Taktik von PRO und DF verstanden zu haben und distanziert sich – als stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD und gern gesehener Gast bei militanten Kameradschaften – ebenfalls immer wieder von «Neonazis».

Die bayerische NPD ist in einer tiefen Krise. Der zunächst von vielen Neonazis positiv bewertete Wechsel an der Landesspitze von dem sich eher gemäßigt gebenden Ralf Ollert auf den im radikalen Kameradschaftsspektrum tief verwurzelten Karl Richter scheint das Chaos erst perfekt gemacht zu haben. Neumitglieder dürfte die Partei wegen ihm kaum gewonnen haben, die Kameradschaften lehnen die NPD mindestens solange ab, wie ihr Parteichef Apfel seinen Kurs des «seriösen Radikalismus» fährt. Das rechtsextreme Personenpotenzial in Bayern kann Richter nicht mehr für die NPD gewinnen – manche Kreisverbände beklagen im Gegenteil sogar sehr viele Austritte in den letzten Monaten.

Da bleibt Richter nur noch das, was ihn schon 2008 in den Münchner Stadtrat brachte: Der Etikettenschwindel. Richter trat zur Kommunalwahl nicht als NPD an, sondern als «Bürgerinitiative Ausländerstopp München». Die NPD bedeutet so für Richter nichts anderes mehr als «normal politisch denken», wenn Gegendemonstranten seine Reden übertönten entgegnete er diesen: «genau so haben die Nazis auch angefangen..».

Bei den Kundgebungen ebenfalls immer mit dabei: RNF-Vorsitzende Sigrid Schüssler. Statt radikaler, rassistischer Rhetorik erklärte Schüssler lieber, was sie ihren Kindern zu Mittag kocht und warum sie das tut. Und, das ihr kochen Freude bereitet.

Die NPD reiht sich so in ein Sammelbecken ein, indem sich voneinander distanzierende Rechtsextremisten sich um die wenigen Stimmen am rechten Rand streiten. Die NPD gibt gerade endgültig ihr einstiges Alleinstellungsmerkmal einer radikalen nationalistischen Partei ab. Die letztlich erreichten 0,6% sind zu wenig. Im Vergleich zu 2008 (1,2%) hat die Partei es sogar geschafft, die Hälfte der Stimmen zu verlieren. Richter versprach mehrmals, die NPD würde «niemals verboten werden können». Das Schiff NPD geht in Bayern unter. Zu groß ist die Konkurrenz mit identischen Zielen und noch nicht so verbrannten Namen, zu gering der Rückhalt in der eigenen Szene.

Die Republikaner

Kaum wahrnehmbar im Wahlkampf waren die REPUBLIKANER. Zu Infostand-Terminen ist man oftmals gar nicht erst erschienen. Mit 1,0% haben sie zwar besser abgeschnitten wie NPD und DF/ PRO zusammen, im Vergleich zu 2008 jedoch schmerzhafte 0,4 Prozentpunkte verloren.

Drei völlig unterschiedliche Organisationen am rechten Rand haben sich darum bemüht, bei der bayerischen Landtagswahl ein Zeichen zu setzen. Vor einigen Monaten sprachen NPD und DF noch von einem möglichen Einzug in das bayerische Parlament. Dort jedoch wären sie rein rechnerisch nicht einmal gelandet, wenn sie sich zu einer großen Partei zusammengeschlossen hätten. Michael Stürzenberger erreicht 0,1% in vielen Münchner Stadtteilen, in denen die Bürger ihn mittlerweile kennen. Bei dieser Wahl erlebten alle extrem rechten Organisationen ihr eigenes, hausgemachtes Debakel in Bayern. Anhand der Ergebnisse wird es besonders für die neuen Organisationen nun sehr schwer werden, neue Leute zu gewinnen, die man besonders in den Führungspositionen doch so dringend braucht.