Staatsregierung entzieht sich ihrer demokratischen Aufgabe und ihrer Verantwortung gegenüber den Opfern

Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements und weitere Aufklärung der NSU-Morde durch eine Landtagskommission: Im Kampf gegen Rechts engagieren sich SPD und Grüne im bayerischen Landtag in zwei Anträgen weiter. Doch was sind die konkreten Ziele und wie kann man diese umsetzen?
Ein Gespräch mit dem SPD-Landtagsabgeordneten Florian Ritter.
Nach Beendigung des Untersuchungsausschusses Rechtsterrorismus in Bayern – NSU letzten Jahres verständigten sich die neun Parlamentarier auf zahlreiche Empfehlungen, die durch die bayerische Staatsregierung umgesetzt werden sollten. Jetzt, über ein Jahr später, wird von SPD und Grüne eine Kommission gefordert, die die Umsetzung dieser Ergebnisse überprüfen soll. Doch nicht nur durch eine solche Überprüfung soll rechtes Gedankengut verhindert werden. Auch durch die Überarbeitung des Handlungskonzepts gegen Rechts soll zivilgesellschaftlicher Widerstand gestärkt werden.
Um Mitstimmen der CSU bei dem Antrag für eine Kommission warben Markus Rinderspacher und Margarete Bause in einem gemeinsamen Brief an den Kollegen Thomas Kreuzer von der Union.
ER-B: Wieso halten Sie diese Kommission für notwendig?
Ritter: Wir könnten einfach als Parlament nach der Beendigung des NSU-Ausschusses zur Tagesordnung übergehen und die Empfehlungen nur an die Verwaltung delegieren. Aber die Umsetzung, bzw. wie diese von statten gehen soll – das ist ebenso Aufgabe des Parlaments. Wir haben uns im Untersuchungsausschuss ja auch mit möglichem Fehlverhalten auseinandergesetzt, und die Verbesserung zu begleiten ist eine politische, keine verwaltungstechnische Aufgabe.
ER-B: Wieso haben Sie erst den Weg des Briefes gewählt, anstatt den Antrag für die Kommission gleich ins Plenum einzubringen?
Ritter: Wir hatten im Untersuchungsausschuss eine sehr gute Zusammenarbeit mit der Union, auch wenn bei einigen unserer Empfehlungen unterschiedlich abgestimmt wurde. Aber grundsätzlich hatten wir gemeinsam gut gearbeitet und wollten deshalb erst den informellen Weg einschlagen, um so einen gemeinsamen Nenner zu finden. Das ist jetzt leider nicht zusammengekommen, deshalb geht es nun doch übers Plenum.
«Dass es keine Motivation durch die Staatregierung gab, fehlerhafte Einschätzungen zu korrigieren, muss politisch thematisiert werden! Das sind wir den Opfern und den Hinterbliebenen schuldig.»
ER-B: Wie waren die Reaktionen auf diesen Brief, vor allem auch von Seiten der Union und was denken Sie über diese Reaktion?
Ich fand es sehr bedauerlich, dass Seiten der CSU gleich abgelehnt haben. Mal schauen, ob jetzt mehr Bewegung in die Kolleginnen und Kollegen der CSU kommt, denn es gab auch hier schon kontroverse Diskussionen. Die genauen Hintergründe über die Absage sind uns leider auch unklar, da es ja keinen direkten Antwortbrief an uns gab.
ER-B: Wieso ist diese Kommission für Sie und Ihre KollegInnen so wichtig?
Ritter: Der Untersuchungsausschuss war aus vielen verschiedenen Themenbereichen aufgebaut. Beispielsweise das Versagen der Behörden beim NSU, was nicht nur die Mitarbeiter zu verantworten haben. Das sehen wir als ein politisches Problem, das einer politischen Lösung bedarf. Und als Parlament ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen.
Wir dürfen nicht sagen, okay, der Ausschuss ist jetzt rum, alles fertig und geschrieben, nein, es ist unsere Verantwortung, dafür zu sorgen, dass so etwas Schreckliches wie die NSU Mordserie nicht noch einmal vorkommen kann. Dass über Jahrzehnte hinweg politisch motivierte Morde begangen werden und sowas nicht erkannt wird, weil unter anderem die Gewaltbereitschaft der rechten Szene vom Verfassungsschutz falsch eingeschätzt wird, muss Konsequenzen im politischen Handeln haben. Dass es keine Motivation durch die Staatregierung gab, fehlerhafte Einschätzungen zu korrigieren, muss politisch thematisiert werden! Das sind wir den Opfern und den
Hinterbliebenen schuldig.
ER-B: Wie viele Landtagsabgeordnete brauchen Sie, um eine solche Kommission durchzusetzen?
Halten Sie das Ziel für realistisch?
Ritter: Um die Kommission so, wie wir sie uns derzeit vorstellen, umzusetzen, brauchen wir eine Mehrheit im bayerischen Landtag.
Somit ist klar: Falls die CSU weiterhin Nein sagt, wird es die Kommission nicht geben. Ich bin unsicher, ob es klappt, beim Untersuchungsausschuss selbst kam allerdings auch die Initiative von der Opposition, woraufhin die CSU einlenkte und ein gemeinsamer Antrag auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses erstellt wurde. Es kann also auch so laufen. Ich sehe durchaus eine Chance, dass die CSU vielleicht noch einlenkt – allerdings ist das keine Vorhersage. Die endgültige Entscheidung müssen wir wohl der politischen Debatte überlassen.
ER-B: Nachdem Sie im Plenum den Antrag eingebracht haben, gab es in Pressemitteilungen der CSU erste Reaktionen. Sie halten es für wenig sinnvoll, da sie Parallelstrukturen mit dem Innenausschuss und dem parlamentarischen Kontrollgremium sehen. Was denken Sie über diese Antwort?
Ritter: Dieser Ausschuss wird wenige Schnittpunkte mit dem parlamentarischen Kontrollgremium haben. Denn Aufgabe des Ausschusses wird nicht die laufende Kontrolle des Verfassungsschutzes sein, das bleibt in der Hand des Kontrollgremiums. Wir möchten aber eine perspektivische Debatte über den Verfassungsschutz anstoßen, was eindeutig nicht Aufgabe des Kontrollgremiums ist. Manche Schnittpunkte mit dem Innenausschuss könnten vorkommen, in diesem Ausschuss gab es aber bisher systematische Bestrebungen mit dem Thema NSU.
Allgemein ist es den Opfern und Hinterbliebenen gegenüber nicht angemessen, dass es nur einen kleinen Bericht jährlich gibt, sondern, dass man sich angemessen und systematisch damit beschäftigt. Diese kontinuierliche Auseinandersetzung kann der Innenausschuss nicht leisten.
ER-B: Sie haben den Antrag jetzt im Plenum eingebracht. Wie wird der weitere Verlauf sein für diesen Antrag?
Ritter: Der Antrag wird innerhalb der nächsten Wochen in den verantwortlichen Ausschüssen des Landtags bearbeitet werden. Beispielsweise im Innenausschuss oder im Verfassungsausschuss, denn es gibt im Justizbereich sehr wohl auch Notwendigkeit, sich mit den Taten des NSU auseinander zu setzen. Und dann kommt der Antrag ins Plenum zur endgültigen Entscheidung. Eine Entscheidung wird es aber erst nach der Sommerpause geben.
ER-B: Wo würden Sie die Schwerpunkte der Kommission setzen?
Ritter: Wir haben uns noch nicht genau festgelegt, um uns für die CSU noch eine Tür offen zu halten. Prinzipiell sollen natürlich alle Punkte die im Abschlussberichts des Untersuchungsausschuss genannt wurden behandelt werden, ebenso wie die im Bericht der Bund – Länder – Kommission genannten Konsequenzen. Das betrifft auch die nicht einstimmig beschlossenen Konsequenzen. Diese Inhalte müssen öffentlich diskutiert werden, wie z.B. der Umgang mit V Leuten in Verfassungsschutzbehörden. Aber das muss dann gemacht werden, wenn der Beschluss für die Kommission durch ist.
ER-B: Was wären die ersten Schritte und auf welches Ziel würden Sie langfristig zu steuern?
Ritter: Also erstmal alle Punkte aufzuarbeiten, die gemeinsam im UA beschlossen worden sind. Aber es gibt auch Punkte, die über einen UA Bericht hinausgehen: eine Qualitätssteigerung in den Sicherheitsbehörden hinsichtlich des Umgangs mit rassistisch motivierten Taten, Entwicklung interkultureller Kompetenzen in Sicherheitsbehörden und Verwaltung oder Fragen politischer Bildung. Wir brauchen aber auch vermehrt gesellschaftspolitische Debatten über diese Themen. Das darf sich nicht auf einen Landtagsausschuss beschränken.
ER-B: Wie bewerten Sie die bisherige Umsetzung der beschlossenen Empfehlungen aus dem UA?
Ritter: Sie ist verhältnismäßig schlecht. Es gab noch keinen umfassenden Bericht, gerade mal eine Maßnahme wurde nachprüfbar umgesetzt, nämlich,
dass im Verfassungsschutz die Abteilung, die für Links- und Rechtsextremismus gemeinsam verantwortlich war, getrennt wurde. Ob die Folgen davon positiv oder negativ waren, müsste man auch erfragen. Es gab allerdings schon eine Anfrage vom Kollegen Franz Schindler zu den umgesetzten Maßnahmen. In der Antwort wird leider fast ausschließlich die Zusammenarbeit der Inlandsgeheimdienste auf Bundesebene eingegangen, aber nicht auf die Punkte die der bayerische Untersuchungsausschuss erarbeitet hat. Das wäre auch eine Aufgabe des Ausschusses, eine vernünftige Bestandsaufnahme dahingehend zu machen.
«Der zivilgesellschaftliche Widerstand (in Bayern) wird vor allem aus Bundesmitteln finanziert.»
ER-B: Unabhängig von der sicherheitspolitischen Debatte erfordert der Kampf gegen rechts auch zivilgesellschaftlichen Widerstand. Wie ist es um diesen in Bayern derzeit bestellt und wie wird dieser unterstützt?
Ritter: Der zivilgesellschaftliche Widerstand wird vor allem aus Bundesmitteln finanziert. München, Nürnberg und auch andere Kommunen machen da viel, die Mittel des Freistaats fließen allerdings leider fast ausschließlich in die BIGE oder zum Verfassungsschutz. Deshalb möchten wir auch gerne das bayerische Landesprogramm gegen Extremismus überarbeiten. Bayern soll sich bei der finanziellen Förderung beteiligen, und soll bewirken, dass zivilgesellschaftlich wichtige AkteurInnen bei der Überarbeitung beteiligt werden – und nicht nur der Verfassungsschutz! Gute Beispiele sind hier Berlin oder Brandenburg, die umfassend und gezielt versuchen, zu vernetzen. Wir wollen, dass nicht nur Ordnungsbehörden, sondern auch zivilgesellschaftliche Gruppierungen bestärkt werden in ihrem Kampf gegen Rechts und für Demokratie.
«Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen an der Entwicklung mitarbeiten und im Mittelpunkt des Programms stehen. Punkt.»
ER-B: Die SPD und Grünen Landtagfraktion fordern eine Überarbeitung der derzeitigen Unterstützungsansätze für Initiativen gegen rechts und die zivilgesellschaftliche Unterstützung gegen Neonazis. Für wie sinnvoll halten Sie die Unterstützung, wie sie in den letzten Jahren gewährt wurde?
Ritter: Von Seiten der Staatsregierung kam de facto keine Unterstützung. Es gibt zum einen die Arbeit der BIGE, die innerhalb der Zivilgesellschaft sehr umstritten ist. Die BIGE misstraut vielen Gruppen, die sich gegen Neonazismus engagieren, und jene Gruppen müssen sich auch oft dem Urteil der Verfassungsschutzbehörden unterziehen – welches oft vollkommen an der Realität vorbeigeht, genauso wie die verharmlosenden Einschätzungen gegenüber der rechten Szene. Zum anderen wird das bayerische Bündnis für Toleranz unterstützt, dessen Träger der DGB und Kirchen sind – andere Organisationen sind natürlich auch dabei, aber das sind die beiden größten. Aber auch hier ist meines Erachtens die Unterstützung nicht ausreichend. Die Unterstützung muss zu Bedingung der Zivilgesellschaft passieren – und nicht zu Bedingungen der CSU!
ER-B: Welche Defizite gab es bei dieser Unterstützung?
Ritter: Die Mittel sind nicht darauf ausgerichtet, zivilgesellschaftliches Engagement zu fördern – das ist für mich der hauptsächliche Problempunkt.
Auch wenn ich der bayerischen Staatsregierung vorwerfe, ordnungspolitisch nicht genug gegen rechts vorzugehen – allerdings kann man das Problem Neonazismus nicht nur ordnungspolitisch bannen, man braucht die Zivilgesellschaft.
ER-B: Was sind konkrete Punkte, die überarbeitet werden müssen?
Ritter: Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen an der Entwicklung mitarbeiten und im Mittelpunkt des Programms stehen. Punkt.
ER-B: Wie sollte die Unterstützung bestenfalls aussehen?
Ritter: Hier hilft wieder der Blick in andere Bundesländer. Da ist es in der Regel so dass es Koordinationsstellen gibt – die nicht beim Innenminister angesiedelt sind, sondern entweder unabhängig oder auf Regierungsebene stehen. Deren Aufgabe
ist es in erster Linie, alles zu koordinieren. Kompetenz von außen durch zivilgesellschaftliche Organisationen, Bündnisse, Kirchen, Gewerkschaft, aber auch Wissenschaftler sind durchaus erwünscht. Darauf aufbauend kann man – in einem bestimmten Zeitraum – anfangen, Ziele zu definieren. Und das dann mit der zivilgesellschaftlichen Unterstützung umsetzen. Mir geht’s vor allem darum, nicht meine persönliche Vorstellung dieser Struktur umzusetzen. Die zivilgesellschaftlichen AkteurInnen müssen von Anfang an dabei sein, ihre Vorstellungen und Pläne miteinfließen lassen und mitarbeiten.
ER-B: In Ihrem Antrag fordern Sie die Ausgrenzung der BIGE im Bildungsbereich gegen Rechtsextremismus. Womit begründen Sie das?
Ritter: Die politische Bildungsaufgabe ist nicht Aufgabe des Verfassungsschutzes. Für bestimmte Informationen brauchen wir sicherlich die Sicherheitsbehörden. Aber Aufklärung über Rechtsextremismus ist eine wichtige Bildungsaufgabe, die nicht durch einen alle fünf Jahre in einer Schule aufschlagenden BIGE-Mitarbeiter gelöst werden kann.
Sondern: vernünftige politische Bildung – auch durch die Schule – verankert in den Lehrplänen. In Geschichte und Sozialkunde. Dies kann man auch wieder zivilgesellschaftlich begleiten, wie beispielsweise durch Zeitzeugengespräche, Beratungen, falls man von konkreten Fällen von Rechtsextremismus an der Schule betroffen ist. Aber der Punkt ist der, dass ich eine vernünftige politische Bildung nicht durch Verfassungsschutzmitarbeiter durchführen lassen kann, die eigentlich keine Ahnung von Bildungsdidaktik haben und deren Sichtweisen gerade in Bayern und gerade bei diesem Thema ausgesprochen ideologisch gefärbt ist. Damit wird es nicht funktionieren. Und es geht auch darum, den Leuten nicht nur zu erklären, was ein Skinhead ist oder wie man ihn erkennt – es geht auch darum, den Kindern und Jugendlichen zu erklären, wie sie sich selbst in die Gesellschaft einbringen können. Und dies auch gemeinsam mit ihnen einübt. Das ist die Aufgabe und nicht die Art von Informationsarbeit, wie sie die BIGE leistet.
ER-B: Und wie sollen zivilgesellschaftliche Akteure miteinbezogen werden?
Ritter: Die Frage der Struktur können wir beantworten, wenn wir das neue Konzept formulieren. Über die Frage der Beteiligten müsste man sich genauer unterhalten. Aber es gibt genug Akteure, die bereits heute aktiv sind in diesem Bereich. Auch von der wissenschaftlichen Seite. Ich nenne hier nur das Zentrum für angewandte Politikwissenschaften, Lehrstühle mit der Fachrichtung Gewaltforschung, rechtsextreme Gewalt, Rechtsextremismus. Daneben gibt es auch so viele Organisationen, die mit einbezogen werden müssen, die aus dem Bereich der Opfervertretung durch Nazigewalt kommen, also die VVN, das Dachaukommitee, und natürlich auch das Bayerische Bündnis für Toleranz.
Wie weit das lokale Mitarbeiten ermöglicht werden soll, muss auch diskutiert werden, da die lokalen Organisationen mit ganz speziellen Problematiken konfrontiert werden, beispielsweise der Umgang mit Naziaufmärschen, und und und. Aber es gibt schon Ansätze, wie es angepackt wird, z.B. das Wunsiedler Forum. Solche Zusammenschlüsse braucht man! Tolle Arbeit leisten auch Jugendverbände und der bayerische Jugendring. Es gibt da ein ganz breites Spektrum an Organisationen, die tollen Widerstand leisten.
«Wir haben eine demokratisch gewählte Regierung, die somit auch Demokratie fördern soll. Die Staatsregierung kann und darf sich dieser Verantwortung nicht entziehen.»
ER-B: Beeinträchtigt die Extremismusklausel in Ihren Augen die Arbeit des zivilgesellschaftlichen Widerstands?
Ritter: Ganz klar. Denn die Extremismusklausel stellt Rechtsextremismus als ein isoliertes Randphänomen hin. Nazigegner und Nazis werden auf eine Stufe gestellt, aber letztendlich ist genau das eines der größten Probleme: Dass so getan wird, als ob Rechtsextremismus ein Problem wäre, dass sich abseits von anderen politischen Debatten bewegt.
Gutes Beispiel ist
Sarrazin: Er vertritt öffentlich rassistische Positionen und befeuert damit den rassistischen Diskurs, ist aber nach der Extremismustherorie Teil der politischen Mitte unserer Gesellschaft. Problematisch wird es bei der Extremismustheorie erst, wenn jemand offen für Naziorganisationen eintritt. Wenn er aus der „Mitte“ heraus die Grundfesten der Verfassung demoliert und das Geschäft des Rassismus betreibt, aber als SPD Mitglied wie Herr Sarrazin, dann ist das entsprechend der Extremismustheorie keiner Betrachtung wert. Antidemokratische oder rassistische Meinungsmuster in Teilen der normalen Bevölkerung sind aber für die Werte der Verfassung nicht minder bedrohlich wie die Tätigkeit verfassungsfeindlicher Organisationen.
Solche Dinge haben Auswirkungen auch die Attraktivität von rechtsextremen Positionen. Das bekomme ich mit so einer umstrittenen Theorie wie der Extremismustheorie nicht in den Griff. Es gäbe eine Mitte der Gesellschaft und alles andere spielt nur an den Rändern – das stimmt nicht. Es gibt auch in der Mitte der Gesellschaft Menschen, die aktiv in demokratischen Parteien sind, aber z.B. offen rassistische oder antisemitische Positionen vertreten, was sich mit rechten Rändern spiegelt. Und damit muss man lernen, umzugehen. Dafür braucht es andere wissenschaftliche Ansätze – nicht die Extremismusklausel.
ER-B: Wo war die Mitarbeit der Wissenschaft in das bisherige Handlungskonzept lückenhaft?
Ritter: Sie war gar nicht vorhanden.
ER-B: Bayern zahlt im Vergleich zu anderen Bundesländern nur einen Bruchteil um Arbeit gegen rechts zu unterstützen. Was denken Sie darüber?
Ritter: Die Staatsregierung verweist immer wieder auf die Bundesmittel mit der Begründung: „Das sei keine Länderaufgabe.“ Meines Erachtens nach ist die Verteidigung und Unterstützung von Demokratie selbstverständlich Landessache, das kann man nicht auf die Bundesebene weg delegieren. Wir haben eine demokratisch gewählte Regierung, die somit auch Demokratie fördern soll. Die Staatsregierung kann und darf sich dieser Verantwortung nicht entziehen.