Pleiten, Pech und Pannen für den Dritten Weg in Deggendorf

Um die 25 Rechtsextremisten folgten einem Aufruf der Partei Der Dritte Weg, am vergangenen Samstag im niederbayerischen Deggendorf „gegen Repression“ auf die Straßen zu gehen. Etwa 90 Minuten ging es um neonazistische «Märtyrer» und das Verbot des Freien Netz Süd. Auch in Göppingen in Baden-Württemberg fand zu diesem Thema eine Kundgebung statt. Dort wurde sie allerdings gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen.
Die Kundgebung am Samstag in Deggendorf war nach offizieller Zählung die dritte auf bayerischen Boden, die von der neonazistischen Partei Der Dritte Weg ausging. Im Juli feierte der Stützpunkt Hochfranken in Oberprex ein Sommerfest, Ende Mai hatte die Gruppierung zu einer Kundgebung nach Deggendorf mobilisiert. Damals ging es gegen die geplante Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge. Die früheren Aktivisten des verbotenen Kameradschaftsnetzwerkes Freies Netz Süd (FNS) verfügen allerdings über eine deutliche größere Erfahrung, traten aber dieses Mal in der Donaustadt wie blutige Anfänger auf.
Begonnen hatte die Serie an Pannen bereits mit der Bewerbung auf dem sozialen Netzwerk Facebook. Der übliche Beschnitt der Bilder macht aus dem Demomotto „Stoppt die Repressionswut gegen deutsche Nationalisten“ eine Veranstaltung „gegen deutsche Nationalisten“. Vor Ort versagte dann nach nur einer Rede die Lautsprecheranlage und die Aktivisten mussten auf ein wesentlich leiseres Megafon umsteigen. Es machte die Entscheidung nötig, ob denn nun die eigenen Anhänger oder die etwa 60 Gegendemonstranten, die auf der anderen Straßenseite am Michael-Fischer-Platz tatsächlich gegen Rechtsextremismus demonstrierten, die Aussagen mitbekommen sollten. Beides zusammen ging nicht.

Auch die beiden „Nationalisten“ in Häftlingskleidung wirkten eher komisch. Ein anderer Teil wollte in Tracht wohl Heimatverbundenheit ausdrücken. Dieser Eindruck wurde aber mehr als konterkariert durch nur einseitig bedruckte Bayernfahnen, so dass sogar der Verdacht aufkam, man habe hier schlicht Tischtücher umgenäht.
Die Freiheit, die sie meinen: Antisemiten und Nationalsozialisten als Märtyrer
Auch die Reden schienen nicht gut abgesprochen worden zu sein. Soweit die Inhalte verständlich waren, ging es bei den Wortführern immer wieder um das kürzlich verbotene Freie Netz Süd und die beiden inhaftierten Neonazis Horst Mahler und Gottfried Küssel, ohne dass die Vorträge einer Logik folgten. Die Ansprachen kamen unter anderem von Roy Asmuß, zuletzt verantwortlich für die Internetseite des Freien Netz Süd und Walter Strohmeier, Stützpunktleiter des Dritten Weges in Ostbayern. Aus Thüringen war der umtriebige Kameradschaftsaktivist Michael Fischer angereist.
Mit Küssel und Mahler, auf deren Schicksal auch auf Schildern verharmlosend hingewiesen wurde, hatten sich die Akteure allerdings zwei Beispiele ausgesucht, für die es außerhalb der Szene kaum Sympathien geben dürfte. Mahlers Gesamtstrafe, die Szene spricht von zwölf Jahren, setzt sich aus vielen Einzelstraftaten zusammen, die der antisemitische Intensivtäter bewusst beging.
Strafverschärfend wirken auch die jeweiligen einschlägigen Vorstrafen. Das Landgericht Potsdam verurteilte ihn 2009 in 19 Fällen von Volksverhetzung, das Landgericht München kurz darauf in drei Fällen ebenfalls zu einer längeren Haftstrafe. Er hatte beispielsweise das Buch des Holocaustleugners Rudolf vertrieben. 2004 hatte er seine Rechte als Angeklagter genutzt und hatte vor Gericht die Massenvernichtung der Juden durch die Nazis geleugnet. Mahler hatte sich zudem in den 1970ern 14 Jahre Haft für seine Unterstützung der RAF
eingehandelt und zwei Drittel davon verbüßt.

Auch die aktuelle Haftstrafe von Gottfried Küssel ist mit sieben Jahren und neun Monaten ebenfalls lang. Der 1958 geborene Wiener ist eine der Schlüsselfiguren der österreichischen Neonazi-Szene. Er hat kein Problem damit, sich als Nationalsozialist zu bezeichnen. In einem Interview nannte er Hitler den größten Mann der deutschen Geschichte. Als Ziel gab er auch schon mal die Wiederzulassung der NSDAP als Wahlpartei an. Kein Wunder, dass Küssel immer wieder in Konflikt mit dem österreichischen Verbotsgesetz kam, das in der Alpenrepublik das Verbot der Nazi-Partei begründet und jede Betätigung für deren Ziele unter Strafe stellt. Die Verantwortung für die Webseite alpen-donau.info brachte ihm die letzte Verurteilung ein. Strafverschärfend wirkten auch hier elf Vorstrafen – teils wegen gleicher oder ähnlicher Vergehen.
Damit passen beide gut in das Portfolio der Partei Der Dritte Weg, die sich laut bayerischen Behörden am historischen Nationalsozialismus orientiert. Auch das Freie Netz Süd hatte sich schon stark von der NSDAP und deren Auftreten in der „Kampfzeit“ in Wort und Bild inspirieren lassen.
Göppinger Stadtverwaltung spielt Neonazis in die Hände
Während im niederbayerischen Deggendorf hauptsächlich ostbayerische Neonazis demonstrierten, zog es schwäbische, oberbayerische und fränkische Neonazis nach Göppingen. Auch dort war das Vorgehen der Behörden gegen Neonazis Anlass für die Kundgebung. Vier Rechtsextremisten aus der Region werden sich dort bald wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, den Autonomen Nationalisten Göppingen (ANG), vor Gericht verantworten müssen.
Ihnen wird laut SWR gefährliche Körperverletzung, Volksverhetzung, Sachbeschädigungen und Verstöße gegen das Versammlungs- und das Waffengesetz vorgeworfen. Der frühere Landesvorsitzende der Partei Die Rechte, Daniel Reusch, gehört zu den Angeklagten. Ob sich dieser, wie das FNS vermeldet hatte, im staatlichen Aussteigerprogramm befindet, darüber schweigen sich die Behörden in Baden-Württemberg weiterhin beharrlich aus.
Die Kundgebung war im Gegensatz zu Deggendorf nicht auf der Internetseite der Partei beworben worden und die Behörden spielten das Spiel mit. Die Neue Württembergische Zeitung hatte am Freitag noch die städtische Pressestelle nach rechtsextremen Demoanmeldungen befragt und eine negative Auskunft erhalten. Allerdings bezog sich die Anfrage auf den Oktober, dem Monat, in dem es die Szene in den letzten Jahren in die Stadt zog. Mit dem Hinweis auf den angefragten Zeitraum begründete die Stadt dann auch ihre eigenwillige Auskunft.
Weiter meldet die Zeitung, die Stadt prüfe die Zukunft des Runden Tisches gegen Rechts. Angesichts der fehlenden Demoanmeldung und wohl auch wegen der Verfahren gegen führende Akteure und des möglichen Verbots der lokalen Organisation, sieht die Verwaltung das rechtsextreme Problem als nicht mehr so drängend an. Treffender könnte der Irrglaube, Rechtsextremismus sei verschwunden, wenn die äußeren Zeichen wie Organisationen und Veranstaltungen verboten sind, nicht zum Ausdruck gebracht werden.
Gegen 14.50 Uhr
verschwanden die bayerischen und lokalen Neonazis, so meldet es Beobachter News, dann wieder aus der Stadt. Vorher hatte es noch einen Zwischenfall gegeben. Ein Passant, der keinen Flyer mitnehmen und sich erst Recht nicht fotografieren lassen wollte, sei zu Boden gestoßen worden.