Rathäuser in Unterfranken stehen rechten Rednern offen

Veranstaltung Schweinfurt gegen Geschichtsverfälschung

Am Main werden am Wochenende zwei Rathäuser geöffnet, um Rednern des rechten Randes eine Bühne zu bieten. In Schweinfurt verleiht die „Kronauer-Stiftung“ am Samstag einen Preis für vermeintliche Forschung „gegen die Political Correctness“, in Würzburg spricht einen Tag früher Michael Paulwitz als Festredner beim Bund der Vertriebenen. Die Reaktionen der beiden Rathauschefs sind höchst unterschiedlich.

Würzburg

„Rechter Redner unerwünscht“ titelte die Main-Post in einem Artikel vom 1. Oktober und zitiert dabei Würzburgers Oberbürgermeister Christian Schuchardt. Der lokale Bund der Vertriebenen (BdV) lädt am morgigen Freitag zum „Tag der Heimat“ zu einem Empfang ins Rathaus ein, um anschließend im Saal der Pfarrgemeinde Heiligkreuz das Programm fortzusetzen. Unerwünscht ist der Stadtspitze dabei der angekündigte Hauptredner Michael Paulwitz. Man hoffe, so spekuliert die Main-Post, auf die Ausladung durch den BdV selbst. Auch eine Absage des Empfangs im Rathaus steht noch zur Debatte.

Paulwitz ist Mitglied Der Republikaner und seit 2001 Autor der Jungen Freiheit, dem Sprachrohr der neuen Rechten. Er gehörte zeitweise der Burschenschaft „Danubia München“ an und übernahm die „Schriftleitung“ der Burschenschaftlichen Blätter von Norbert Weidner, der zurücktreten musste, nachdem er den Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer als Landesverräter diffamiert hatte. Laut der taz bezeichnete Paulwitz die Diskussion um seinen Vorgänger als „Pseudo-Affäre“ und als eine von „linken und linksliberalen Medien“ angezettelte „Diffamierungstrommel“.

Ebenso hegt er Sympathien für den inzwischen aus der CDU ausgetretenen Sven Heibel, für den die Abschaffung des Paragraphen 175 des Strafgesetzbuchs kein glücklicher Umstand war. Diese Vorschrift stellte bis vor zwanzig Jahren homosexuelle Handlungen generell unter Strafe.

Zu den Vorwürfen, private Sicherheitsleute hätten Asylsuchende in mehreren Flüchtlingsunterkünften in Nordrhein-Westfalen misshandelt, fällt ihm in einem Beitrag für die Junge Freiheit ein, der Staat habe das mit zu verantworten, weil er Anreize zum „Asylmissbrauch“ gesetzt und so «Konflikte, Gewalt und Kriminalität importiert» habe. Die geforderte Bestrafung der Täter ist eher einem Law-and-Order-Denken geschuldet, als einer Sympathie für die Opfer. Zugleich stellt er die Misshandlungen auf eine Stufe mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen von Geflüchteten.

Die Bühnen, die beispielsweise Provokateuren wie Thilo Sarrazin und Akif Pirinçci für ihre Aussagen geboten würden, sind für ihn in einem früheren Beitrag Beleg einer Zensur in den Köpfen, Meinungsfreiheit nur mehr ein Luxus nur für wenige, die es sich leisten können.

Das ist nicht nur eine völlige Verkennung dessen, was beispielsweise in den Kommentarspalten der Sozialen Netzwerke abläuft, es bedient vor allem die „gequälte nationale Seele“, die sich für ihre Propaganda gegen die Schwächsten der Gesellschaft auch noch von jeder Kritik ausnehmen möchte.

Der Bund der Vertriebenen will dagegen laut Main-Post an Paulwitz als Redner festhalten.

Schweinfurt

Eine gänzlich andere Haltung nimmt Schuchardts Kollege Sebastian Remelé in Schweinfurt ein. Dort geht es um die Preisverleihung der „Erich-und-Erna-Kronauer-Stiftung“. Die in Schweinfurt ansässige Organisation bekommt dafür am Samstag die repräsentative Rathausdiele im Herzen der Stadt.

Am Montag lud deshalb ein Bündnis aus SPD, Gewerkschaften und anderen Organisationen in die Rathausdiele ein, um über die Stiftung, den Stiftungszweck und den Preisträger zu informieren. Hauptredner war Prof. Dr. Wolfgang Benz, bis 2011
Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin.

Wolfgang Benz
Prof. Dr. Wolfgang Benz

Historiker Benz stellte zu Beginn seiner Ausführungen klar, dass es der Stiftung nicht um ein objektives und ideologiefreies Geschichtsbild gehe. Dem würden schon die Statuten widersprechen. Die umstrittene Vereinigung wolle zeitgeschichtliche Arbeiten auszeichnen, die nicht den „Weg des bequemen Mainstreams oder der Political Correctness folgen“.

Nach beiden frage eine Wissenschaft sowieso nicht, so Benz. Den Historiker unterscheide vom Ideologen, dass es ihm um Aufklärung, nicht um eine bestimmte Sichtweise gehe. So seien von der Stiftung Bogdan Musial nach seinen Polemiken gegen die Wehrmachtsausstellung und Jörg Friedrich für seine Assoziationen des alliierten Luftkrieges mit dem Judenmord ausgezeichnet worden. Der für Samstag ausersehene Preisträger, Dr. Stefan Scheil, passe in diese Reihe.

Scheil, der für die Junge Freiheit schreibt, finde sein Publikum am rechten Rand, die professionelle Geschichtswissenschaft lehne seine Thesen ab. In Rezensionen, die Benz vortrug, wurde Scheil als „unbelehrbarer“ tituliert. Er versuche, die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg abzutragen, zu leugnen oder wenigstens zu lindern. Auch sei er mehrfach auf die Probleme und Gefahren seines Ansatzes hingewiesen worden, habe aber dennoch eine Hitler-Apologie geschrieben. Die Methoden seien bekannt: Berücksichtigt werden nur die Quellen, die dem eigenen Verständnis von Geschichte entsprechen.

Historiker werden so als Ideologen entlarvt, Geschichte diene nur als Rohstoff für weltanschauliche Konstrukte. So vertrete Scheil die These vom Präventivkrieg Hitlers gegen die Sowjetunion. Den deutschen Angriff auf Polen führe er auf eine internationale Krise zurück, sieht aber eher ein Großmachtstreben des östlichen Nachbarn dafür verantwortlich sowie die Westmächte. Kein Wort zu Hitlers Lebensraumideologie, seinem aggressiven Kriegskurs nach dem Münchner Abkommen und der zunehmenden Erpressung Warschaus durch die Nazis, so Benz.

Fragwürdige Preise als Schmerztabletten – Schweinfurt liefert feinste Stube der Stadt

Gehör finden solche Thesen bei Menschen mit einem nationalkonservativen Weltbild, denen die Erkenntnisse der Wissenschaft nicht passten, sie deshalb rein ideologisch für falsch halten und nur zu gerne daran glaubten, dass die Obrigkeit dafür Historiker und Journalisten besolde. Das sei alles noch kein strafbares Delikt, stellte Benz klar, aber die Feindbilder, die geschaffen oder bestätigt würden, bedürften der Aufmerksamkeit der demokratischen Gesellschaft. Die Akteure sehen sich als Märtyrer und beklagen ihre internationale Isolation. Dieser Schmerz werde aber gelindert, indem man sich von Zeit zu Zeit in den einschlägigen Zirkeln aus den Mitteln finanzieller Gönner gegenseitig auszeichne.

In Schweinfurt wird die Stadtspitze diesem Wunsch nach Anerkennung entsprechen und der Stiftung „die feinste Stube der Stadt“ zur Verfügung stellen, wie die Main-Post den Tagungsort beschrieb. Oberbürgermeister Sebastian Remelé zog sich in seinem Grußwort am Montag auf eine rein juristische Betrachtung zurück. Die Stiftung sei in Schweinfurt beheimatet, die Veranstaltung kulturell und nicht politisch, somit alles satzungsgemäß und Stefan Scheil nicht verurteilt. Mit dieser formalen Begründung dürften die wohlhabenden Geschichtsrevisionisten am Samstag den mit 10.000 Euro dotierten Preis im Rathaus an fast jeden verleihen, den engsten Kreis der Holocaustleugner vielleicht ausgenommen.

Remelé will auch am Samstag als Hausherr ein Grußwort halten. Auch wolle er sich in dieser Funktion vorab weder mit den Inhalten solidarisieren noch distanzieren. Die Stadt Schweinfurt habe eine eindeutige Haltung zum Nazi-Regime. Aus seiner
persönlichen Sicht gebe es keine Zweifel am verbrecherischen Wesen des „Dritten Reiches“. Aber auch wenn er diese Worte am Samstag wiederholen sollte, dürfen sich die Teilnehmer wohl angesichts der Räume dennoch als willkommen und akzeptiert betrachten.

Neben der Veranstaltung gab es einen Aufruf an den Oberbürgermeister, die Vergabe der Diele an die „Kronauer-Stiftung“ rückgängig zu machen. Dieses Schreiben wurde von der Landtagsabgeordneten Kathi Petersen und der SPD-Landtagsfraktion unterzeichnet, ebenso von Florian Pronold, Staatssekretär im Umweltministerium, der Europaabgeordneten Kerstin Westphal (beide SPD), sowie von Matthias Jena, dem Vorsitzenden des DGB Bayern. Auch Kirchen schlossen sich dem Anliegen an.

Ein Antrag der SPD im Schweinfurter Stadtrat scheiterte am Dienstag. Stadtchef Remelé hatte für den Fall der Annahme erklärt, den Beschluss als rechtswidrig anzusehen und nicht nachzukommen.

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Aktualisierung (17.05 Uhr): Die Stadt Würzburg hat den Emfang für den Bund den Vertriebenen abgesagt und wird die Veranstalter zu einem anderen Zeitpunkt ins Rathaus einladen, schreibt die Main-Post.