WügidaWürzburger Pegida-Ableger aufs Maul gschaut

Wügida

Auch in der Universitätsstadt Würzburg zog es Pegida-Anhänger am Montag wieder auf die Straße. Das Orga-Teamverkündeten stolz die zweitmeiste Zahl an Spaziergängen nach Dresden. Die Teilnehmerzahl ging aber stark zurück. Etwa 800 bis 1000 Gegendemonstranten bei einer Gegenveranstaltung und am Rand der Strecke ließen die teilweise rassistischen Reden und Schilder nicht unkommentiert.

In Würzburg hatte sich früh eine Unterstützerszene zum Pegida-Original gegründet. Offiziell spazierten die Anhänger zuerst durch die Stadt am Main, weil ihnen der Weg nach Dresden zu weit schien. Die Teilnehmerzahl wuchs im Verlauf von einigen wenigen auf etwa dreihundert Teilnehmer. Darunter befanden sich wie an anderen Orten auch bekannte Neonazis, NPD-Funktionäre, Kameradschaftsaktivisten, die zum Teil auch schon als Ordner eingesetzt gewesen sein sollen.

Am vergangenen Montag konnte der Main-Ableger die Teilnehmerzahl nicht halten. 120 Teilnehmer, vielleicht sogar 150 marschierten über die von der Polizei abgeriegelten Strecke vom Startpunkt Peterplatz los. Unter die Teilnehmer mischte sich mit Sigrid Schüßler an dem Abend nur eine größer bekannte Rechtsextremistin. Schüßler wollte noch vor Wochen Chefin der NPD werden und zog nach eher strategischen Differenzen als inhaltlichen Differenzen die Reißleine und trat aus.

In Würzburg streiten sich Wügida-Organisatoren und das Gegenbündnis für Zivilcourage um die angeblich fehlende Dialogbereitschaft beim jeweils anderen. Das bürgerliche Bündnis forderte eine Distanzierung von rechtsextremen Kräften als Vorbedingung, die der Pegida-Ableger nicht leisten will. Der nicht namentlich bekannte Kopf der Spaziergänger, der sich auf Facebook „Heidegger“ nennt, forderte dagegen am Abend wieder Dialog unter „fairen Bedingungen“ und ohne Vorverurteilungen seitens der Medien. Gegenseitig ist das allerdings nicht gemeint. Die Schilder, die von den Organisatoren zentral ausgegeben wurden, bezeichneten Politiker allesamt als „Verbrecher in Nadelstreifen“ oder werteten die Bundesrepublik als „DDR 2.0“.

Die Würzburger Spaziergänger solidarisierten sich mit allen Pegida-Ablegern , auch mit den Dependancen in Leipzig und Suhl. In letzter sind bekannte Neonazis für alle erkennbar die Wortführer.

Wügida für rassistische Sexisten….

Aber auch ganz ohne Szenegrößen in der Spitze bekommt der Aufmarsch in Würzburg eine extrem rechte Ausrichtung. Nach dem Organisator, der während des Spaziergangs eine Wirmer-Flagge trägt, durfte jemand anderes reden. Er macht sich Gedanken um Zuwanderung und Geburtenraten:

„Ich wollte heute mal einige Wort zu dem Thema „Deutschland – wir werden immer weniger“ sagen. Wir brauchen Ausländer, um die Lücken aufzufüllen, weil wir zu wenige Kinder kriegen. […]. Soweit so gut. Nur leider sieht es doch so aus, dass über neunzig Prozent aller Asylanten, die hier Duldungs- und Bleiberecht bekommen, Männer im besten Zuchtalter sind. Warum sollte das etwas an der demografischen Entwicklung von Deutschland ändern? Das kann nicht an unserem Bevölkerungsschwund tun. Das einzige, was da etwas bringen würde, wäre wieder ein Familienmodell zu entwerfen, in dem die Frau nicht gezwungen ist, Karriere zu machen und nicht gezwungen ist, sich selbst zu verwirklichen [starker Applaus], sondern einmal sich wieder auf ihre natürlichen Werte besinnt, nämlich für die Familie da zu sein. […]. Es war, es
ist doch fast schon eine Schande, wenn eine Frau sagt, ich bin Mutter von drei Kindern. Was ist denn daran eine Schande? Das ist doch das, was wir wollen! Wir wollen gesunde, kräftige Familien. Und wir wollen uns von innen heraus regenerieren und nicht durch Zuwanderung im unbekannten Ausmaß.

Bei der nächsten Rednerin stieß diese Bild dagegen auf verhaltenen Widerspruch. Die Mutter müsse nicht zwangsläufig zu Hause bleiben. Kindererziehung und Betreuung müsse bezahlt werden, egal wer von den Eltern das übernehme. Die Menge signalisierte verhaltene Zustimmung. Rein gerufen wird dagegen „Mutter zum Kind!“.

…..Rassismus im Allgemeinen….

Die Rednerin agierte nicht nur deshalb von Anfang an aus eine gewissen Defensive. Sie hatte eine Woche zuvor für Aufsehen gesorgt, als sie in die Menge fragte, wer denn nun der Nazi sei? „Hitler und wir? Oder Mohammed und der Islam“ hatte der BR danach von ihr auf Band. In ihrem vorbreiteten Statement grenzte sie sich vor allem vom gewaltbereiten Dschihadismus ab. Gegen Muslime an sich habe sie gar nichts einzuwenden. Sie würden „unsere Kultur“ bereichern, «mit dem Döner oder was die Türken sonst so mitbringen.» Es ist eines der typischen Statements, die bei Pegida immer wieder zu hören sind und die denen zur Beruhigung dienen, die sich vielleicht doch Gedanken gemacht hätten, ob sie nicht doch einer rechtsradikalen Bewegung folgen.

Eigentlich stand das Statement im Widerspruch zu zentralen Aussagen von Pegida nach Erhalt der deutschen Kultur etwa oder zu den Schildern, die die Wügida-Organisatoren vorher ausgegeben hatten. Muslime könnten „nur Gäste“ bei uns sein, stand auf einem unterstrichen. „Der ISLAM ist aggressiv“ und „Wehret dem ISLAM-Anfängen“, stand auf anderen. Und auch der Münchner Denker und Lenkern von Bagida, Michael Stürzenberger, spricht immer über „den Islam“, den er hier nicht haben will.

….und Märchenerzähler geöffnet.

Die Fortpflanzung trieb auch einen weiteren Redner um. Er habe im Internet gelesen, in England läge die durchschnittliche Kinderzahl muslimischer Frauen bei 8,1 Kindern. Wo, lies sich auch im Nachhinein nicht recherchieren. Eine Studie des US-Instituts PEW Research kommt für das Vereinigte Königreich auf eine zusammengefasste Geburtenziffer (Total Fertility Rate) von 3. Jedenfalls würden dann die Anhängerinnen der Grünen und Linken, so meinte er, sollte der Islam doch nach Deutschland kommen, von diesem zu Gebährmaschinen degradiert, die sich nur noch zwischen Küche und Bett bewegen dürften. Dass einer seiner Vorredner ähnliche Gedanken hegte, nur in nettere Worte gekleidet, wussten er und die meisten Anhänger wohl zu verdrängen. Und im Verdrängen missliebiger Fakten übte sich die Bewegung ja von Woche zu Woche.

Mit den Fakten nicht sehr genau nahm es auch der letzte Redner der Kundgebung. Er bezeichnete sich selbst als „den Organisator der Münchner
Montagsdemos“ und könne nun verkünden, er sei stolz, kein Linker mehr zu sein. Er begründete das mit der angeblichen Gewalt sogenannter Linker bei der Demonstration „Engagierte Demokraten gegen die Amerikanisierung Europas“ (Endgame), die teilweise auch unter dem Stichwort „Pegada“ lief.

Er habe dort gesehen, wie Linke Bauzäune auf Frauen mit Säuglingen geworfen hätten und Polizisten mit Pfefferspray angegriffen hätten. Diese Aussagen trafen natürlich den Nerv der Pegida-Anhänger, die eifrig applaudierten und das alles wohl auch glaubten. Dumm nur, dass die Polizei nichts von diesen Schilderungen mitbekommen hat und beiden Schilderungen widersprach. Die amtliche Bilanz spricht von zwei Anzeigen wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und vier Anzeigen wegen Körperverletzung. Diese Anzeigen seien aber alle der Kategorie „Person A wurde von Person B gerempelt“ zuzuordnen, war von der Pressestelle zu erfahren. Es ist extrem unwahrscheinlich, dass die Polizei, sollte sie so massiv angegangen oder unbeteiligte Personen derart gefährdet worden sein, dies nicht mitbekommen haben soll. Jedenfalls forderte er die Pegida-Anhänger auf, sich auch verstärkt gegen die Amerikanisierung einzusetzen. Eine Großdemo in München oder sonst irgendwo im Süddeutschen Raum sei in Planung. Schon vorher hatten die Anhänger den Konflikt mit Russland um die Ukraine für sich entdeckt, gehörte das doch zu den Forderungen, die von Seiten der Organisatoren verkündet wurden. Ins Positionspapier hatte es der Punkt bei Veröffentlichung nicht geschafft.

Die Kundgebung endete nach etwa 70 Minuten Gesamtdauer. Die nächsten Treffpunkte würden sie immer via Facebook kommuniziert, so der Veranstalter.

800 bis 1000 Menschen bei der Gegenveranstaltung

Gegen die Veranstaltung waren schon vorher Gegner der Pegida-Bewegung auf die Straße gegangen. Ab 17.30 traf sich das Bündnis für Zivilcourage am Hauptbahnhof und zog von dort in die Innenstadt zum unteren Markt. Laut Polizei und Veranstalter beteiligten sich in der Spitze zwischen 800 und 1.000 Würzburgerinnen und Würzburger an dem Marsch, der diese Mal von der Würzburger SPD auf die Beine gestellt wurde. Wügida hatte vorher im Netz zur Unterwanderung aufgerufen, blieben aber bis auf wenige Anhänger, die wahrscheinlich zwecks Dokumentation erschienen waren, der Gegenveranstaltung fern. Am Endpunkt kamen unter anderem der Landtagsabgeordnete und Oberbürgermeister a.D., Georg Rosenthal, sowie eine Vertreterin der Gewerkschaften, von Solid und weiteren Initiativen zu Wort.