Pegida / Nügida – Nügida „spazierte“ nur 200 Meter weit

Der Neustart der Pegida-Bewegung in Bayern ist ins Wasser gefallen. Nach Nürnberg kamen nur 150 Anhänger, obwohl der Spaziergang am Rosenmontag die einzige Veranstaltung der Islamhasser in Bayern war. Auch in Mittelfranken war Michael Stürzenberger der Wortführer der aufmarschierten Rassisten. Seine Äußerungen während des blockierten Aufzuges waren ein Plädoyer, ihm niemals politische Verantwortung zu übertragen.
Nürnberg hätte so etwas wie ein Neustart der Pegida-Bewegung im Süden werden können – und vermutlich auch sollen. Stetig sinkende Teilnehmerzahlen in München und Würzburg und die Streitigkeiten samt Aufspaltung innerhalb des „Mutterschiffs“ Dresden dürften den Pegida-Anhängern im Süden schwer auf den Magen geschlagen haben. Die Szene hätte in Nürnberg einen eindeutigen Erfolg benötigt und bekam ihn definitiv nicht. Nur etwa 150 Teilnehmer folgten dem Aufruf. Eine Blockade stoppte den Spaziergang nach knapp 200 Metern in der Gudrunstraße und der Aufzug musste umkehren. Das für die Abschlusskundgebung anvisierte Bundesamt für Flüchtlinge und Migration (BAMF) war da noch nicht einmal in Sichtweite.
In ersten Reaktionen redeten sich einige Teilnehmer die geringe Beteiligung noch schön, als ob es sich bei Nügida um eine völlig neue Initiative gehandelt hätte. Die Organisatoren hatten sich mit einem ersten „Spaziergang“ am Rosenmontag auch genug Vorlauf gelassen. Auf dem Hassblog Politically Incorrect (PI) wurde an prominenter Stelle für die Veranstaltung geworben und auch die beiden anderen bayerischen Ableger in Würzburg und München machten Pause.
Das doppelte Spiel des Michael Stürzenberger
Sollten Bagida in München und Nügida demnächst wie geplant parallel marschieren wollen, wird sich vor allem Michael Stürzenberger, vom Verfassungsschutz beobachteter Islamhasser und regelmäßiger Autor für PI, entscheiden müssen, wo er teilnimmt. Nach dem gestrigen Ablauf dürfte er sich auch in Nürnberg unersetzlich fühlen. Schon kurz nach Eröffnung der Veranstaltung durch einen als „Enrico K.“ vorgestellten Mann, den die Behörden dem rechten Spektrum zuordnen, wurde nach „dem Michael“ gerufen. Nach Reden, unter anderem von Gernot Tegetmeyer, dem Generalsekretär der Kleinstpartei Die Freiheit, sollte es zum Bundesamt für Flüchtlinge und Migration gehen. Mit Beginn des „Spaziergangs“ gab Stürzenberger via Megafon die Parolen vor.
Und in der Blockadesituation war er anfangs der Aufhetzer. Wie ein Papagei auf der Stange spazierte er in dem schmalen Korridor, der zwischen Polizeiabsperrung und Pegida-Anhängern geblieben war, auf und ab und forderte mehrfach ein gewaltsames Einschreiten gegen die Demonstranten, die den Weg blockierten. „Wenn wir, das Volk, hier mal mitbestimmen“, so Stürzenberger, „dann wird Recht und Gesetz wieder durchgesetzt und dann wird die Polizei die Leine frei bekommen, dass dann hier hinten durchgegriffen wird.“ In der nicht erfolgten gewaltsamen Räumung sah er einen „linken Ungeist, auch in der Polizeiführung“, der das Land befallen habe. Während die Organisatoren um Beruhigung der Situation bemüht waren und um Zeit für Verhandlungen mit der Polizei baten, fiel ihnen der PI-Autor, sichtlich unzufrieden mit dem Verlauf, sogar ins Wort und untergrub so teilweise die Bemühungen der Veranstalter.
Stürzenberger heizt an. Würde als Einsatzleiter Befehl geben wollen, "einfach eine Gasse zu schlagen". #nonügida pic.twitter.com/rZctraph96
— Endstation Rechts. (@ER_Bayern) 16. Februar 2015
In der aufheizten Stimmung erfolgte dann auch ein Durchbruchsversuch durch die Polizeikette, eingeleitet durch einen Countdown. Mindestens ein Polizist ging zu Boden, ein Teilnehmer der Pegida-Demonstration wurde von der
Polizei abgeführt. Danach gab sich auch Stürzenberger wieder mäßigend. Er war es dann auch, der der Menge verkündete, dass es nicht vorwärts ginge und die Veranstaltung mit ein paar Reden am Aufgangspunkt enden solle. Auf dem Weg dorthin erging er sich wieder in Gewaltfantasien gegen die Gegendemonstranten. Es erinnerte stark an seine Taktik bei Kundgebungen in München, zuerst vorbeikommende Muslime zu provozieren und dann deren Reaktionen als Beleg für eine aggressive Grundstimmung der Religionsanhängern hinzustellen. In Blockadesituationen hat die Polizei zwischen den verschiedenen Grundrechten abzuwägen. Einen generellen Vorrang der Versammlungsfreiheit gegenüber der körperlichen Unversehrtheit kann es nicht geben. Als staatliche Gewalt ist die Polizei an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Angesichts von gemeldeten 1.000 Gegendemonstranten in der Blockade traf die Polizei an dem Abend eine gut vertretbare Entscheidung, den Weg nicht „auf Teufel komm raus“ zu ermöglichen.
Als erste Rednerin sollte zurück am Annapark Ester Seitz aus Neumarkt zu Wort kommen, die auch schon bei Bagida in München zu den Rednerinnen zählte. Sie bezeichnete Pegida als die größte Bewegung seit 1989. Eine Aussage, über die die Anti-Atom- und Anti-Studiengebühren-Bündnisse nur müde lächeln dürften. Viel weiter kam sie ihn ihren Aussagen nicht. Ein Ordner verkündete ihr, die Versammlungsleitung würde gleich auflösen. Aus den zahlreichen Reden, die Stürzenberger angekündigt hatte, wurde so nichts. Nach der bekannten Lichtaktion und der Hymne endete die Kundgebung ziemlich abrupt gegen 21 Uhr.
Neonazis und Hooligans als Ordnertruppe
Der versuchte Durchbruch in der Blockadesituation war nicht der einzige Vorfall, bei dem die Polizei gegen Pegida-Anhänger einschreiten musste. Gleich zu Beginn versuchte eine größere Gruppe oberfränkischer Neonazis und Hooligans, die gemeinsam angereist waren, die Polizeiabsperrung Richtung der Medienvertreter und Gegendemonstranten zu attackieren. Viele vermummten sich dabei. Schon am Hauptbahnhof hatten sie „wir wollen keine Asylantenschweine“ skandiert. Die Polizei bekam die Situation schnell unter Kontrolle. Teile der Gruppe wurden danach als Ordner eingesetzt, darunter auch Marcel Maderer, ein bekannter Akteur aus dem Raum Bamberg / Forchheim. Andreas G, ebenfalls ein bekanntes Gesicht aus der Region, agierte teilweise als Kopf der Ordnergruppe und gab die Order der Versammlungsleiter weiter. Auch sonst war die Beteiligung rechtsextremer Kreise nicht zu leugnen. Ein Teilnehmer trug ein NPD-Plakat im Aufzug mit, bei dem das Logo entfernt worden war. Heidrich Klenhart, Vorsitzender der NPD Oberpfalz, stand am Ende mit seinem anti-amerikanischen Schild direkt im Sichtfeld von Stürzenberger. Nicht zu übersehen für den sich angeblich pro-amerikanisch und pro-israelisch gebenden Agitator. Rainer Biller, früher ziemlich in jeder völkischen Bewegung der Region aktiv und heute angeblich geläutert, zog die Fäden, gab Anweisungen. Gegenüber Medienvertretern bezeichnete er seine Stellung als „Berater“. Juristische Unterstützung vor Ort leistete laut Zeit Online der Fürther Anwalt Frank Miksch, der seit Jahren vor allem in Strafverfahren Neonazis zur Seite steht.
Die Behörden ordnen weiter einen Großteil der „Spaziergänger“ der rechten Szene zu. Die Polizei sprach in ihrer ersten Bilanz am Abend von insgesamt sieben Festnahmen. Am Annapark war es vereinzelt zu Eier- und Flaschenwürfen Richtung Pegida gekommen. Auch ein Hitlergruß war Grund für eine Festnahme. An den
zahlreichen Gegenveranstaltungen an dem Tag beteiligten sich nach Schätzungen über 1.500 Menschen aus den unterschiedlichsten Spektren. Bei der Veranstaltung am Bundesamt für Flüchtlinge und Migration positionierte sich nicht nur Nürnbergs Oberbürgermeister Uli Maly (SPD) gegen Pegida, sondern auch Behördenchef Manfred Schmidt. Er forderte laut Medienberichten, dass Menschen Gewissheit bräuchten, ihre Leben in Deutschland frei von Diskriminierung und Alltagsrassismus verbringen zu können.