PegidaWügida: Der Ton wird rauer

Der Ton wurde rauer bei Wügida

Wügida legt nach: Mittlerweile gehören persönliche Angriffe bis hin zur Aufforderungen, sich zu erschießen, zum Repertoire der 12. Kundgebung des Pegida-Ablegers in Würzburg. Mit Russland und einer Veranstaltung der SPD zu Pegida und Co. gab es weitere Themen, denen ungefähr noch 85 Anhängerinnen und Anhänger lauschen wollten. Zu der vom DGB organisierten Gegenveranstaltung fanden sich 350 Teilnehmer ein.

Die Organisatoren von Wügida entschieden sich, wie in der Vorwoche, für eine stationäre Kundgebung am Mainkai der unterfränkischen Universitätsstadt. Das erlaubte den Aufbau einer größeren Lautsprecheranlage, die aber wieder weniger Teilnehmer zu versorgen hatte. Während die Polizei von etwa 100 Zuhörern sprach, kam keine unserer Zählungen über 85 Wügida-Anhänger hinaus. Vor einer Woche hatten noch ca. die 120 Menschen teilgenommen. Zu Spitzenzeiten konnten die Organisatoren etwa 400 Interessierte zum Spaziergang bewegen.

Teilgenommen hat mit Matthias Bauernfeind ein überregional bekannter Neonazi-Kader. Der ehemalige Bezirksvorsitzende der NPD Unterfranken verließ im Mai 2012 mit zahlreichen anderen Kameradschaftsaktivisten die Partei, weil ihnen der Kurs der damaligen Vorsitzenden in Bayern und im Bund zu „systemkonform“ erschien. Seitdem trommelt Bauernfeind für die neonazistische Kameradschaftsszene und deren parteipolitischem Arm, dem Dritten Weg.

Bestätigt hat sich im Lauf der Woche auch das beobachtete gute Verhältnis von Wügida zu der Bamberger Neonazi-Szene, die sich am vergangenen Montag in einer kleinen Abordnung in Würzburg einfand. Das hinderte den Sprecher von Wügida nicht, sich wieder mal pro forma vom Rechtsextremismus zu distanzieren.

Wügida grüsst Bamberger Neonazis

Flüchtlinge bei einem Dritten Weltkrieg in Afrika besser aufgehoben

Wohl angespornt von der Münchner Sicherheitskonferenz ging es am Montag insbesondere um den Konflikt zwischen dem Westen und Russland. Angela Merkel hätte den Amerikanern und Ukrainern schon versprochen, die Bundeswehr „als Speerspitze im geplanten Dritten Weltkrieg“ einzusetzen, sagte ein Redner. Ohne angebliche US-Zusage auf Hilfe sollen sich wohl, so seine Erwartung, der „Wirtschaftsverband BRD“ und andere „Deppenländer“ im Sinne fremder Interessen verheizen lassen. Der Dritte Weltkrieg sei in genügend Prophezeiungen Thema, die auch „vom Vatikan anerkannt seien“, schusterte sich der ältere Herr sein ganz eigenes Weltbild zusammen. Das prognostizierte Kriegsleid eines Atomkrieges würde keinen Unterschied zwischen Einheimischen und Flüchtlingen machen, kein „Gutmensch“ würde sich mehr um sie kümmern können, weshalb er festgestellt haben wollte, „in ihren Ländern, auch in Afrika, wäre es ihnen besser ergangen.

…sich und die eigene Familien erschießen…

Ein weiterer Redner freundete sich mit dem Gedanken an, dass Pegida irgendwie „rechts“ sei, weil der Bewegung so lauter positive Eigenschaften zugeschrieben werden könnten. Auch die „Islamisierung“ durfte bei ihm nicht fehlen. In der Türkei sei diese abgeschlossen, sei doch im Zuge der „Islamisierung“ der Anteil der Christen von 50 Prozent vor 150 Jahren auf 0,2 Prozent heute zurückgegangen. Die Faktoren dieser alles andere als stetigen Entwicklung beschäftigten ihn dagegen gar nicht. Entgangen ist den Zuhörerinnen und Zuhörern so, dass sich hier die Folgen eines Vertrages zwischen Griechenland und der Türkei aus dem Jahre 1923 niederschlugen: 1,6 Millionen Menschen wurden vertrieben, andere umgesiedelt.
Diese Abkommen im Zuge der Umwälzungen nach dem Ersten Weltkrieg und der Auflösung des Osmanischen Reiches bedeutete das Ende vieler christlicher Gemeinden im anatolischen Teil der Türkei.

Der Redner führte weiter aus, in Deutschland sei die Zahl der Menschen muslimischen Glaubens von 5.000 von vor 50 Jahren auf fünf Millionen (offizielle Zahl: vier Millionen) heute angestiegen. Die Verantwortlichen von Pegida betonen gerne, meist, wenn sich die Bewegung in der Defensive befindet, es ginge nicht gegen den einzelnen Gläubigen, sondern nur gegen die radikalen Auswüchse. Würden die Anhänger das ernst nehmen, hätte wohl auch von dem Redner in Würzburg erwartet werden können, die bloße Zahl irgendwie qualitativ einzuordnen, etwa vermutete Radikale, als gewaltbereit eingeschätzte Anhänger oder Anwachsen der Gemeinden radikal bekannter Prediger. Nichts dergleichen folgte. Im Gegenteil wurde deutlich, dass Muslime für den Redner nicht zum „deutschen Volk“ zählen, um sogleich eine Forderung aufzustellen: Bundeskanzlerin Angela Merkel solle abtreten und in den Tagebau. Der anschließende Redner ging sogar noch weiter. 1945, „als die Sache schief ging“, sei man wenigstens „so anständig gewesen“, dass „man sich und seine Familie erschossen hätte“ und die, die „heute Unheil“ anrichten, sollten sich „das als Vorbild“ nehmen.

Persönliche Angriffe auf die „Lügenpresse“

Rauer wurde der Ton gegenüber den Medien. In der örtlichen Main-Post war vergangene Woche erstmalig der volle Name des Sprechers, Simon Kaupert, zu lesen. Dem auch am Montag anwesenden Journalisten des Artikels warf Kaupert nun Worte wie „Berufslügner“ an der Kopf, zog das familiäre Umfeld mit in seiner Schimpftirade ein, und unterstellte indirekt dem Journalisten finanzielle Interessen. Neben der Namensnennung erschien es vor allem Dissens in der Frage zu geben, ob und in welcher Form sich Wügida und ihr Sprecher Fragen der Main-Post gestellt hätten oder nicht, zudem seien Zitate aus dem Zusammenhang gerissen worden. Entrüstet zeigte sich Kaupert über die Bezeichnung Wügidas als „Anti-Islam-Bewegung“. Seine Zuhörerschaft, die während der vorherigen Reden unaufmerksam wirkte und kraftlos in den Parolen, sekundierte nun lauter die bekannte Parole von der „Lügenpresse“.

Einen Diskussionsabend der SPD Würzburg letzte Mittwoch zum Komplex Pegida verunglimpfte Kaupert als „Veranstaltung der SED“. Ihm war dort das Wort nicht erteilt worden, weil er, entgegen der für alle geltenden Regeln, seinen vollen Namen nicht nennen wollte. Mit der Genauigkeit seines Berichts über die Veranstaltung reihte er sich nahtlos in die Reihe seiner früheren Ausführungen ein. ENDSTATION RECHTS.Bayern war bei der Veranstaltung um eine Einschätzung der verschiedenen bayerischen Pegida-Ableger und Szenen gebeten worden und wurde von Main-Post korrekt wiedergegeben.

Neben den laut Polizei etwa 160 Gegendemonstrantinnen und Demonstranten direkt an den Absperrungen am Mainkai, formierte sich auch am vergangenen Montag wieder ein Protestzug vom Hauptbahnhof durch die Innenstadt zum unteren Markt. An dieser Kundgebung, die an dem Tag vom örtlichen DGB und den Einzelgewerkschaften organisiert worden war, nahmen etwa 350 Personen teil. Für nächsten Montag, dem diesjährigen Rosenmontag, wurde nach bisheriger Kenntnis keine Veranstaltung von Seiten Wügidas bei der Stadt angezeigt. Starten will an diesem Tag der Nürnberger Ableger Nügida.