Pegida NürnbergNürnberg hält zusammen gegen Pegida

Bürgermeister Christian Vogel bei seiner Rede auf den Gegenveranstaltung

Am Ende war das Kräfteverhältnis, das die Polizei herausgab, wieder eindeutig. Die Einsatzkräfte machten 80 Anhänger der islamfeindlichen Initiative aus, 500 Menschen aus den unterschiedlichsten Spektren standen dagegen. Auf Seiten der Gegner sprach eine Angehörige jüdischer Holocaustopfer. Unterdessen echauffierte sich Pegida über einen angeblichen Angriff auf einen Rollstuhlfahrer.

Auf beiden Seiten ging es beim gestrigen Schauspiel, dem vierten von Pegida Nürnberg, emotional hoch her. Veranstaltung und Gegenkundgebung standen sich dieses Mal am Prinzregentenufer mit jeweils wirkungsvollen Lautsprecheranlagen und ohne großen Abstand gegenüber. Die neue Aufzugstrecke der Islamfeinde war kurz nach Bekanntwerden der Route zum Politikum geworden. Der Weg sollte Tegetmeyer, Stürzenberger und Co. nicht nur nahe an die Georg-Simon-Ohm-Hochschule mit ihrer internationalen Studierendenschaft heranführen, sondern auch an Stolpersteinen vorbei, die zum Gedenken an ermordete jüdische Einwohner dort verlegt worden waren.

Enkelin ermordeter Juden bei Rede mit Gelächter beschallt

Mit Eva Rößner sprach eine Enkelin ermordeter Nürnberger Juden auf der Gegenveranstaltung «Nürnberg hält zusammen» über die Entrechtung ihrer Verwandten, die Deportation und wie sich dann „im Osten“ die Spur verloren habe. Sie könne nicht verstehen, so die nahe Angehörige, dass dieser Weg von den Behörden erlaubt worden sei.

Obwohl im für Pegida abgesperrten Innenraum klar zu vernehmen war, wer da zu dem Zeitpunkt bei den politischen Gegnern sprach, und ihre Rede im Vorfeld angekündigt worden war, wurde laut Musik abgespielt, genauer gesagt, ein Lied in Dauerwiederholung, das immer wieder auch Passagen mit Gelächter enthielt. Eine ungeheure Provokation.

Versammlungsleiter Gernot Tegetmeyer, dem Generalsektretär der Kleinstpartei Die Freiheit, fiel dagegen zum Thema Stolpersteine nur ein, dass diese auch innerhalb der jüdischen Gemeinde umstritten seien. Er schrieb die heutige Bedrohung von Juden in Deutschland „Mohammedanern“ zu, die „in Massen ins Land geschaufelt“ werden würden. Wegen Rechten und Rechtsextremisten würde angeblich kein Jude das Land verlassen, wollte er zudem wissen. Die Kriminalstatistik spricht dagegen eine andere Sprache. Wie die taz unter Berufung auf die Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen schreibt, gehen über 95 Prozent aller erfassten antisemitischen Straftaten auf das Konto rechtsextremer Täter.

Video: Das studentische Magazin Querschrift befragte Passanten rund um den Aufmarsch von Pegida

Täter oder Opfer? Die angebliche Attacke auf den Rollstuhlfahrer

Pegida begann mit einer Schweigeminute für die Opfer des Flugzeugsabsturzes in den französischen Alpen. Auf Seiten islamfeindlicher Publizisten mehrten sich gestern Spekulationen, der Co-Pilot könnte türkischer Abstammung oder Konvertit gewesen sein. Nicola Nowak von der Partei Die Freiheit empörte sich über eine vermeintliche Attacke auf Christian Holz, Rollstuhlfahrer und Mitglied im Bundesvorstand ihrer Partei. Er sei zuerst beleidigt und danach körperlich angegangen worden. Sie warf den versammelten Gegendemonstranten noch einige deftige Schimpfwörter an den Kopf. Beobachter des Vorfalls schilderten ENDSTATION RECHTS.Bayern gegenüber das Geschehen anders. Holz sei bereits an den Gegendemonstranten vorbei gewesen, als man ihm zu verstehen gegeben habe, er sei auf der falschen Seite der Absperrung. Dann soll er kehrt gemacht haben und einem Protestierer über den Fuß gefahren sein. Wie vorsätzlich er dabei gehandelt hatte, konnte keiner der Anwesenden abschließend beurteilen.

Weiter stellte Nowak die Hackordnung in der vorgestellten Volksgemeinschaft klar und sprach von einer „
Vernichtung des eigenen Volkes“ durch die eigene Regierung. Statt Argumenten oder Beispielen für ihre Ausführungen ließ sie an den zentralen Stellen oftmals nur die Parole „,denn wir sind das Volk“ einfließen.

Stürzenbergers bekannt fragwürdige Geschichtsauffassung

Pegidas gestriger „Spaziergang“ führte über die Theodorstraße mit den Stolpersteinen zum Keßlerplatz und wieder zurück. Auf Höhe der Technischen Hochschule stieß dann erst Michael Stürzenberger, der Kopf der bayerischen Pegida-Ableger, zu den anderen Teilnehmern. In seiner anschließenden Rede brachte er wenig Neues. Hoffnung schöpft die „Bewegung“ vor allem aus dem baldigen Besuch des holländischen Rechtspopulisten Geert Wilders in Dresden und aus der Teilnahme an der Kommunalwahl in der sächsischen Landeshauptstadt.

Wie immer bestand Stürzenbergers Auseinandersetzung mit dem dunkelsten Kapitel der deutschen Geschichte allein darin, die Nationalsozialisten zu Linken zu erklären, was er ausschließlich am Parteinamen festmachte. Diese höchst fragwürdige „Beweisführung“ verließ er allerdings schnurstracks wieder, als er sich der Deutschen Demokratischen Republik und der Demokratischen Volksrepublik Korea zugewandte hatte, beides angebliche Vorbilder und Traumziele der versammelten Gegendemonstranten.

Am nächsten Donnerstag entfällt der Spaziergang. Die Truppe um Tegetmeyer wolle angeblich auf den Gründonnerstag Rücksicht nehmen.