Neonazi-AufmarschWürzburg: 19 Autos mussten für 21 Neonazis weichen

In Würzburg ließ sich der gesamte Aufmarsch in einem Bild einfangen

Bescheiden und übersichtlich fiel gestern die Beteiligung an einer rechtsextremen Gedenkveranstaltung in Würzburg aus. Anlass war der Jahrestag der Bombardierung der Stadt gegen Ende des Zweiten Weltkrieges. Mehrere Hundert Menschen protestierten lautstark gegen den mit einem großen Polizeiaufgebot abgesicherten Rundgang. Am Samstag waren in einer eigenen Veranstaltung schon über 5.000 Demokraten gegen den Neonazi-Aufmarsch, aber auch gegen die von Pegida ausgehenden Stimmungen, auf die Straße gegangen.

Als „Ausrufezeichen einer wachen Stadtgesellschaft“ bezeichnete die lokale Main-Post die Großveranstaltung, zu der eine große Anzahl an Organisationen unter dem Dach von „Würzburg ist bunt“ aufgerufen hatte. 5.000 Menschen schlossen sich laut Polizei einem Demonstrationszug durch die Stadt an. Die Veranstalter sprachen von 7.000. Einen besonderen Auftritt hatte der Würzburger Frank Markus Barwasser, besser bekannt als Kabarettist Erwin Pelzig. Eine bemerkenswerte Szene lieferte er gleich zu Beginn seiner Rede ab, als er die Parole „Nazis, verpisst euch“ von der eingesetzten Dolmetscherin in Gebärdensprache übertragen ließ.

Pelzig: Gide, nicht Gida

Pelzig warnte vor „einfachen Wahrheiten“, die heute jeder ins Netz stellen könnte. Dort sei das Angebot an diesen riesengroß, aber eigentlich würden die Anhänger dieser Wahrheiten nur ihre eigene „Beschränktheit absichern“. Mit den Worten des französischen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers André Gide rief der die Teilnehmer dazu auf, denen zu vertrauen, die die Wahrheit suchen, und denen zu misstrauen, die glauben, sie angeblich gefunden zu haben. Pegida und Co. attestierte er Angst in einer unglücklichen Kombination mit Denkfaulheit. Wer Angst habe, wolle auch Angst verbreiten, und ihn treibe die Sehnsucht nach einem Feind, so der fränkische Kabarettist.

Die volle Rede kann beim Bayerischen Rundfunk nachverfolgt werden

Großer Aufwand, minimales Ergebnis

Die rechtsextreme Versammlung am Sonntag ging organisatorisch von der Kameradschaft Unterfranken aus, einer kleinen Gruppe rund um den NPD-Bezirksvorsitzenden Ralf Mynter. Die Clique, als mehr kann sie nicht bezeichnet werden, wird keinem festen Netzwerk zugerechnet und beteiligt sich mal hier mal dort an Aktionen anderer rechtsextremer Gruppierungen. Dementsprechend wenig Priorität räumten die mobilisierungsfähigen Zusammenschlüsse dem Aufmarsch in Würzburg ein. Keine relevante Seite, nicht einmal die NPD Bayern, warb öffentlich für den Aufzug. Zur Auftaktkundgebung kamen deshalb gerade einmal 17 Anhänger, darunter eine kleine Gruppe aus dem Bamberger Raum. Später wurde die Demonstration durch eine PKW-Ladung Neonazis samt Demonstrationsbanner aus dem Raum Zweibrücken verstärkt.

Die Kameradschaft Unterfranken hatte am Vortag an einem Aufmarsch in der rheinland-pfälzischen Stadt teilgenommen und so wohl die Gesinnungsgenossen für den eigenen Gedenkmarsch gewinnen können. Auch für ein eigenes Banner auf LKW-Plane hatte der Anmelder in Unterfranken gesorgt und bedruckte T-Shirts gehörten zum Repertoire. Viel Aufwand für den minimalen Ertrag. Als (einziger) Gewinner dürfte sich der von den Neonazis beauftragte Anwalt sehen, der das von der Stadt erlassene Demonstrationsverbot vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich angriff und seine Kosten der öffentlichen Hand in Rechnung stellen durfte.

„Ihr seid so lächerlich“: selten so berechtigt wie an diesem Tag

Die Reden bei der Zwischenkundgebung kamen von der Kreisvorsitzenden der Partei Die Rechte
Bamberg, Nadine Hofmann, dem Versammlungsleiter und einem weiteren Neonazi. Die Ausführungen enthielten die üblichen Kombinationen aus eigenem Opfermythos und Anklage gegen die Alliierten. Aber ganz ohne Vernichtungsdrohungen ging es bei ihnen nicht. So wünschte ein Redner sich mit Blick auf die Gegendemonstranten „hier“ vor Ort auch 2.000 Grad Celsius. Diese Temperaturen soll der Brand Würzburgs 1945 entwickelt haben. Zur Kriegsschuldfrage fiel ihm zuerst ein, dass Hitler 1933 legal auf demokratischem Wege an die Macht gekommen sei und empfahl ansonsten das Buch des Geschichtsrevisionisten Gerd Schultze-Rhonhof. Eigene Ausführungen machte er dazu nicht. Rhonhofs Stellung als ehemaliger General der Bundeswehr sollten laut dem Redner Beweiskraft genug sein. Gegen 17.45 endete dann am Ausgangspunkt einer der kleinsten Neonazi-Aufmärsche, den Bayern je gesehen hat.

Großen Aufwand betrieben auch Polizei und Gegendemonstranten. Aktivisten seilten sich an der Würzburger Festung ab und brachten dort ein großes Plakat an. Im Bahnhof blockierten einige Demonstranten einen Abgang von den Gleisen, wohl mit dem Ziel, Sympathisanten der rechten Szene den Weg zu versperren. Gegen das kleine Grüppchen Bamberger Neonazis bildeten andere Bürger eine Menschenkette um Teile des Bahnhofs. Die Polizei brachte die fünf Teilnehmer dann über Umwege zum Versammlungsort. Mehrere hundert Gegendemonstranten begleiteten den Zug auf der ganzen Strecke. Selten war die gerufene Parole, der Aufzug sei lächerlich, so berechtigt wie an diesem Tag.

Die Einsatzkräfte sprachen einige Platzverweise aus, ein „wildpinkelnder“ Neonazi beging eine Ordnungswidrigkeit. Lange nach Beendigung der Veranstaltung beleidigten noch zwei Personen Einsatzkräfte, und einer trat laut Polizei gegen das Schienbein des Beamten. Beide Personen erwarten nun Anzeigen.

Die Polizei hatte frühzeitig den gesamten Demonstrationsbereich abgesperrt und war mit einem Großaufgebot im Einsatz. Laut Pressemitteilung der Polizei seien auch insgesamt 19 Fahrzeuge abgeschleppt worden. Die Behörden hatten entlang der Strecke einige Bereiche als Halteverbotszonen ausgewiesen, wohl in der Vermutung, dort abgestellte Fahrzeuge könnten die Versammlung behindern. Obwohl sich die Neonazis möglichst breit und weit aufgestellt hatten, reichte ihnen zu jeder Zeit die normale Fahrbahn völlig aus.