Bagida / Pegida MünchenLutz Bachmann mobilisierte nur Gegendemonstranten

München ist bunt: Pegida-Gegner waren deutlich in der Mehrheit

Keinen nennenswerten Effekt hatte der Auftritt von Pegida-Gründer Lutz Bachmann auf die Teilnehmerzahl der Islamhasser am Montag in München. Mit maximal 200 Anhängern kamen nur leicht mehr als sonst, aber immerhin deutlich über 1.000 Gegendemonstranten. Nächster Hoffnungsanker der selbsternannten Abendlandretter ist CSU-Chef Horst Seehofer.

Wenn die Organisatoren von Pegida München / Bagida auf einen „Bachmann-Effekt“ gehofft hatten, so ist die Rechnung nach hinten losgegangen. Trotz monatelangem Bohren um einen Auftritt des Kopfes der Bewegung und groß angelegter Werbung wirkte die Veranstaltung vor allem auf die Gegner der Nationalisten und Rassisten mobilisierend. Die zahlreich am Marienplatz erschienenen Widersacher der „Europäischen Patrioten“ waren bester Stimmung. Pegida hatte die neuen Dresdner Thesen auf große Schilder gedruckt und in ihrem abgesperrten Bereich aufgestellt. Diese Tafeln erwiesen sich aber als alles andere als standhaft und kippten beim kleinsten Lufthauch unter dem Applaus und Gelächter der Schaulustigen immer wieder um. Pegida-Organisatorin Birgit Weißmann musste so für jeden Pfosten einen Anhänger abstellen.

Nicht die einzige Panne an dem erhofften großen Abend. Als Showeinlage wurden rote Handzettel verteilt, die als rote Karten dienen sollten. Aber erst beim dritten Aufruf merkten die Teilnehmer, dass es aus ihrer Sicht vielleicht sinniger wäre, sie Richtung Gegner zu zeigen und nicht dem eigenen Redner. Auch ihre Lautsprecheranlage hatten die Organisatoren nach einem halben Jahr wieder nicht im Griff. Ausfälle, Rückkopplungen und Übersteuerungen waren die Folge. Selbst Pegida-Anhänger hielten sich am Ende während der Bayernhymne die Ohren zu.

Hoffnung auf Seehofer

Und der „Stargast“ des Abends? Der ließ sich erst nach einer Stunde auf der Bühne blicken, um dann nur etwa zehn Minuten zu reden. Mehr wollte er nicht sagen, weil er sich vom Verfassungsschutz verfolgt fühlte. Die Behörde versuche ihm auf Schritt und Tritt Volksverhetzung zur Last zu legen, so der Dresdner. Nach ein paar Erinnerungsfotos hinter dem LKW mit Anhängern verschwand er auch wieder. In seinem kurzen Statement fühlte er sich von CSU-Chef Horst Seehofer geradezu plagiiert. Alles, was der bayerische Ministerpräsident in seinen aktuellen gegen Flüchtlinge gerichteten Forderungen vorschlage, habe er und Pegida angeblich schon vor Monaten gefordert. Er vermutete dahinter aber nur leere Phrasen. Seehofer bleibt aber mit seiner momentanen Kampagne die einzige Hoffnung der Rassisten, wenigstens Teile des Pegida-Programms irgendwie umsetzten zu können.

Trotz der Ankündigungen, verstärkt als Wählervereinigung auftreten zu wollen, dürfte es bei Wahlen äußerst schwer werden, an den Achtungserfolg bei der Dresdner Bürgermeisterwahl mit knapp unter zehn Prozent anzuknüpfen. Wie bei der Mobilisierung bei Demonstrationen dürfte auch hier die sächsische Landeshauptstadt ein Sonderfall bleiben. Das hat der ausbleibende Zuspruch am gestrigen Abend in München erneut unter Beweis gestellt.

Redner aus der politischen Diaspora

Zwei der vier weiteren Redner der Abends, die deutlich mehr Zeit als Bachmann für sich in Anspruch nahmen, kamen dann aus politischen Organisationen, für die 200 Teilnehmer früher eine Massenveranstaltung bedeutet hatten. Stefan Werner, dessen Pro-Partei in Bayern bei der Bundestagswahl mit 0,1 Prozent vom Wahlvolk abgestraft wurde, kam ebenso zu Wort wie Gernot Tegetmeyer, Generalsekretär der Partei Die Freiheit. Die von Islamhasser Michael Stürzenberger angeführte Organisation kam bei der Landtagswahl in der Landeshauptstadt auch nur auf 0,2 Prozent der Gesamtstimmen und landesweit nur 0,1 Prozent.

Blick auf die Teilnehmer früh am Abend

Kleiner Reichsparteitag

Tegetmeyer, dessen Partei auch 2014 im Bayerischen Verfassungsschutzbericht Erwähnung fand, forderte ein gemeinsames Vorgehen gegen „Extremismus“, meinte damit aber wahrscheinlich die Gegendemonstranten. Erst Mitte des Monats hatte er sich auf dem Facebook-Profil von BIA-Stadtrat Karl Richter [sic!] dafür ausgesprochen, dass sich angeblich „konservative Kräfte“ bündeln sollten, bezeichnete aber nach einem Disput einige Köpfe der Partei Die Rechte wie Dan Eising, Rainer Biller sowie den Rosenheimer Peter Meidl als unerwünscht bei seinen Veranstaltungen in Mittelfranken.

Für München galt diese auch nur halbherzige Abgrenzung wiederum nicht. Neonazi Meidl machte wie immer die Veranstaltung mit, ohne auf Ablehnung zu stoßen. Im Gegenteil. Er war und ist bei den Islamhassern ebenso akzeptiert wie NPD-Landesvorstandsmitglied Renate Werlberger, die bei Pegida, so sah es aus, viele gute Bekannte traf. Mit dem völkischen Multiaktivisten Roland Wuttke oder dem Freisinger NPDler Björn-Christopher Balbin war auch fast ein kleiner Reichsparteitag bei Pegida versammelt. Lediglich die Gruppe um Karl-Heinz Statzberger (Der Dritte Weg) und die sogenannte Brigade Giesing, die auf den letzten „Spaziergängen“ immer wieder mitgelaufen waren, um – so wird vermutet – Ausschau nach politischen Gegnern zu halten, war zur stationären Versammlung nicht erschienen. Unter den Ordnern war auch wieder Stefan S., dieses Mal im Shirt der Südtiroler Band FreiWild. Der hatte – ganz entgegen Klaus Farins umstrittener Verteidigungsschrift für die Südtiroler Band und ihrer Fans – vor Wochen zusammen mit Neonazis von der Rechten gegen das Münchner NS-Dokumentationszentrum demonstriert.

Rathaus und Stadtspitze zeigen Flagge

Schon fast zu viel der Ehre für den früheren Drogendealer Bachmann war das Auftreten der Münchner Stadtspitze um Oberbürgermeister Dieter Reiter und der dritten Bürgermeisterin Christine Strobl unter den bunten und vielfältigen Gegendemonstranten. Auch am Rathaus war direkt unter der Pegida-Kundgebung ein Banner angebracht. Eine so deutliche Positionierung wäre an einigen der privaten Gebäude im Herzen Münchens wünschenswert gewesen. Auch zahlreiche weitere Mandatsträger zeigten Gesicht gegen die Hetze gegen Flüchtlinge und Minderheiten wie der Stadtrat und TV-Jurist Christian Vorländer oder die Landtagsabgeordneten Katharina Schulze, Florian Ritter und Claudia Stamm.

Birgit Weißmann, die Organisatorin in München, suchte nach Ende der Veranstaltung zumindest noch irgendwie Kapital aus der Veranstaltung zu schlagen. Aber in Ermangelung festgestellter Täter – es waren vereinzelt Eier und andere Gegenstände Richtung Pegida geworfen worden – blockten Polizeibeamte ihre Anzeigeversuche auch ab. Mit den Worten, das müsse sie morgen alles wieder putzen, verließ sie in gereizter Stimmung den Marienplatz.