Bandido-Prozess – Staatsanwaltschaft wirft NPD-Rocker schweren Landfriedensbruch vor

Am Donnerstag startete in Regensburg der Prozess gegen fünf Angehörige des Motoradclubs Bandidos. Prominentester Angeklagter ist der ehemalige NPD-Spitzenfunktionär Sascha Roßmüller. Das wiederaufgerollte Verfahren hatte seine Bemühungen um einen Platz in der NPD-Bundesspitze platzen lassen.
Wieder ging es für den NPD-Funktionär Sascha Roßmüller um diese eine Nacht in Straubing vom ersten auf den zweiten Weihnachtsfeiertag 2010. Rund um die Stammkneipe des Motoradclubs MC Gremium soll es zu einer größeren Auseinandersetzung der Rocker mit Angehörigen der Bandidos gekommen sein, die sich vorher zum Zwecke eines Angriffs in einer anderen Bar direkt gegenüber getroffen haben sollen. Die damaligen polizeilichen Ermittlungen ergaben eine Bilanz von zwei schwerer durch Schnittwunden verletzten Beteiligte, ein sichergestelltes Messer mit der DNA von Roßmüller neben weiteren eingezogenen Waffen und gefährlichen Gegenständen. Auch wurde mindestens ein Schuss abgegeben. Die Nacht hatte dem damaligen NPD-Landesvize aus Straubing in der Folge sein berufliches Standbein im Sicherheitsgewerbe gekostet.
Neuaufnahme der Ermittlungen zur Unzeit
Trotz vorübergehender Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungen sahen die Verwaltungsgerichte nicht mehr genügend Gewähr auf der Seite Roßmüllers für den zuverlässigen Betrieb seines Sicherheitsdienstes Taranis und entzogen die nötige Bewachungserlaubnis. Die überraschende Wiederaufnahme des Strafverfahrens, das Ende Oktober 2014 zu einer längeren Untersuchungshaft führte, kam für den Straubinger ebenfalls zur Unzeit.
Frank Franz bewarb sich für den NPD-Bundesvorsitz, machte sich als aussichtsreichster Kandidat Gedanken um die erweitere Spitze der Partei und wollte auf „den politisch intelligenten Mann“ Roßmüller nicht verzichten. Ein erneuter Posten als stellvertretender Bundesvorsitzender wie schon unter Udo Voigt war damit durchaus in Reichweite. Die Inhaftierung machte diesen Gedankenspielen dann einen Strich durch die Rechnung. In Bayern reichte es für Roßmüller noch zum Beisitzer im neuen Landesvorstand unter Franz Salzberger. Durch den verpassten Wiedereinzug der NPD in den Landtag von Sachsen brach auch die Beschäftigung als parlamentarischer Berater der Fraktion weg. Entsprechend gab Roßmüller bei der Feststellung der Personalien an, momentan arbeitslos zu sein. Die freie Zeit nutzte er für einige Stellungnahmen zu aktuellen politischen Ereignissen auf der Seite der NPD Bayern. Roßmüller ist aktuell das einzige Lebenszeichen des dahinsiechenden Landesverbandes, der es im Halbjahresbericht des Landesamtes für Verfassungsschutz nur auf eine halbe Seite an Aktivitäten schaffte.
Stillhalten der Rockerclubs
Der damalige Secretary – eine Art Schriftführer – der Bandidos ist nicht der einzige Angeklagte, auch wenn sich vieles auf ihn fokussierte. Die Vorwürfe des gemeinschaftlichen Landfriedensbruchs in einem besonders schweren Fall mit gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung richten sich auch noch gegen den Sergeant at Arms des ehemaligen Regensburgers Chapters und drei weitere Angehörige.
Der Prozess findet unter erhöhten Sicherheitsmaßnahmen statt. Zwei der Angeklagten befinden sich aktuell in Haft und trugen die Fußfesseln auch während der Verhandlung. Bewaffnete Beamte der Sondereinheit USK waren im Gerichtssaal präsent. Kutten und andere Vereinsabzeichen waren per Verfügung im
gesamten Gebäude verboten. Als am Nachmittag der Wirt des laut Anklage angegriffenen Lokals, der auch selbst dem MC Gremium zugeordnet werden kann, sein kurzes Intermezzo gab, wurde etwas von der „Mauer des Schweigens“ deutlich, vor der die Ermittler 2010 standen und der gerne den Rockerclubs vorgehaltene Vorwurf, bei aller Rivalität, ihre Streitigkeiten ohne Hilfe des Staates austragen zu wollen.

Der Gastronom, immerhin einer der schwerer Verletzten, verweigerte vollumfänglich die Aussage. Das war einerseits sein gutes Recht, könnte doch das Verfahren gegen ihn jederzeit wieder aufgenommen werden und er sich durch seine Angaben selbst belasten. Allerdings verweigerte er sich mit Hilfe einer hinzugezogenen Anwältin einer Inaugenscheinnahme möglicher Wunden und wollte nicht einmal Angaben machen, welche Art Kneipe er betreibe. Sein Rechtsbeistand blockte durchgehend jeden Versuch einer Frage barsch ab. Den allen Zeugen zustehende Ersatz ihrer Auslagen verweigerte er beim Gehen mit einem trotzig wirkenden Kommentar.
Schwere Geschütze der Verteidigung
Erste Verhandlungstage größerer Prozesse wurden von der Verteidigung oftmals für erste Machtkämpfe mit Staatsanwaltschaft und Richterbank genutzt. Gerne wurden in der Vergangenheit schon mal Befangenheitsanträge gegen vorsitzende Richter gestellt. Rechtsanwalt Helmut Mörtl, der Wortführer der insgesamt sieben Verteidiger – er vertritt einen derzeit Inhaftierten – hatte einen anderen Plan im Köcher. Er vermutete hinter den Hauptbelastungszeugen Vertrauenspersonen der Polizei.
Und diese Zeugen haben es durchaus in sich. Es handelt sich dabei neben anderen um den ehemaligen Präsidenten des Regensburger Chapters. Die Verteidigung vermutet ebenso Deals oder Absprachen, jedenfalls sollen nun sämtliche Akten zu den Prozessen des ehemaligen Vorsitzenden, der selber wohl etliche Verfahren am Hals haben soll, beigezogen und das Verfahren ausgesetzt werden, bis sich die Rechtsbeistände in diese Unterlagen einarbeiten können. Ebenso sollen von diversen Behörden Erkundigungen über eine mögliche Zusammenarbeit, etwa mit dem Verfassungsschutz, eingeholt werden.

Einen ersten Vorgeschmack auf die möglichen brisanten Aussagen der Kronzeugen lieferte am Donnerstag der zuständige Sachbearbeiter der Kripo Straubing, der dabei auch auf die Stellungnahmen der aussagebereiten Rocker einging. Diese brachten in ihren Vernehmungen Roßmüller als mögliche treibende Kraft hinter der Auseinandersetzung an Weihnachten in Spiel. So habe er zusammen mit dem Sergeant die Abwesenheit der intern Vorgesetzten für eine Aktion gegen das rivalisierende Chapter ausgenutzt, obwohl diese „Ruhe“ verordnet haben wollten.
Allerdings sind es Aussagen aus zweiter Hand, die zudem beschönigend klingen. Der Präsident will nach dem Vorfall alle Beteiligten zum Rapport gezwungen haben. Nach interner Lesart der Bandidos wollten diese einer Bedrohung durch Mitglieder des MC Gremium durch einen gemeinschaftlichen „Ausfall“ aus der Kneipe begegnen. Die Verteidigung monierte, dass dem Zeugen, weil er kurz selber als Beschuldigter galt, umfangreiche Akteneinsicht gewährt wurde und er so die polizeilichen Akten kenne.
Seine Befragung vor Gericht ist für den kommenden Montag vorgesehen, könnte sich nun aber verzögern. Ohnehin soll sich das Verfahren bis in den September hinziehen. Vieles wird von der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen abhängen. Die einzigen laut Polizei neutralen Gäste in der Kneipe hätten angegeben, zum fraglichen
Zeitpunkt der Auseinandersetzung in der Kneipe mit ihren Köpfen auf dem Tisch geschlafen zu haben.
Der Vorwurf des Landfriedensbruchs könnte letztlich auch an einer zu geringen Zahl beteiligter Personen scheitern. Schon am Donnerstag war die Verteidigung darauf bedacht, bei der Befragung des Sachbearbeiters die Anzahl möglichst klein zu halten.