Alternative für DeutschlandPopulistisch und nur auf Stimmung aus: AfD Bayern eifert Pegida nach

Merkel muss weg - auch bei der AfD setzt man auf Populismus ohne humane Antworten

Zur ersten bayerischen Demonstration der rechtspopulistischen AfD kamen etwa 1.000 Anhänger in die südostbayerischen Grenzstadt Freilassing. Inhaltlich gab es kaum Unterschiede zu Pegida. Funktionäre heizten weiter die Stimmung gegen Geflüchtete und die Bundesregierung an. Etwa 600 Personen demonstrierten gegen die Veranstaltung.

Die von der neuen Parteiführung der Alternative für Deutschland angekündigte „Herbstoffensive“ erreichte am vergangenen Samstag nun auch Bayern. Zu der ersten Demonstration im Freistaat kamen nach Einschätzung der Polizei etwa 1.000 Anhänger und Interessierte.

Freilassing liegt direkt an der Grenze zu Österreich und ist Ankunftsort für viele Flüchtlinge. Aus Gesprächen vor Ort war herauszuhören, dass nicht so sehr die Flüchtlinge stören als vielmehr ausbleibende Pendler, die durch die neu eingerichteten Grenzkontrollen nun dem Einzelhandel als Kunden fehlen.

Der Rathausplatz bildete Start- und Endpunkt einer Versammlung mit anschließender Demonstration durch die Innenstadt. Die Partei hatte zu dem Zweck eine große Anzahl an Schildern mit Forderungen wie „Grenzen schützen“, „Aufnahmestopp sofort“ und „Stoppt Merkel“ präpariert. Daneben gab es auch von Einzelpersonen erstellte Parolen. Anders als bei Pegida in München richteten sich Sprechchöre auch gegen CSU-Chef Horst Seehofer.

Anzugspunkt auch für organisierte Neonazis

Wie in anderen Bundesländern bereits beobachtet, zog auch diese Veranstaltung eine Zahl bekannter Neonazis und der extremen Rechten an. Uwe Brunke, Organisator des SS-Gedenkens in Bad Reichenhall, trug ein Banner mit dem Aussage „Heute tolerant, morgen fremd im eigenen Land“ durch die Innenstadt. Etliche Angehörige der Kameradschaft Berchtesgadener Land (KS BGL), die zum Umfeld des Freien Netz Süd / Der Dritte Weg gehören, liefen verteilt auf kleine Gruppen im Aufzug mit. Roy Asmuß, letzter Verantwortlicher der Seite des Freien Netz Süd war vor Ort. Benjamin H., zu dem es ein Facebook-Profil mit der URL „endloeser“ gibt, machte seine Zugehörigkeit zur KS BGL auf einer Mütze sichtbar.

Eigentlich hatte sich die AfD auf ihrer eigenen Demonstration Werbung für andere Organisationen verbeten. Das hinderte auch eine größere Gruppe aus den Reihen der extrem rechten „Identitären“ nicht, Flugblätter zu verteilen. Das Logo war wohl als Reaktion auf den Wunsch der Veranstalter abgeklebt. Auch der bekennende Neonazi Peter Meidl schnappte sich wie selbstverständlich ein vorbereitetes AfD-Schild.

Absage an jeden gestalterischen Anspruch

Bestimmend war aber keine der Gruppen. Für problematische Inhalte und aufgehetzte Stimmung sorgte die Partei höchst selbst. Nur der erste Redner, der lokale Kreisvorsitzende Richard Kühne, bemühte sich um einen sachlichen Ton. Aber sowohl bei ihm, als auch den weiteren Rednern wurde deutlich, dass die AfD über keinerlei humane Alternative in der Flüchtlingsfrage verfügt. Kühne geißelte die momentane Politik der großzügigen Aufnahme, aber auch eine Unterstützung der Türkei lehnte er ab. Seine Absage begründete er ausgerechnet mit angeblich humanitären Gesichtspunkten. Weil die Menschen nicht von Turnhalle zu Durchgangslager durchgereicht werden sollten, solle die Regierung ihren Kurs radikal ändern. Nur eine menschenwürdige Alternative hatte er nicht zu bieten.

Aber auch bei Kühne funktionierten xenophobe Signale. So wäre ihm angeblich aufgefallen, dass Vergewaltigungen im Land zugenommen hätten. Näher auf die Ursachen, Täter oder Anlässe musste er nicht eingehen. Ein Signal, das von den Anhängern verstanden wurde.

Längst hat auch die AfD ähnlich wie Pegida den Spruch am Reichstag „Dem deutschen Volke“ zur obersten Leitlinie der zu fordernden Politik erklärt. Er ersetzt unumwunden
die im Grundgesetz niedergelegte Verpflichtung des Staates, die individuelle Menschenwürde zu achten und zu schützen.

Wie „deutsch“ zu verstehen sein soll, machten Redepassagen deutlich, die es als Gegensatz zu „Multikulti“ darstellten. Aussagen, die völkisch angehauchten Anhängern gefallen haben dürften. Für diejenigen Unterstützer, denen eine offene Ausländerfeindlichkeit (noch) zu weit gehen dürfte, gab es beruhigende Versicherungen, die AfD sei trotz aller verbreiteten Ressentiments angeblich nicht ausländerfeindlich. Dafür sollte auch der neue Landesvorsitzende, der in Tschechien geborene Petr Bytron, Gewähr bieten.

Gemeinsames Bild mehrerer Redner war auch die Absage an Angela Merkels „Wir schaffen das“ mit dem Konter „Wir wollen das nicht schaffen!“ Diese entlarvende Parole ist dabei gleichzeitig die Absage an jeden gestalterischen Anspruch in einer herausfordernden Situation. Wie sehr in der Partei das rechte Maß verloren ging, machte abschließend eine weitere getroffene Aussage an dem Tag deutlich. Die gegenwärtige Krise werde mehr Schaden anrichten als der Zweite Weltkrieg. Wie schon bei Pegida wurden auch bei der AfD selbst geflüchtete Syrer als Wirtschaftsflüchtlinge delegitimiert.

Kurzfristig organisierte Gegendemonstration mobilisierte 600 Teilnehmer

Gegen die länger von der AfD geplante Demonstration richtete sich erst spät Widerstand. Initiiert von den Parteijugenden riefen Mitte der Woche Parteien, Gewerkschaften und kirchennahe Organisationen aus Freilassing und dem nahen Österreich zu einer Gegenkundgebung auf. Dem Motto „Freilassing setzt ein Zeichen: Mitmenschlichkeit statt Hetze“ schlossen sich nach Polizeiangaben etwa 600 Personen an, darunter die lokale Bundestagsabgeordnete Bärbel Kofler (SPD). Zum Zeichen des Protestes wurden rote Karten verteilt, die dann später der AfD entgegengehalten wurden. Gerade jüngere Menschen brachten auf selbstgemachten Plakaten ihre Postionen zum Ausdruck.

Ziel der Veranstaltung war es laut Aufruf, die enorme Hilfsbereitschaft der vielen Helfer im Land und ihren Einsatz für Toleranz, Vernunft und Menschlichkeit anzuerkennen und zu würdigen. Es solle auch verhindert werden, dass Flüchtlinge und sozial benachteiligte Einheimische gegeneinander ausgespielt werden. Für eine gelungene Umrahmung der Veranstaltung neben der Rupertuskirche in Hörweite der AfD sorgte die Band Flous Tonradoo and the mighty beat foundation.

Die lokale CSU hatte sich im Vorfeld von beiden Demonstrationen distanziert und damit besonders für Unmut unter den kirchlichen Vertretern und den Anhängern karitativer Organisationen gesorgt.

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