Gerichtsverhandlung – Verbot des Freien Netz Süd: Entscheidung in einer Woche erwartet

Heute fand in München die Verhandlung zum Verbot des Freien Netz Süd statt. Von den 41 dagegen klagenden Personen, denen damals der Verbotsbescheid zugestellt wurde, erschienen nur zwei. Die Beratungen ergaben für die Neonazis eine unangenehme juristische Überraschung.
Nach einem langen Anlauf hatte im Juli 2014 der Freistaat Bayern nach längerer Diskussion das Freie Netz Süd (FNS) verboten. In seiner Hochzeit war die mutmaßliche Organisation die wichtigste rechtsextreme Vereinigung in Bayern, bedeutsamer, umtriebiger und aggressiver als beispielsweise der NPD-Landesverband. Dieser hatte sich aus taktischen Gründen der „seriösen Radikalität“ des damaligen Bundesvorsitzenden Holger Apfel verschrieben, was zu Unstimmigkeiten mit den „Nationalen Sozialisten“ der Kameradschaftsszene führte.
Eine Razzia unter führenden bayerischen Neonazis im Juni 2013 deute dann den Aktivisten an, dass die Selbstdarstellung des FNS, es sei nur eine Internetseite, den Freistaat nicht von repressiven Maßnahmen abhalten würde. Mit der Partei Der Dritte Weg wurde im September 2013 ein mögliches Auffangbecken gegründet, während das FNS nach außen immer weniger in Erscheinung trat. Innenminister Herrmann sah im rechtsextremen Netzwerk eine Nachfolgeorganisation der 2003 verbotenen Fränkischen Aktionsfront (F.A.F.) und verfügte das Verbot.
41 Personen war damals die Verbotsverfügung zugestellt worden, mit der auch ein ehemaliger Gasthof in Oberprex beschlagnahmt und der „Final Resistance“-Versand aufgelöst wurden. Die Liste der Kläger, die vor Gericht aushing, umfasst das Who is Who der bayerischen Neonazi-Szene, aber auch einige weniger bekannte Namen. Aus Platzgründen wurde die Verhandlung nicht im Gebäude des zuständigen Verwaltungsgerichtshofs durchgeführt, sondern im Verwaltungsgericht, das über einen entsprechend großen Saal verfügt. Erschienen waren aber nur die beiden maßgeblichen Aktivisten Tony Gentsch und Norman Kempken.
Bestätigt und in den Akten ist mit dem Verbotsverfahren nun die Ansicht zahlreicher Kritiker des zurückhalten und langsamen Vorgehens der Staatsregierung. Stefan Böhmer, Anwalt der 41 Kläger, bezeichnete das Verbot auch deshalb als unverhältnismäßig, weil viele der maßgeblichen Personen zu diesem Zeitpunkt schon eine neue politische Heimat gefunden hätten in der schon erwähnten Partei „Der Dritte Weg“. Das offene Eingeständnis zeugte auch davon, dass die Aktivisten sich dort erst einmal auf der (verbots-)sicheren Seite wähnten. Die Vertreter des Freistaats konnte hier nur zu Protokoll geben, dass das Verbot weiterhin nötig gewesen sei, da z. B. die Website noch fortbestand und Archivfunktion hatte. Ein möglicher wunder Punkt des Verfahrens. Auch ENDSTATION RECHTS.Bayern sprach im Juli 2014 davon, der Freistaat hätte nur eine leere Hülle verboten.
Panne nimmt dem Gericht Arbeit ab
Gleich zu Beginn der Beratungen gab es für Böhmer eine böse Überraschung. Der Richter deutete an, dass der Senat nur die Frage prüfen werde, ob das Freie Netz Süd vereinsähnliche Strukturen hatte oder nicht. Die klagenden Mitglieder des Vereins seien nur in diesem Punkt überhaupt klageberechtigt und die dazu Berechtigten hätten nicht (fristgerecht) geklagt. Die gegebenenfalls problematischen Annahmen der Verbotsbehörde, ob das FNS verfassungswidrig sei, wesensverwandt mit dem Nationalsozialismus und eine Nachfolgeorganisation der verbotenen F.A.F., darf und braucht die Richter nicht mehr interessieren. Dazu hätten die vertretungsberechtigten Organe des Vereins klagen müssen. So sei die ständige Rechtsprechung der Bundesgerichte. Einfachen Mitgliedern stehen diese Klagen nicht offen.

Dass diese für juristische Laien etwas komisch anmutende Konstruktion – es wird ein Verein fingiert, der dann klagt, dass er nicht verbotswürdig sei und es ihn eigentlich gar nicht gibt – kein Neuland ist, bestätigten die Vertreter des Freistaats und der Pressesprecher des Gerichts. Die Landesanwälte führten aus, beiden Seiten, Verein und Mitgliedern, wäre das Verbot zugestellt worden. Dass sich die Klägerseite dann nur zu seinem eingeschränkten Vorgehen entschlossen hätte, so hielten sie es dem Erlanger Anwalt wohl mit einer inneren Genugtuung vor, falle nicht in ihre Verantwortung.
Böhmers Problem mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung
Im weiteren Verlauf der mündlichen Verhandlung ging es dem Richter nur um einige Unklarheiten, die sich aus dem Aktenvortrag der beiden Parteien noch hätten ergeben können. Besonders Böhmer nutzte die Gelegenheit zum Wort zu einigen Ausführungen. Er zeichnete das FNS als Art Clique, die sich durch die Ausgrenzung einer bestimmten Ideologie durch die angeblich links-grün dominierte Öffentlichkeit zwangsläufig kenne müsse, was aber noch keinen Verein darstelle. Ausführungen von Sachsens Innenminister Ulbig, das dortige Freie Netz sei keine Organisation, sondern nur eine Internetseite, sollten ebenso für seine Sicht der Dinge sprechen.
Als Anregung gab Böhmer dem Gericht noch mit, einige Paragrafen des Vereinsgesetzes durch das Bundesverfassungsgericht prüfen zu lassen. Richterbank und Freistaat sahen dazu keine Veranlassung. In den Ausführungen Böhmers, so einer der Landesanwälte, sei deutlich geworden, dass dieser so seine Probleme mit der ständigen und gefestigten Rechtsprechung der Gerichte zu Vereinsverboten habe und auch mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Das sei aber Böhmers Problem, so der bissige und leicht persönliche Kommentar des Vertreters des Freistaats auf die nur schwer erträglichen Ausführungen des Beauftragten der Klägerseite.
Das Urteil kann von den Streitparteien in etwa einer Woche bei der Geschäftsstelle des Gerichts erfragt werden. Die Beschlagnahmung der Immobilie und die Auflösung des Versandes fallen in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts Bayreuth und werden separat verhandelt. Natürlich dürfte das Münchner Urteil einen großen Einfluss auf die Entscheidung in Oberfranken haben.