Grenzbau in SchirndingPegida-» Grenzsicherung» schafft keinen Kilometer

Aufstellung zur Demo - am Wetter lag die geringe Beteiligung nicht

Klein und übersichtlich blieb am vergangenen Sonntag der zweite Anlauf der Pegida-„Bewegung“, im oberfränkischen Schirnding symbolisch eine Grenze Richtung Tschechien zu errichten. Einschlägig bekannte Redner wie Jürgen Elsässer und Götz Kubitschek erschienen trotz Ankündigung erst gar nicht. Dem Spaziergang der Gegendemonstranten unter dem Motto „Grenzenlos glücklich“ schlossen sich dagegen über tausend Bürger an.

„Wir helfen beim Grenzbau“. Unter diesen Titel versuchte sich die islamfeindliche und nationalistische Pegida-„Bewegung“ mit einer Menschenkette an einer neuen Aktionsform, die sonst eher im linken Bereich angesiedelt ist. Das eigentlich verbindende Zeichen, wenn Menschen sich an den Händen fassen, sollte symbolisch für die erhobene Forderung stehen, mehr als zwanzig Jahre nach Öffnung des Eisernen Vorhangs und des Schengener Abkommens, wieder befestigte Grenzen durch die Mitte Europas zu ziehen. Das zugehörige Plakat wartete so auch mit jeder Menge Stacheldraht auf. Mit dem ehemaligen Grenzübergang Schirnding hatten sich die Organisatoren keinen Hotspot ausgesucht. Vielmehr hofften sie auf einen großen Zuspruch durch die relative Nähe zu ihrem Kernland Sachsen, zusätzlich zu Anhängern aus Bayern und von tschechischen Nationalisten und Flüchtlingsgegnern. Zur ersten Veranstaltung dieses Typs in Sebnitz meldeten Medien 1.000 Teilnehmer, die zugehörige Facebook-Seite sprach gar von 3.000 Teilnehmern. In Schirnding wurden es am Ende nur 290 von der Polizei gezählte Teilnehmer.

Weitgereiste Anhänger bekommen C-Ware vorgesetzt

Zwischenzeitlich wurden mit den einschlägig bekannten Publizisten Jürgen Elsässer und Götz Kubitschek, einem der führenden Köpfe der Neuen Rechten, auch für die Szene namhafte Redner angekündigt, die jedoch – vielleicht in Voraussicht des übersichtlichen Charakters der Veranstaltung – gar nicht erst erschienen. Auch der aus Sachsen angereiste Pegida-Chef Lutz Bachmann blieb an dem Tag stumm, machte Selfies mit Gesinnungsgenossen und führte das eine oder andere private Gespräch.

Lutz Bachmann mit Fahne der tschechischen Partei

Die Teilnehmer, die wie Pegida Stuttgart oder Organisator Michael Viehmann aus Kassel, weite Wege auf sich genommen hatten, musste so mit eher drittklassigen Rednern aus den eigenen Reihen vorlieb nehmen. Dies zeigte sich schon bei der Ankündigung von Gernot Tegetmeyer, dem Kopf von Pegida Nürnberg, der von Viehmann als „Georg aus München“ vorgestellt wurde. Der Ableger aus Mittelfranken ist momentan die einzige Dependance in Bayern, die nicht vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Woran das liegt, bleibt das Geheimnis der Sicherheitsbehörden. Immerhin gehört Tegetmeyer der beobachteten Partei Die Freiheit an. Er lässt den bekannten Islamfeind Michael Stürzenberger, der sich namentlich im Bericht wiederfindet, gerne und häufig reden und gibt sich in eigenen Reden selbst kaum zurückhaltender. Vor Kurzem bedauerte er in einer Rede in Nürnberg, dass zu einer „echten Wiedervereinigung“ noch Gebiete fehlen würden. Vor den etwa 50 angereisten tschechischen Nationalisten der Usvit-Partei wollte er das Thema aber nicht anschneiden.

Millionen Tote nur durch Küchenmesser prophezeit

Die radikalste Rede kam an dem Tag von Fikri Akar, einem Christen aus dem Nahen Osten, der zum Pegida-Leib- und Magenthema „Islamisierung“ sprechen durfte, nachdem sich Viehmann unter anderem über Straftaten von Migranten beschwert hatte. Schon in Nürnberg war der Kleingastronom Akar als Redner im Stile Stürzenbergers aufgefallen.
Er sprach vom angeblichen Plan der Türkei, die angestrebte Eroberung Europas nun im Wege der „Integration“ fortzusetzen, als geheimen Plan, terroristische Schläfer – als nichts anderes sah er sich integrierende Muslime in Polizei, in der Justiz, beim Verfassungsschutz oder im Gesundheitswesen an – einzuschleusen. Akar war sich sicher, wenn „der Islam“ grünes Licht gebe, würden „vier bis fünf Millionen von uns geschlachtet, nur mit einem reinen Küchenmesser“, so sein prognostiziertes Szenario. Diese ganze Aufwieglung der Zuhörer wollte er aber, ähnlich wie sein Lehrmeister Stürzenberger, nicht gegen den einzelnen Muslim verstanden wissen. Der Islam zwinge sie aber, angeblich Partei zu ergreifen für die unterstellten Welteroberungspläne, die sich wie die „Pest“ verbreiten würden. Deshalb müsse die aktuelle Regierung gestürzt werden, so seine abschließende Forderung.

Bekanntester Pegida-Redner war an dem Tag der Schweizer Ignatz Bearth, Präsident der Kleinstpartei Direktdemokratische Partei Schweiz. Im Zuge des von ihm begrüßten Rechtsrucks hätte sich seine Partei im Fahrwasser der Schweizer Volkspartei auf 0,7 Prozent bei den letzten Wahlen steigern können. Auch er forderte dem Veranstaltungsthema nach, dass sich jedes Land in Europa wieder eine eigenständige und selbst bewachte Grenze geben soll. Er lobte noch den in die Kritik geratenen Philologenverband Sachsen-Anhalts für dessen wenig verklausulierte Warnung an „deutsche Mädchen“ vor Sex mit jungen Muslimen. In Flüchtlingen sah er Kriminelle, bei denen man angeblich nicht wisse, welche „Krankheiten“ sie nach Europa mitbringen würden.
Den einzigen lokalen Bezug hatte Pegida durch einen spontanen Redner, der ganz am Schluss zu Wort, aber über Schimpftiraden nicht hinaus kam. Nach Auskunft von Bürgern ist der Landwirt Michael Helm aus dem nahen oberpfälzischen Pechbrunn dort schon als Dauerquerulant verschrien.

Parorama zur Grenzsicherung – keine 500 m wurde geschafft

Zwischen den Reden zog es die Teilnehmer auf einen kleinen „Spaziergang“ über den „Weg der Begegnung“ entlang der Bahnlinie zur nahen tschechischen Grenze. Die auf dem besseren Feldweg dort nur mühsam inszenierte Menschenkette „sicherte“ keine 500 Meter Grenze. Die geographische Lage des Weges zwang dann auch die deutschen und tschechischen Nationalisten, Ost und West optisch eher zu verbinden als dass sie irgendetwas auch nur symbolisch abgeriegelt hätten. Gewinn machte an dem Tag nur der eigens aufgebaute Merchandising-Stand, der szenetypische Botschaften verhökerte.

Deutlich mehr Menschen bei der Gegendemo

Mehr als tausend Ostbayern für offene Grenzen

Gegen das Ansinnen Pegidas bildete sich in der Region ein Gegenbündnis aus Parteien und anderen Organisationen. Zu den diversen Aktionen samt Andacht und Demonstration kamen nach Angaben der Polizei 1.200 Menschen aus Oberfranken und der nahen Oberpfalz. Hauptredner der Veranstaltung war der ehemalige tschechische Außenminister Karel Fürst zu Schwarzenberg. Die Frankenpost zitiert ihn mit dem Satz „Europa existiert. Die Union ist Wirklichkeit geworden, weil hier Menschen stehen, die wegen ihrer Gemeinsamkeit zusammenkommen, und sich nicht über ihre Herkunft definieren.»
Pegida kündigte derweil für Dezember einen neuen Versuch an, die Aktion zu wiederholen – wahrscheinlich nahe der Grenze zu Österreich.