FreilassingStagnation bei erneuter „Grenz“-Aktion der Identitären

Die Identitäre Bewegung demonstriert für geschlossene Grenzen. Foto Freilassing Februar 2016

Die neurechten Identitären riefen am gestrigen Samstag zum dritten Mal zu einer Demonstration in der südostbayerischen Grenzstadt zu Österreich auf. Trotz „großdeutscher“ Mobilisierung ging die Teilnehmerzahl leicht zurück. Es kamen Pegida-Aktivisten, Neonazis, Burschenschafter und auch nicht wenige Bürger zu dem Treiben.

500 bis 800 Teilnehmer waren laut Anmeldung erwartet worden. Im Netz frohlockte ein Akteur, der aus dem Zug heraus filmte, sogar über Tausend „Gegner der Flüchtlingspolitik“. Ebenso sprach der Organisator Edwin Hintsteiner von der Identitären Bewegung Salzburg am Ende von einer Steigerung der Beteiligung. Nüchtern betrachtet ging die Zahl der Demonstranten hingegen zurück.

Die Polizei sprach von etwa 400 Personen, die sich dem erneuten Zug von Freilassing über die Grenze bis hin zur ehemaligen Grenzstation auf österreichischer Seite angeschlossen hatten. Das wäre etwa das Niveau der Januar-Demo gewesen. Nach unserer Schätzung lag die Zahl etwa 50 Personen unter den Angaben der Polizei. Auch anderen Beobachtern kam es im Februar alles eine Nummer kleiner vor.

Die Identitären hatten erneut „großdeutsch“ mobilisiert. Die Veranstaltung lag wieder in den Händen von Hintsteiner und dem Wiener Kader Martin Sellner. Der Autor des neurechten Blogs „Sezession im Netz“ musste sich auf halber Strecke allerdings wegen eines Vortrags in Jena von der Demo verabschieden. Wügida / Pegida-Franken-Organisator Simon Kaupert nahm als Ordner zusammen mit einer Gruppe aus dem Umfeld des seit Oktober vom Verfassungsschutz beobachteten Pegida-Ablegers teil. Identitäre Fahnen mit der Aufschrift „Rhein-Neckar“ waren zu sehen. Auch aus Sachsen war ein bekannterer Kader anwesend, zusammen mit dem Bundessprecher der Identitären Nils Altmieks.

Die Unterstützung durch Pegida und deren Grenzaktion „Wir helfen beim Grenzbau“ fiel dagegen spärlich aus. Aus München waren die Organisatorin Birgit Weißmann und der „Vorzeige-Intellektuelle des Ablegers, der Übersetzter Hartmut Pilch, angereist. Sie hatte nur den harten Kern der dortigen „Spaziergänge“ im Schlepptau samt der teilweise mit Neonazis durchsetzten Ordnertruppe. Kurzzeitig Ärger bekam nur eine Gruppe Rechtsextremisten, die ihre Fahne der 1970 von der NPD gestarteten „Aktion Widerstand“ wieder einpacken mussten.

Hintsteiner intervenierte, die «Widerstand»-Flagge muss weg

Fast größer fiel die Unterstützung aus den Kreisen organisierter Neonazis aus. Die „Kameradschaft Berchtesgadener Land“ trug wieder ein Banner in der Mitte des Aufzuges. Aus den Reihen des Dritten Weges kamen einige bekannte Akteure hinzu, darunter Roy Asmuß, der letzte Verantwortliche für die Homepage des verbotenen Freien Netz Süd. Auch Uwe Brunke, Organisator des SS-Gedenkens in Bad Reichenhall, war wie bei der AfD-Demonstration zugegen.

Passend zu den sich elitär verstehenden Identitären nahmen einige offen erkennbare „Alte Herren“ an der Demonstration teil und führten die Fahne der Urburschenschaft mit. Weniger dazu passten die Teilnehmer, die vor Betreten der Absperrung ihre Bierflaschen abstellen mussten. Erster Redner des Tages war Benjamin Nolte, ein – aufgrund eines rassistischen Vorfalls bei einer Burschenschaftlerversammlung 2009 von der taz „Bananen-Nolte“ genannter – Politiker der Patriotischen Plattform der AfD.

Weichgespülte Ausgrenzung als Programm

Inhaltlich bekamen die Demonstranten das neurechte Programm der Identitären
präsentiert. Die Organisatoren wären nicht gegen Flüchtlinge, sondern gegen diejenigen, die sie eingeladen hätten, stellten die Redner ihre ganz eigene Weltsicht dar. Den Asylsuchenden sollte in ihrer Heimat geholfen werden. Die „eigentlichen Menschenfeinde“ seien die Gegendemonstranten, denn sie wollten einen angeblichen „menschlichen Einheitsbrei“.

Unter dem Postulat „Die Vielfalt der Völker erhalten“ wird dabei ein radikaler Ausschlussgedanke gepredigt und den Menschen qua Herkunft ein Platz auf der Welt zugewiesen. Jede räumliche Veränderung wird als „Bedrohung dieser Vielfalt“ bekämpft. Dieses Gesellschaftsbild verbindet völkische Ideologien jedweder Ausprägung und damit Neonazis, NPDler, Rechtspopulisten und Identitäre, egal, ob sie nun konkret von Rasse oder Kultur sprechen.

Schon der Verbotsantrag gegen die NPD, der ab Dienstag Grundlage der mündlichen Verhandlung in Karlsruhe sein wird, weist diese Haltung als grundgesetzfeindlich aus. Die Bevollmächtigten des Bundesrates schreiben, gestützt auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, auf Seite 112:

„Nicht nur bekommen alle Menschen durch die Garantie der Menschenwürde also einen basalen
Rechtsanspruch zugesprochen. Sie werden durch die Garantie vielmehr auch in diejenige Klasse von
Rechtssubjekten aufgenommen, der auch weitere subjektive Rechte zugesprochen werden kann.“

Übersetzt bedeutet dies, jeder Mensch muss unabhängig von seiner Herkunft oder anderen Kriterien, theoretisch Staatsbürger werden können. Ein pauschaler Ausschluss einer bestimmten Gruppe, der Antrag spricht hier von einem „menschenrechtlichen Exklusionsverbot“, ist unzulässig.

Verspäteter Abmarsch, Spuckattacken und Kehraus

Der Demonstrationszug, dessen Start wieder in der Martin-Oberdorfer-Straße bei der Kirche war, konnte erst verspätet starten. Mehrere Gegenaktivisten hatten sich nahe der Strecke festgekettet. Mit den üblichen Parolen ging es am Rande der Innenstadt entlang zu einem Feldweg und dann über die Saalach auf österreichisches Gebiet.

Der Zug musste auf Weisung der Polizei stoppen, als Teilnehmer mehrere Plastikrohre zu überlangen Fahnenstangen zusammengesteckt hatten. Auf der anderen Seite der Grenze waren diese schnell wieder zusammengebaut. Ein Journalist wurde mehrfach bespuckt und attackiert, die Angreifer verschwanden in der Menge. Auch Ordner beteiligten sich, wie es von Pegida München bekannt ist, an der Behinderung der Pressearbeit.

Dem Zug der Identitären folgte eine „Kehraus-Aktion“ zahlreicher zivilgesellschaftlicher Initiativen. Mit Besen bewaffnet, kehrten sie symbolisch den „rechten Dreck“ wieder aus ihrer Stadt. Etwa 250 Personen sollen sich laut Polizei daran beteiligt haben.