AfD in Traunreut – Großdemonstration landet in der rechten Schmuddelecke

Mit weniger als hundert Teilnehmern endete am gestrigen Samstag eine großspurig angekündigte Kundgebung der AfD Traunstein. Redner bedienten inhaltlich rechte, verschwörungstheoretische Kreise und nahmen Anleitung bei der Identitären Bewegung.
700 Anhänger sollten es nach Wünschen der AfD Traunstein und der Organisators Oliver Krogloth, einem Anhänger der Identitären Bewegung, werden. Eine Großdemonstration für den „Frieden, innere Sicherheit, Schutz der Bürger und der Heimat“. Nach Platzproblemen in Traunstein wichen die Veranstalter ins nahe Traunreut aus und senkten die Prognose auf 400 Besucher. Die gleiche Anzahl war im Januar auf die Straße gegangen, allerdings unter dem Eindruck der Falschmeldung, ein junges, russischstämmiges Mädchen wäre in Berlin von Flüchtlingen vergewaltigt worden und die Behörden wollten dies vertuschen.
Das Vorhaben war auch mit reduzierter Zahl äußerst ambitioniert. Vorbei sind momentan die Zeiten des Herbst 2015, als die AfD Bayern aus dem Stand hohe dreistellige Teilnehmerzahlen zu Kundgebungen mobilisieren konnte. Zuletzt kamen in Würzburg trotz Axtattacke nur 80 Teilnehmer zusammen. Am gestrigen Samstag waren es bei wohlwollender Zählung etwas weniger als 100, die sich die Reden auf dem Rathausplatz anhören wollten.
Wegen der fehlenden Größe konnten sich auch 50 Gegendemonstranten in unmittelbarer Nähe einfinden, die zu Beginn AfD-Redner für fehlgeschlagene Redeelemente sowie die anfangs fehlerhaft Technik „feierten“. An einer Veranstaltung unter Federführung des DGB hatten am Mittag laut Polizei noch einmal 100 Personen ihre Ablehnung zum Ausdruck gebracht. Wie viele Nationalisten störte sich auch die AfD besonders am Widerspruch durch Personen, die sie eigentlich „dem eigenen Volk“ zurechnen. Hauptredner Hans-Jörg Müller sah sogar die Demokratie abgeschafft, weil er sich bei seiner Rede „opponierenden Teilnehmern“ stellen musste.

Mit NPD-naher Flagge direkt vor der Bühne
Die Veranstaltung zog auch eine Gruppe Münchner Rechtsextremer und Neonazis an, die regelmäßig bei Pegida teilnehmen. Sie bleiben nicht einfach stumme Teilnehmer, sondern zeigten offen mit „Refugees not welcome“ und „Islam – nein Danke“-Flaggen, wo sie ideologisch hingehören. Mit dabei hatten sie auch eine rote Flagge der „NPD-Aktion Widerstand“. Etwa die Hälfte der Veranstaltung posierten sie direkt vor der Bühne und gaben in Pausen die Parolen vor.
Von Seiten der Verantwortlichen griff niemand ein. Auch das war schon mal anders. Die gleiche Widerstand-Flagge musste bei den Identitären in Freilassing wieder eingepackt werden. In Passau wurde von Ordnern ein Schild „gegen Asylanten“ moniert, weil die AfD offiziell nicht gegen das Asylrecht an sich ist. Ob es nach den Vorstellungen der Partei noch viele Menschen beantragen können, steht
auf einem anderen Blatt.
Rechte Verschwörungstheorien und identitäre Weltsicht
Was den Redner zum Veranstaltungsthema „Frieden“ einfiel, warf ein bezeichnendes Licht auf die AfD. Inhaltlich wurden die Themen der „Friedensmahnwachen“ wieder aufgewärmt, die sich unter dem Eindruck der Ereignisse in der Ukraine gebildet hatten und in deren zahlreichen Ablegern Esoteriker, Verschwörungstheoretiker und auch Rechtsextreme zu Wort kamen. Die Welt werde de facto beherrscht von einer kleinen Clique, die in den Vereinigten Staaten verortetet wurde. Diese wollen, so der dritte Redner Michael Mayer, sämtliche Nationalitäten, Religionen, Identitäten und Wertegemeinschaften abschaffen und sich über eine „möglichst schnelle und möglichst vollständige Rassenvermischung“ ein neues Proletariat schaffen.
Hauptredner Hans-Jörg Müller von der Mittelstandvereinigung der AfD redete nicht nur – wie oft gehört – einen Bürgerkrieg herbei, sondern gleich auch noch einen Atomkrieg. Kleine Brötchen wurde an dem Tag in Traunreut gar nicht erst gebacken. Selbst die Antifa müsse sich unter dem Eindruck einer „von der AfD geführten neuen Friedenbewegung“ anschließen, so sein Appell. Er spielte das Spiel der Terroristen mit und propagierte, die Menschen in Deutschland könnten nicht mehr guten Gewissens auf Volksfeste gehen. Oder in Freibäder, obwohl Statistiken keinen Anstieg an sexuellen Übergriffen verzeichnen.

Mehrfach bedienten sich unterschiedliche Redner bei der Identitären Bewegung (IB) und sprachen in Anspielung auf deren Kampagne von einem angeblich „erzwungenen Bevölkerungsaustausch“, der in Traunreut vor allem am Familiennachzug festgemacht wurde. Katrin Ebner-Steiner aus Deggendorf forderte eine Rückeroberung der Heimat, quasi eine „Reconquista“, die auch die IB versucht zu popularisieren. Teile der Rede hielt sie schon in Würzburg. Andere Teile wirkten fast wie eine Werbebotschaft für das neurechte Konzept des Ethnopluralismus und offenbarten erneut ihre völkische Sicht auf die Welt. Echten Pluralismus tat sie als Würfelspiel und Zufallsprinzip ab.
Radikal rechts mit Hintertürchen
Noch ein anderes Vorgehen hat bei der AfD Methode. Redner senden radikale Botschaften aus, schaffen sich aber kleine Hintertürchen, falls es doch zur Kritik kommt. So wollte Müller in seinen Ausführungen, in der alles, was schief laufe im Land, von außen zu kommen scheint und mit Flüchtlingen zu tun habe, immer nur vom harten Kern der Zuwanderer sprechen. Die AfD könne angeblich als einzige Kraft differenzieren.
Allerdings spricht die rechtspopulistische Partei, wo es geht, in allgemeinen Kategorien, schreibt etwa „Islam“, wenn eigentlich radikale Auswüchse gemeint sind. So spricht das verabschiedete Grundsatzprogramm einerseits von vielen integrierten und rechtstreu lebenden Muslimen, während auf derselben Seite davon die Rede ist, die wachsende Zahl von Muslimen sei eine „große Gefahr“ für Staat, Gesellschaft und Werteordnung. Auch in einem anderen Punkt ließ sich Müller so ein Schlupfloch. Er polemisierte gegen Gender-Mainstreaming. Er sei damit aber nicht gegen Gleichstellung, sondern behauptete vielmehr, es würde die Höher- und Besserstellung von Homosexuellen betrieben. Beispiele blieb er schuldig.
Welche Gesellschaft die AfD wirklich im Sinn hat und welche Relativierung nur der öffentlichen und möglicherweise behördlichen Beobachtung geschuldet sind, bleibt so fraglich.
nDie Veranstaltung endete gegen 17.30 Uhr mit Hymnen vom Band. Neben Müller, Ebner-Steiner und Mayer kam noch der Social Media-Beauftragte des AfD-Landesverbandes, Thomas Thiel, aus dem Raum Augsburg, kurz zu Wort. Die Polizei verlebte einen ruhigen Nachmittag und sprach laut ihrem Bericht nur vereinzelt Platzverweise gegen zu laute Gegendemonstranten aus.