Über 500 GegendemonstrantenPegida in Fürth: interne Streitigkeiten im Mittelpunkt

Wieder sehr viele in Mittelfranken gegen Pegida auf der Straße

Etwa 60 Personen folgten in Fürth dem Aufruf von Pegida Nürnberg zum ersten „Spaziergang“ nach einer selbstgewählten Sommerpause. Die Polizei verweigerte den Ausschluss einer größeren Gruppe von Neonazis und am Ende verpatzte Pegida auch noch die Hymne mit einem Textfehler.

Schon eine halbe Stunde vor Beginn der Veranstaltung war klar, dass die Anzahl der Gegendemonstranten, die sich in Fürth gegen einen Aufmarsch von Pegida Nürnberg wendeten, deutlich größer war, als das, was die selbsternannten „Patriotischen Europäer“ jemals in Mittelfranken auf die Straße gebracht hatten. Von rund 500 Personen sprachen die Fürther Nachrichten, darunter befanden sich wieder Oberbürgermeister Thomas Jung (SPD) und Dekan Jörg Sichelstiel. Der evangelische Pfarrer wertete die Anwesenheit einiger CSU-Vertreter als positives Zeichen, auch wenn er anschließend mit deren Generalsekretär Andreas Scheuer ob dessen Äußerungen hart ins Gericht ging. Kirche sei kein Dorfverein, sondern eine weltweite Kirche. Die CSU sollte sich genau überlegen, wessen Partei sie sein will.

Eiertanz um Eising

Trotz des eindeutigen Kräfteverhältnisses versuchte Pegida-Organisator Gernot Tegetmeyer aufmunternde Worte für seine Anhänger zu finden. Man sei im Recht, die anderen würden weniger und würden nur größer erscheinen. Die eigene Veranstaltung sei wieder besser besucht als beim letzten Mal. Damit überspielte er, dass sich unter den rund 60 Teilnehmern etwa 15 Personen befanden, über die er eigentlich nicht glücklich sein konnte. Wieder beteiligte sich eine Gruppe „kritischer Versammlungsteilnehmer“ mit abweichenden Botschaften an der Veranstaltung, sowie eine größere Gruppe Neonazis um Rainer Biller, Thomas Rohr und dem aus der Rechten ausgetretenen Dan Eising.

Dan Eising (weiß) und Gesinnungsgenossen am Rand der Versammlung

Tegetmeyer warnte vor einer Entwicklung wie bei Pegida München, die Eising zuletzt zwei Mal ein Podium geboten hatten.
Zu Beginn des „Spaziergangs“ wollte Tegetmeyer besagte Gruppen ausschließen lassen. Er berief sich dabei auf eine angebliche Aussage von Bayerns Innenminister Johannes Herrmann. Die Einsatzleitung in Fürth teilte diese Einschätzung nicht: Die Neonazis blieben Teil der Demonstration. Anwohner ließen als Zeichen des Protests die Rollläden herunter.

Interne Verwerfungslinien

Die Frage der stärkeren Einbindung von Neonazis war bei Pegida Nürnberg auch intern Streitthema. Jens Janik, Kreuzritter-Fan, regelmäßiger Teilnehmer und Filmer bei Pegida, soll laut Tegetmeyer vehement Eising als Redner gefordert haben und nach der Absage seinen Rückzug verkündet haben.

Michael Stürzenberger stützte seinen ehemaligen Generalsekretär, der aus der Partei Die Freiheit ausgetreten ist, in der Frage der Abgrenzung. Besonders griff er den NPD-Politiker Karl Richter an, der ebenfalls zuletzt bei Pegida München als Redner auftreten durfte. Der sei, so der PI-Autor Stürzenberger, ein bekennender Nationalsozialist und Hitler-Verehrer, was er an dem Film „Er ist wieder da“ festmachte, in dem Richter einen kurzen Auftritt hat. Außerdem nannte er ihn einen „politischen Brunnenvergifter“ und kritisierte ihn für Loblieder auf Erdogan.

Stürzenberger, der Pegida München mit aufgebaut hatte, wurde bekanntlich dort kaltgestellt. Nach eigener Aussage will er schon frühzeitig vor Heinz Meyer, seinem quasi-Nachfolger bei Pegida München und dessen Verbindungen nach rechts außen gewarnt haben. In diesem Zusammenhang erwähnenswert dürfte auch eine bittere persönliche Pille sein: Stürzenbergers ehemalige Partnerin Ester Seitz näherte sich zuletzt deutlich der neonazistischen Szene und führte auch Veranstaltung mit Karl Richter & Co. durch.

Hymne verpatzt „…Blüh im Glanze dieses Lebens…“

Weniger Probleme haben die beiden engen politischen Weggefährten Tegetmeyer und Stürzenberger mit anderen Verfassungsfeinden. Mit Michael Wenglorz kam ein älterer Aktivist der Identitären Bewegung zu Wort, der Ende Februar bei der Demonstration in Freilassing als Redner auftrat. Er lobte die jüngsten öffentlichkeitswirksamen Aktionen der Gruppierung. Die bayerischen Behörden werfen den Identitären vor, eine Ideologie nahe den Blut-und Boden-Vorstellungen der Nationalsozialisten zu verbreiten.

Tegetmeyer und Redner Erhard Brucker aus Regensburg

Weiterer Redner war der Regensburger Erhard Brucker, zeitweise Beisitzer im bayerischen Landesverband der vom Verfassungsschutz beobachteten Partei Die Freiheit. Er wurde als enger Weggefährte vorgestellt. Rednerin „Carmen“ hatte ihren bemerkenswertesten Auftritt am Ende, als sie sich als Vorsängerin der Hymne einen groben Schnitzer leistete. Neben einer eigenwilligen Melodie, änderte sie den Text auch noch in „Glüh im Glanze dieses Lebens“ ab.

Protest vors Wohnhaus von Tegetmeyer getragen

Parallel zur Veranstaltung organisierte das Fürther Bündnis gegen Rechts eine Aktion vor dem Wohnhaus von Gernot Tegetmeyer. Sie sollte laut Sprecherin Ruth Brenner vor allem der Information der Nachbarn dienen. Über die Sinnhaftigkeit solcher Aktionen gehen die Meinungen durchaus auseinander. Verfassungsrichter Peter Müller (CDU) verteidigte Aufmärsche vor Privatwohnungen in der mündlichen Verhandlung des NPD-Verbots als scharfe, aber dennoch erlaubt Form der politischen Auseinandersetzung. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) dagegen reagiert mit scharfen Worten auf ein Ansinnen linker Gruppierungen, vor das Haus von AfD-Politiker Björn Höcke zu ziehen. Stürzenberger stilisierte die Aktion in Fürth zum Angriff hoch, die Polizei hätte die Familie schützen müssen.

Erneut unterstrichen Stürzenberger und Tegetmeyer, warum sie vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Für Stürzenberger verkörperte der IS weiterhin den wahren Kern des Islams, deren Kämpfer den „typischen Moslem“. Er ignorierte wieder die Glaubenspraxis der überwiegenden Zahl der Muslime weltweit und griff darüber hinaus den Papst für dessen differenzierte Betrachtung des Themas an. Schimpf und Schande sollten über ihn kommen, so der PI-Autor.

Die Ausführungen von Tegetmeyer verdeutlichten einmal mehr, dass die Abgrenzungsbemühungen zu Eising, Biller und Co. aus taktischen Gründen erfolgen dürften. Ideologisch liegen die Gruppen nicht weit auseinander. Die Flüchtlingskrise war für ihn eine gezielte „Umvolkung“, beim Angriff auf Dresden 1945 sei es einzig um „die Vernichtung des deutschen Volkes“ gegangen. In früheren Reden hatte er die Wiedervereinigung als „unvollständig“ bezeichnet. Alles bekannte Argumentationsmuster der extremen Rechten.