Nach Schüssen auf Polizisten – Reichsbürger sollen nach Gewaltakt noch intensiver überwacht werden

Bei einer Durchsuchung verletzte ein Reichsbürger in Georgensgmünd heute vier Polizisten zum Teil schwer, die seine Waffen wegen fehlender Zuverlässigkeit einziehen wollten. Der 49-jährige verfügte über mehr als 30 Lang- und Kurzwaffen. Update: Ein schwer verletzter Polizist starb über Nacht im Krankenhaus an seinen Verletzungen.
In Georgensgmünd ist heute Morgen ein Polizeieinsatz gegen einen Aktivisten der Reichsbürger eskaliert. Als die Spezialeinsatzkräfte um sechs Uhr zu einer Durchsuchung anrückten, um die Schusswaffen des 49-jähirgen wegen Unzuverlässigkeit einzuziehen, eröffnete dieser sofort nach dem Eindringen das Feuer auf die Beamten. Dabei verletzte der Mann, bekleidet mit einer schusssicheren Weste, vier Polizisten. Zwei der Beamten wurden unmittelbar durch die Schüsse verwundet, darunter einer auf schwerwiegende Weise. Er musste mit lebensgefährlichen Verletzungen nach Nürnberg ins Krankenhaus gebracht und einer Operation unterzogen werden. Der Täter selbst konnte verhaftet werden und erlitt bei der Festnahme leichte Verletzungen.
Am Anfang standen Steuerschulden
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) zeigte sich bei der Pressekonferenz am heutigen Vormittag „überaus entsetzt“ von der Gewalt. Laut seinen Auskünften war der 49-jährige bereits in der Vergangenheit mit den Behörden in Konflikt geraten, hatte seine Steuern nicht bezahlt und wurde deshalb durch das Landratsamt einer näheren Überprüfung unterzogen. Persönliche Kontrollen lehnte er demnach ab, indem er den Beamten zweimal den Zutritt zu seinem Haus verweigerte und in einem Anhörungsbescheid die Legitimation staatlicher Organe verneinte. Daraufhin beantragte das Landratsamt Roth vor dem Verwaltungsgericht Ansbach einen Durchsuchungsbeschluss, um seine über 30 Lang- und Kurzwaffen offiziell einziehen zu lassen, die der Jäger und Schütze zuletzt besaß. Dazu bat die Behörde aufgrund der „besonderen Gefährdungsbewertung“ um Unterstützung der Polizei, erklärte Herrmann, die sich ihrerseits zu einem gemeinsamen Vorgehen mit den nordbayerischen Spezialeinsatzkräften entschloss.
Der 49-jährige war im Mai 2016 erstmals ins Visier des Landratsamts geraten, nachdem der Zoll trotz Hilfe der örtlichen Polizei mit der Einziehung von Steuerschulden gescheitert war. Dieser Vorfall führte am 25. Mai zu einer Mitteilung an das Landratsamt, die wiederum Anlass für weitere Überprüfungen bildete. Im Zuge dessen führten die Verwaltungsbeamten eine Abfrage durch, die keine nennenswerten Erkenntnisse brachte, und setzten zu zwei Hausbesuchen an. Beide Versuche blieben jedoch erfolglos und führten jeweils dazu, dass die kontrollierenden Beamten des Grundstücks verwiesen wurden — beim zweiten Termin auf „harsche“ Weise durch den Hausbesitzer selbst, schilderte Landrat Herbert Eckstein (SPD). Durch dieses Auftreten und durch das Schreiben bestätigte sich der Verdacht auf Zugehörigkeit zur sogenannten Reichsbürger-Bewegung, die in Bayern seit langem vermehrt die Behörden beschäftigt.
Leute, die zu Gewalt gegen Vertreter des Staates in der Lage sind
Nach den Schüssen auf die Polizeibeamten hat die zuständige Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen versuchten Mordes aufgenommen. Herrmann kündigte zudem an, die „Reichsbürger-Bewegung“ in Zukunft „stärker in den Blick zu nehmen“ und deren Umtriebe genauer zu überwachen. „Der Vorfall zeigt“, so Herrmann, „dass Reichsbürger nicht bloß eine Vereinigung von ein paar Spinnern und ewig gestrigen sind, sondern dass wir es mit Leuten zu tun haben, die zu Gewalt gegen Vertretern des Staates in der Lage sind“. Es müssten deswegen alle „präventiven und repressiven Maßnahmen unternommen werden, um die Gesellschaft zu schützen“.
Auch die Opposition im Landtag reagierte entsetzt auf den heutigen Vorfall. Die Grünen-Abgeordnete Katharina Schulze sprach von einer „neuen schockierenden Dimension“. Sie ist mit ihren Gedanken bei den verletzten Polizisten und appelliert an die Staatsregierung, die Reichsbürger noch weitaus intensiver zu beobachten. Ihr SPD-Kollege Florian Ritter ergänzt: „Diese schlimme Tat zeigt, welche immense Gefahr von dieser rechtsradikalen Bewegung ausgeht. Nicht nur für die Mitarbeiter von Behörden, Polizei und Justiz, sondern für die Demokratie an sich.“
Ebenso wie Schulze kritisiert er das bisherige Vorgehen der Regierung im Bezug auf die Gefahren der Reichsbürger als unzureichend. „Die Bayerische Staatsregierung verfügt zum Beispiel über kein Lagebild der illegalen Bewaffnung in Bayern“, kritisiert der Sprecher für die Bekämpfung des Rechtsextremismus. Er fordert die Staatsregierung angesichts der jüngsten Gewalttaten mit Nachdruck auf, „die Gefahr endlich zu erkennen und dementsprechend zu handeln“.
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Update 20.10.: Nach einer erste Falschmeldung ist der Polizist nach Informationen der Nürnberger Nachrichten in der Nacht nun leider doch verstorben.
Update 20.10: Laut einer Pressemitteilung des Bündnis Nazistopp Nürnberg stand der Schütze im Kontakt mit einem maßgeblichen Aktivisten von Pegida Nürnberg. Screenshots belegen einige Interaktionen der beiden Männer. «Riko» wird für heute Abend als Redner angekündigt.