Beobachtung durch den VerfassungsschutzUrteil bestätigt extrem rechte Verankerung des Öko-Magazins „Umwelt und Aktiv“

"Umwelt und Aktiv" - Zeitschrift des Midgard e.V.

Bereits seit einigen Wochen steht fest, dass der Freistaat Bayern den Verein Midgard e.V. weiter im Verfassungsschutzbericht nennen darf. Die nun veröffentlichte Entscheidung der Richter gibt einen genaueren Einblick in die Beweggründe. So seien einige Gastbeiträge des vom Verein herausgegebenen Magazins klar „nationalsozialistisch orientiert“, die Publikationen richteten sich unterschwellig aber dennoch erkennbar gegen Menschenwürde und Demokratieprinzip.

Konkret ging es in der Entscheidung um die Nennung im Verfassungsschutzbericht 2012, in dem der 2006 gegründete Verein und sein ab dem Jahr 2007 herausgegebenes Magazin „Umwelt und Aktiv“ erstmalig Erwähnung fanden. Vor dem Verwaltungsgericht München hatte die Organisation mit Sitz in Landshut und Postfach in Traunstein noch Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof gab dagegen der Staatsregierung im vollen Umfang Recht.

„Umweltschutz“ = keine Ausländer

Die Richter sprechen den Verantwortlichen eine ernsthafte Beschäftigung mit Umweltthemen nicht ab, dies bilde aber nur den Denkmantel für die Verbreitung typisch rechtsextremer Argumentationsmuster. Bereits im Vorwort der ersten Ausgabe werde die Zeitschrift als „nationales Natur- und Umweltschutzheft“ bezeichnet. Motivation sei, die Themen nicht den „skrupellosen Internationalisten“ und damit „fremden Interessen“ zu überlassen.

Über Ökologie sollte „nationale Werte“ wiederbelebt werden, hielten die Richter dem Verein vor. Das Vereinsemblem Irminsul stamme aus der nordisch-germanischen Mythologie. Das Blatt berufe sich auf deutsch-nationale Dichter und Heimatschriftsteller. Als wichtiger Aspekt des Umweltschutzes werde ein Heimatschutz propagiert, dessen Ziel ein „lebenswertes Deutschland nur für die nach ihrer Abstammung Deutschen“ sei, jedoch nicht für zugewanderte Menschen. In zahlreichen Beiträgen fänden sich wiederholt antiamerikanisch und antieuropäische Grundaussagen, sowie antireligiöse Grundeinstellungen, die gegen Christentum, Judentum und Islam opponierten. Manche Sichtweisen (Kritik an USA und Israel, Kritik des betäubungslosen Schächtens) fänden sich auch in der politischen Linken und Mitte wieder, so die Richter, allerdings sei der entscheidende Unterschied die häufige Verwendung rechtsextremistischer Stereotype und die Bezugnahme auf die nationalsozialistische Ideologie.

Die Richter erkannten insgesamt aus dem vorgelegten Beweismaterial eine deutliche Missachtung der Grundprinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, insbesondere der Menschenwürde und des Demokratieprinzips.

Personelle Überschneidungen mit der NPD

Zugerechnet wurden den Herausgebern auch herausgehobene Gastbeiträge, die inhaltlich und formal den Zielrichtungen der redaktionellen Beiträge entsprachen. Dazu zählten namentlich Artikel von Dr. Klaus Sojka (2009 verstorben) und Angelika Willig, zwei bekannten Rechtsextremisten. Deren Veröffentlichungen wurden in der Entscheidung als deutlich „nationalsozialistisch orientiert“ bewertet. So definierte beispielsweise Sojka die Zugehörigkeit zu einer Nation ausschließlich mit Blick auf die völkische Abstammung.

Schon länger bekannt war die enge Anlehnung an die NPD. Alle vier Vorstandsmitglieder sind oder waren Mitglieder der NPD (Stand 2012 /2013), bekleideten Ämter bis hin zum Bezirksvorsitzenden und übernahmen Kandidaturen. Hinzu kamen themenbezogene Vorträge bei rechtsextremen Veranstaltungen. Der Verein bewarb und verbreite das Magazin bei einer rechtsextremen Zielgruppe. Extrem rechte Organisationen wie die NPD-Jugend oder die neonazistische Kameradschaftsszene lobten ihrerseits die Publikationen. Den Einwand der Herausgeber, durch die Nennung im Verfassungsschutzbericht eben auf diese Zielgruppe beschränkt und ansonsten stigmatisiert zu sein, bezeichneten die Richter als konstruiert und wenig überzeugend.

Durch die periodische Herausgabe eines Magazins könne auch von einer Bestrebung gesprochen werden, deren Ziel es sei, den transportierten verfassungsfeindlichen Inhalten auch zum Durchbruch zu verhelfen, so die Richter.

Verdachtsberichterstattung im Verfassungsschutzbericht?

Position bezog der Verwaltungsgerichtshof auch in der Frage, ab wann eine Organisation im VS-Bericht erwähnt werden dürfe. Das erstinstanzliche Verwaltungsgericht ging noch von einer Zweiteilung aus. Mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Verfassungsschutzgesetz des Landes Nordrhein-Westfalen im Falle der Nennung der Jungen Freiheit, müsse für den Leser klar erkennbar sein, ob eine Organisation aufgeführt sei, weil es den Verdacht der Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebung gebe oder ob diese Bestrebungen bereits verwiesen festgestellt worden seien. Die Richter am Verwaltungsgericht München verorteten den Verein samt Zeitschrift in der ersten Kategorie, deshalb stellte die Nennung in dem Kapitel „Sonstige rechtsextremistische Organisationen“ in ihren Augen einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff in die Grundrechte des Vereins dar.

Die Richter am Verwaltungsgerichtshof stellten dagegen klar, dass laut Bayerischen Verfassungsschutzgesetz die Nennung bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerechtfertigt sei. Eine Verdachtsberichterstattung kenne das Gesetz nicht. Für den Midgard e.V. lägen über einen längeren Zeitraum sowohl quantitativ als auch qualitativ verdichtete tatsächliche Anhaltspunkte vor. Die Nennung im Bericht erfülle somit alle gesetzlichen Voraussetzungen. Nach diesen Maßstäben richten sich auch Klagen, die etwa die Identitäre Bewegung oder AfD-Mitglieder noch gegen die Staatsregierung anstrengen könnten.

Die Entscheidung erging unter dem Aktenzeichen 10 BV 16.1237. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Auf der Internetseite der Zeitschrift findet sich noch keine Stellungnahme zum Urteil. Der Verein müsste gegen die Nichtzulassung der Revision klagen, um die Rechtskraft zu verhindern.