München – Gott gespielt – Pegida-Aktivistin zu zehn Jahren Haft verurteilt

Marion D.-B., Pegida-Aktivistin und Unterstützerin diverser extrem rechter Gruppen, muss wegen Totschlags in Gefängnis. Sie hatte ihre ehemalige Schwiegermutter mit einem Kissen erstickt, als Motiv gab sie Mitleid an. Die Tat war nicht politisch motiviert. Sie entging nur knapp einer lebenslangen Freiheitsstrafe wegen Mordes.
Bis in den November 2016 hinein war D.-B. Teilnehmerin bei einer Vielzahl von Veranstaltungen rechter und extrem rechter Gruppen. In einer Clique von Rassisten, die auch Aktivisten extrem rechter Parteien einschloss, pilgerte sie zu diversen Veranstaltungen, etwa zum III.Weg nach Fürstenfeldbruck oder zur AfD nach Traunreut. Journalisten und Gegendemonstranten fiel sie immer wieder mit provozierenden Verhaltenweisen und Gesten auf. Ein Grund dürfte der übermäßige Alkoholkonsum gewesen zu, der auch bei Gericht zur Sprache kann, zusätzlich nahm sie wohl auch Kokain.
Am 11. November traf sie sich mit ihrem Ex-Mann in dessen Wohnung. Die Ehe war 2013 geschieden worden, der Kontakt bestand aber fort, besonders zur 86 Jahre alten Mutter, dem späteren Opfer. Margarete Dietrich wohnte im gleichen Haus und war durch ein schmerzhafte, aber heilbare Rückenbeschwerden stark eingeschränkt. Nach Stürzen war sie auf fremde Hilfe angewiesen. Behandlungen lehnte sie ab. Ihre Wohnsituation verschlechterte sich, der Sohn ekelte sich nach Angaben vor Gericht vor den einkehrenden Umständen.
Längerer Todeskampf
D.-B. führte bei dem Treffen am Tattag von der Wohnung ihres Ex-Mannes angetrunken, aber nicht betrunken ein Telefonat mit einer Bekannten, die sie beriet, wie sich die Situation der ehemaligen Schwiegermutter verbessern ließe. In der Wohnung angekommen, fanden sie die 86-Jährige erneut hilflos am Boden. D.-B. half ihr zurück aufs Sofa, der Sohn verließ die Wohnung. Was danach geschah, darüber gibt es nur die Aussagen der Pegida-Anhängerin und einige Indizien.
Nach einem Gespräch, bei dem die Rentnerin über ihre Einsamkeit geklagt habe und in dessen Verlauf es noch zu einer Umarmung gekommen sei, drückte D.-B. der älteren Frau ein Kissen auf Mund und Nase. Margarete Dietrich begann sich zu wehren, sie fiel vom Sofa. D.-B. ließ auch durch die Gegenwehr nicht ab, kniete sich auf den Rücken und drückte weiter zu, bis kein Lebenszeichen mehr vom Opfer kam.
„Münzwurf“
Danach startete sie einen WhatApp-Chat mit ihrem neuen Partner, in der sie anfing, die Tat zu bedauern. Sie habe sich „wie Gott“ aufgespielt. Aus der Tatsache, dass sich in dem zwei Stunden andauernden Chat nur ein Schreibfehler einschlich und sie gezielt auf Fragen einging, leitete das Gericht in seinem Urteil die volle Schuldfähigkeit ab. Das von der Verteidigung vorgebrachte Motiv Mitleid wurde nicht strafmildernd gewertet.

Für eine Verurteilung wegen Mordes fehlte dem Gericht die letzte Gewissheit, ob der Angriff heimtückisch im rechtlichen Sinne war. Dazu gab es keinerlei Erkenntnisse, wie überrascht und arglos das Opfer direkt vom dem Angriff war. Hätte D.-B. etwa davon gesprochen, die ältere Dame hätte die Augen geschlossen, sich weggedreht, hätte kein Weg an einer Verteilung wegen Mordes vorbeigeführt. Auch die beschriebene Umarmung hätte so gewertet werden können. Die Entscheidung hätte also gut anders ausfallen können. Rechtsmittel von Seiten der Verteidigung sind deshalb unwahrscheinlich.
Mit zehn Jahren liegt das Urteil mitten im Strafrahmen, der für Totschlag verhängt werden kann. Zu ihren Gunsten wurde das sofort abgelegte Geständnis gewertet, zudem die fehlenden Vorstrafen. Die Ziele waren zwar verwerflich, aber nicht egoistisch. Ums Geld ging es nicht, wie eine Münchner Zeitung damals kurz nach der Tat spekuliert hatte. Negativ fiel die Selbstherrlichkeit der Tat ins Gewicht, gegen den erkennbaren Lebenswillen des Opfers gehandelt zu haben.
Solidarität von den Gesinnungsgenossen
Die durchaus brutale Tat führte allerdings zu keiner Distanzierung der rechten Szene. Immer wieder posteten Weggefährten aufmunternde Botschaften auf ihre Facebook-Pinnwand. Die sonst nur auf Nationalität achtende rechte Szene forderte eine differenzierte Betrachtung der Einzeltat und die Anerkennung der Beweggründe. Der harte Kern ihrer Clique, identisch mit der zweiten Reihe der Pegida München-Aktivisten, verfolgte am Freitag das Urteil.

Die Tat entzieht auch einer vom Pegida München-Kopf Heinz Meyer teilweise verfolgte Argumentationslinie völlig den Boden. Um die Aussage bemüht, dass es in Deutschland ohne Ausländer sicherer wäre, stellte er bei einigen der unzähligen Pegida-Veranstaltungen die politisch motivierten Straftaten den Gesamtstraftaten von Nicht-Deutschen gegenüber, was natürlich zu einem kruden Missverhältnis führen musste. D.-B. Tat wäre nach der Systematik nicht in der Meyers Statistik aufgetaucht. Seine Ausführungen gipfelten in der Behauptung, ohne „Ausländer“ gebe es manche Delikte so gut wie überhaupt nicht mehr in Deutschland.
In vier Jahren wieder frei?
Weit über die extrem rechte Szene hinaus gibt es in sozialen Netzwerken durchaus harsche Kritik an den Mechanismen, die bei der Rechtsprechung seit Jahr und Tag angewendet werden. Die Strafen können nie hoch genug sein, Geflüchtete sollen für Lappalien abgeschoben werden. In Ferndiagnosen wird jeder Gedanke an strafmildernde Erkrankungen abgelehnt. Nun könnte aber mit D.-B. „eine der ihren“ davon profitieren, wie ihr der Richter am Ende der Urteilsverkündung vorrechnete.
Die Anordnung des Gerichts umfasst eine Unterbringung im Entzug nach drei Jahren Strafhaft. Unter Anrechnung der Untersuchungshaft hat sie weniger als zwei Jahre in der Justizvollzugsanstalt vor sich. In vier Jahren hätte D.-B. dann die Hälfte der Haftzeit abgesessen und könnte im bestmöglichen Verlauf, Entzug und guter Führung auf Bewährung freikommen. Das ist keine Kuscheljustiz, sondern Ausdruck eines Rechtssystems, das mit einem grundlegend positiven Menschenbild auf Resozialisierung und Besserung setzt, egal, wie sehr es in den sozialen Netzwerken dafür verdammt wird.