Kirchheim / ThüringenAbgeschirmtes Neonazi-Festival mit nur 220 Besuchern

Wenig los beim Dritten Weg in Kirchheim

Nach den kommerziellen Erfolgen der „nationalen Konkurrenz“ in Themar und Ostritz, veranstaltete auch die Kleinstpartei Der Dritte Weg am Samstag ein Festival, angemeldet als öffentliche, politische Versammlung. Im Rahmenprogramm wurde neben Rechtsrock auch Kampfsport beworben. Zu den Rednern zählte mit Wolfram Nahrath der letzte Bundesleiter der verbotenen Wiking-Jugend. Er gehört dem Verteidigerteam von Ralf Wohlleben im NSU-Prozess an. An die Mobilisierungserfolge der Szene konnte die Partei allerdings nicht anschließen. Die Veranstaltung in Kirchheim blieb eher im kleinen Kreis.

In den Tagen vor Samstag kannte die Webseite des Dritten Weges nur ein Thema: Das eigene Festival in Kirchheim mit dem martialischen Namen „Jugend im Sturm“. Wer sich für die Veranstaltung interessierte sollte bereits um 10 Uhr im Ort Kirchheim sein, günstig gelegen am Erfurter Autobahnkreuz. Um 11 Uhr sollte der Einlass beginnen, die Veranstaltung eine Stunde später. Einen Andrang und lange Schlangen, wie von den anderen Veranstaltungen bekannt, gab es zu keinem Zeitpunkt.

Beim ersten Presserundgang, den der Veranstalter nur mit Widerstand akzeptierte, kam der Eindruck auf, dass ein Großteil der Besucher sich schon vor dem offiziellen Einlass auf dem Gelände befand und die diversen Stände der Partei betreute. Auch am Nachmittag kamen kaum neue Besucher hinzu. Am Ende sollen in der Spitze laut Polizei 220 Teilnehmer zugegen gewesen sein.

Ideologisches Gegenstück zu Themar – „Raus aus der Szene“

Während Parteien wie die NPD Schwierigkeiten haben, ihre Anhänger zu klassischen Kundgebungen zu bewegen, scheint es beim Dritten Weg genau anders herum zu sein. Während es bei Demonstrationen deutlichen Zulauf gibt, blieb in Kirchheim die Mobilisierung selbst in den Reihen der eigenen Mitglieder schwach. Die Neonazi-Partei zog die eigene Veranstaltung, im Gegensatz zu den „Rechtsrock-Unternehmern“ Tommy Frenck und Patrick Schröder, allerdings bewusst unkommerziell auf.

Trat sowohl in Themar als auch in Kirchheim auf: Michael Regener genannt Lunikoff

Letztes Jahr hatte die Partei mit einer größeren Abordnung am Konzert in Themar mit seinen 6.000 Besuchern teilgenommen, das aber weitestgehend zur elitären Kritik an „der rechten Szene“ und ihrem Zustand genutzt. Die Teilnehmer seien bloß eine „Armee an Konsumenten“. Bei allem revolutionärem Gehabe und Sprüchen auf den Shirts seien sie in Wahrheit keine Gegner, sondern gerade Kinder des „Zeitgeistes“. Schon damals ließ die Partei verlauten, sie wolle extrem rechten Bands Auftrittsmöglichkeiten vor einem Publikum verschaffen, die den Inhalten der radikalen Texte auch „gerecht“ werde.

Bei den folgenden Veranstaltungen in Themar hielt man fest am kommerziellen Konzept, der Dritte Weg blieb diesen Veranstaltungen derweil fern. So gab es in Kirchheim auch keine Verkaufsstände der gängigen Szene-Versandshops. Es präsentierte sich ausschließlich die Partei mit ihren diversen „Arbeitsgemeinschaften“. Alles sollte so unkommerziell wie möglich wirken. Während auf der Bühne Wolfram Nahrath, der letzte „Bundesführer“ der verbotenen Wiking-Jugend und Verteidiger von Ralf Wohlleben, über das „Volks als Grundlage für Identität und Kultur“ sprach, gab es zehn Meter weiter (deutsche) Crêpes gegen Spende.

Verkaufsstand beim Festival mit Crepes

„Jugend im Sturm“ war das erste „Festival“ der Partei. Mit der Veranstaltung knüpfen die Parteikader um Matthias Fischer und Tony Gentsch an die früheren „Nationalen Frankentage“ des Freien Netz Süd an. Auch damals lieferte ein Krach den Anlass. Führende Aktivisten der neonazistischen Kameradschaftsszene hatte sich mit der NPD-Landesverband zerstritten und die Veranstaltung in Konkurrenz zu den inzwischen eingestellten „NPD-Bayerntagen“ organisiert. 2013 scheiterte das Freie Netz Süd zudem mit dem Versuch, in Unterfranken ein Festival mit dem Titel „Europa erwache“ abzuhalten.

Abgeschottete, «öffentliche» Veranstaltung

Das Gelände in Kirchheim kam dem Dritten Weg sehr entgegen. Die Partei hatte dort bereits ihre Bundesparteitage abgehalten. Obwohl als öffentliche Veranstaltung angemeldet, wurde es von Seiten der Veranstalter fast komplett abgeschirmt. Hinter einem ersten Bauzaun, der nicht immer dem Wind stand hielt, versperrte eine zusätzliche Holzwand neugierige Blicke.

Hinten im Bild: Als Sichtschutz wurden weitere Banner aufgestellt

Zu den höher gelegenen Nachbargrundstücken wurde die mögliche Sicht mit weiteren Bannern blockiert. Die zum Gelände gehörende Scheune bot zudem weitere Möglichkeiten, sich der Sicht von Presse und Behörden zu entziehen. Der Versammlungsleiter Tony Gentsch reagiert nicht nur auf den Rundgang für die Medien ungehalten, sondern auch, als gegen 14 Uhr das Ordnungsamt das Gelände erneut betreten wollte.

Es drängte sich der Eindruck auf, als wollten die Veranstalter alle Vorteile einer Anmeldung als Versammlung nutzen, sich aber den Pflichten und auch der Kontrolle entziehen. Die Neonazis wollten für sich sein. Ob die Polizei jederzeit Einblick in das Treiben auf dem Gelände hatte, ist unsicher.

Kampfsport als Rahmenprogramm

Zum bunten Programm der Veranstaltung zählte erstmalig auch der bei Neonazis immer beliebter werdende Kampfsport, wofür auf dem Gelände auch ein rudimentärer Ring aufgebaut war. Auch hier waren die Medien ausgeschlossen. Den Ansagen nach gab es vier sogenannte K1-Kämpfe. Kai-Andres Zimmermann, „Gebietsleiter Süden“, trat zu zwei Kämpfen an. Weitere Kämpfer kamen laut den Durchsagen aus Chemnitz und Nordhausen, aus dem Sauerland und von den „Stützpunkten“ Rheinhessen und Mittelsachsen.

Beim einzigen Boxkampf des Tages traten ein „Dennis aus Kaiserlautern“ und ein „Max aus Kaiserlautern“ gegeneinander an. Matthias Fischer, Stellvertretender Parteivorsitzender des III.Weg, lobte den Sport in einer Anspielung auf Hitlers „Mein Kampf“. Der sei bereits im „Bestseller aus Landsberg“ besonders erwähnt worden.

Ring für die Kämpfe

Zum Rahmenprogramm gehörten mit „Die Lunikoff-Verschwörung“, „Uwocaust“ und „Killuminati“ drei bekanntere Acts der „Szene“. Daneben trat auch die Liedermacherin „Varghona“ auf.

Gegen die Veranstaltung gab es aus der lokalen Zivilgesellschaft heraus mehrere Gegenveranstaltungen. An einem interkulturellen Picknick beteiligten sich laut Polizei etwa 60 Personen, später am Abend kamen 20 weitere Aktive zum „Politischen Dinner für Demokratie“ zusammen. Etwa drei Dutzend Personen radelten zudem mit einer antifaschistischen Radtour von Erfurt nach Kirchheim. Die Polizei stellte bei den Vorkontrollen insgesamt fünf Straftaten fest, darunter die Verwendung von Kennzeichnen verfassungswidriger Organisationen.

Für den 25. August ist laut Informationen von „Mobit e.V.“ in Mattstedt mit „Rock gegen Überfremdung III“ das nächste kommerzielle Festival der extrem rechten Szene geplant.

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Zuerst erschienen bei ENDSTATION RECHTS.