Eine ZusammenfassungProllcrew Schwandorf – Dominanzansprüche und extrem rechte Erlebniswelt

Rechtsrock - immer ein Spiel zwischen Verharmlosung und Drohung - Symbolbild

Lange bereisten die Neonazis der „Prollcrew Schwandorf“ überwiegend das In- und Ausland, um verschiedenen Rechtsrock-Events beizuwohnen. Mittlerweile sind sie selbst unter die Veranstalter gegangen: Ab Ende 2017 haben sie im Landkreis Schwandorf erstmals eigene Konzerte organisiert.

Es fand alles im Geheimen statt, streng abgeschirmt gegenüber der ahnungslosen Öffentlichkeit. Im Dezember 2017 und April 2018 hat die „Prollcrew Schwandorf“ mindestens zwei konspirative Neonazikonzerte organisiert, die jeweils rund 60 bis 80 Teilnehmer angezogen haben, darunter mehrheitlich Personen aus dem Rechtsrock-Spektrum. Das erste Konzert stieg kurz vor Weihnachten 2017 im Schwandorfer Ortsteil Klardorf, das zweite Event folgte mit knapp fünfmonatigem Abstand am 14. April 2018 in Steinberg am See.

Dabei konnten die Veranstalter durchaus prominente Gäste gewinnen, die in der Szene über Rang und Namen verfügen: Neben den Bands „Schanddiktat“ und „Germanium“, die beim zweiten Konzert auftraten, gab im Sportheim des TSV-Klardorf auch Martin Böhne sein Stelldichein. Böhne gilt als eine der bekanntesten Größen der neonazistischen Musikszene und ist Mitglied mehrerer Bands, z.B. in der Formation „Oidoxie“. Laut Recherchen verfügt diese über eine Nähe zu „Combat 18“, dem bewaffneten Arm des militanten (Musik)-Netzwerks „Blood and Honour“ (B&H), das in Deutschland seit 2000 rechtskräftig verboten ist.

Ursprünge liegen im «Widerstand Schwandorf»

Für die „Prollcrew“ markierte die Organisation dieser beiden Konzerte den vorläufigen Höhepunkt ihrer bisherigen Aktivitäten, die ursprünglich im Jahr 2012 begonnen haben. Nach dem langsamen Zerfall der Kameradschaft „Widerstand Schwandorf“ war die Gruppe damals als Versuch entstanden, die lokalen neonazistischen Aktivitäten in einer subkulturellen Organisationsstruktur neu zu bündeln. Das heißt: Im Mittelpunkt standen vermehrt interne Unternehmungen, weniger öffentliche Auftritte, wie bei klassischen Kundgebungen oder Demonstrationen.

Gruppen-Tattoo der Prollcrew Schwandorf – Foto: AfD Veranstaltung Amberg 2018-10-12

Nach außen präsentieren sich die 15 bis 20 Aktivisten bevorzugt als eine Art Freizeitclub, geeint durch eine gemeinsame Begeisterung für Sport sowie einen offenen Hang zur Militanz. In der Öffentlichkeit fallen sie teilweise durch ihre einheitlichen T-Shirts auf, die das Logo der Gruppierung zeigen: die Buchstaben „SPC“, gedruckt in Frakturschrift und umgeben von einem Lorbeerkranz. Immer wieder tauchen die Neonazis auch im Nachtleben auf, um gemeinschaftlich die dortigen Bars und Kneipen zu besuchen, um Präsenz zu zeigen und zu feiern, auch um die Gruppendynamik zu stärken. Das wiederum deckt sich mit ihrem territorialen Anspruch: „Unsere Stadt, unsere Regeln“ lautet denn auch das Selbstverständnis, das sie auf der Rückseite ihrer Shirts ungeniert zur Schau stellen.

Doch diese Unternehmungen sind lediglich ein kleiner, gemeinhin sichtbarer Teil ihrer tatsächlichen Umtriebe. Denn weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit bewegten sich ihre Mitglieder spätestens ab 2016 verstärkt in der neonazistischen Musik-Szene, zum Teil sogar auf internationaler Ebene. Allein zwischen 2016 und 2017 war die Gruppierung bei mindestens vier bedeutenden Rechtsrock-Konzerten, darunter zwei Events in Slowenien und der Schweiz. Beide Aktionen wurden im Vorfeld von den Veranstaltern streng konspirativ organisiert, offenbar auch um staatliche Exekutivmaßnahmen zu vermeiden. Zudem ist eine Delegation der „Prollcrew“ 2017 im thüringischen Themar aufmarschiert, abermals in einheitlichen T-Shirts gekleidet: Dort fand am 15. Juli das Rechtsrock-Event „Rock gegen Überfremdung“ statt, das mit 6.000 Besuchern in jüngerer Zeit das größte neonazistische Open-Air in Deutschland war.

Beteiligung aus der Oberpfalz am großen Konzert in Themar – Prollcrew Schwandorf

«Prollcrew»-Aktivisten bei Neonazi-Aktionen

Wirft man einen näheren Blick auf die Personen, die hinter der „Prollcrew“ stehen, können diese „Auswärtsfahrten“ kaum verwundern. So sind Simon G., Mitarbeiter eines örtlichen Tattoo-Studios, und Matthias E. beide bereits im Umfeld von neonazistischen Aktionen aufgefallen. G. war 2016 beispielsweise eigens nach Dortmund gereist, um sich mit 900 Neonazis am „Tag der Deutschen Zukunft“ zu beteiligen; E. hingegen fiel im selben Jahr in Wunsiedel auf, als er im November an einem Aufmarsch der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ teilnahm. Andere Personen wiederum offenbaren ihre Sympathie für die Szene auf Facebook, posieren in neonazistischer Kleidung oder nehmen Bezug auf einschlägige Musik.

Das wohl markanteste Profil unter den Aktivisten hat jedoch Christian W., seines Zeichens als Hobbyfußballer in der Region bekannt. Sein Profilbild zeigt ihn mit dem T-Shirt der „Prollcrew“, unterlegt ist die Aufnahme mit einem „Eisernen Kreuz“. Außerdem finden sich auf seiner öffentlichen Seite bis zurück ins Jahr 2011 mehrfach rechtsextreme Inhalte – z.B. ein Song der Nazi-Band „Sleipnir“ oder ein Bekenntnis zur rechtsextremen Hooligan-Band „Kategorie C“. Besonders pikant: W. hat als Wirt im Dezember 2017 (ohne Wissen des Vereins) im Sportheim Klardorf seinen Abschied gefeiert, als dort Martin Böhne aufgetreten ist. Angeblich war dieser als Überraschungsgast von seinen Freunden eingeladen worden, wie W. im Nachgang behauptete.

Screenshot – Posing der Gruppe auf ihrer inzwischen offline gestellten Facebook-Seite

Mit diesen Konzerten haben die Aktivitäten der „Prollcrew“ eine neue Eskalationsstufe erreicht, die als Zeichen ihrer regionalen Verankerung verstanden werden muss. Sie zeigen vor allem, wie eng die Gruppierung in das Rechtsrock-Milieu eingebunden ist. Traditionell agiert diese Szene äußerst klandestin, vieles läuft im Geheimen, unter dem Radar von Behörden und Öffentlichkeit. Es setzt folglich ein gewisses Vertrauen und einen gegenseitigen Respekt voraus, um dort als Teil der Gemeinschaft, ja sogar als Veranstalter eigener Konzerte akzeptiert zu werden. Das ist nur über gute Kontakte und Beziehungen möglich, die vermutlich über einen mehrjährigen Zeitraum gewachsen sind. Darüber hinaus setzt es eine enge Einbindung in die Region voraus, um geeignete Locations für die Konzerte anmieten zu können.

Schwandorf als neues Rechtsrock-Treffpunkt?

Auf besonderen Widerstand ist die „Prollcrew“ trotz dieser Umtriebe bislang nicht gestoßen. Im Gegenteil: Einzelne Aktivisten sind z.B. in Fußballvereinen aktiv, laut „Mittelbayerischer Zeitung“ treffe das im Raum Schwandorf auf mindestens vier Spieler zu. Am Beispiel von Christian W. zeigt sich, dass sie offensichtlich selbst dann nicht auf Schwierigkeiten stoßen, wenn sie sich außerhalb des Sports offen rechtsextrem präsentieren. Obwohl allgemein bekannt war, dass er einer radikal rechten Gesinnung anhängt, hatte das für ihn keine Konsequenzen. Mehr noch: Er durfte zeitweise sogar eine Kinder- bzw. Jugendmannschaft (mit)-trainieren. Die Vereine duckten sich lieber weg, bestanden maximal darauf, dass die Gesinnung aus dem Club rausgehalten wird. Von den Neonazis musste das als regelrechte Ermunterung verstanden werden, dass sie ungestört agieren können, ohne dass sich jemand für sie interessiert.

Konzerte dienen immer auch der Vernetzung, etwa mit Projekten, die inhaftierte Neonazis betreuen und in der Szene halten sollen. Solche Projekte sind quasi das Gegenstück zu Aussteigerprogrammen

Dabei ist das, was die „Prollcrew“ betreibt, alles andere als harmlos: Rechtsrock-Events sind immer mehr als reine Musikveranstaltungen. Die Teilnahme an solchen Konzerten dient einerseits der Stärkung der Gruppendynamik, insbesondere durch die Aura des Konspirativen, die die einzelnen Mitglieder zusammenschweißt. Andererseits wird über die Inhalte dieser Lieder eine weitere Ideologisierung und Radikalisierung der Zuhörer betrieben. Viele Songs haben die Funktion, das ideologische Fundament der Neonazis noch zu stärken, maßgeblich unterstützt durch die hochemotionale Form, die solche Events entfalten. Am Rande derartiger Auftritte spielt zudem die Vernetzung eine zentrale Rolle: Rechtsrock-Konzerte bieten hierbei eine Plattform, um sich untereinander kennenzulernen, sich auszutauschen und Aktionen zu koordinieren.

So besteht die reelle Gefahr, dass sich der Landkreis Schwandorf als beliebter Veranstaltungsort für Neonazi-Musik etablieren könnte. Durch die jahrelange Ungestörtheit hat die „Prollcrew““ dort jedenfalls einen Raum für sich, wo sie unbeeinträchtigt agieren kann. Einen Raum, wo sie Rechtsrock-Konzerte organisieren und offen zu ihrer Ideologie stehen kann, ohne auf größere Schwierigkeiten zu stoßen. Das sind für eine neonazistische Gruppe mit enger Einbindung in die Musikszene ideale Bedingungen, die sie ansonsten eher selten vorfinden.