Schwandorf vor 30 Jahren – Opfer des rassistischen Brandanschlags sind nicht vergessen

In Schwandorf jährte sich am 17. Dezember der rassistische Brandanschlag auf das Habermeier-Haus, der 1988 vier Todesopfer forderte. Das würdige Gedenken ist in Schwandorf mittlerweile fest etabliert – über Partei- und Konfessionsgrenzen hinweg.
Vor genau 30 Jahren geschah in Schwandorf das Unfassbare: In der Nacht des 17. Dezember 1988 steckte der 19-jährige Neonazi Josef Saller plötzlich das Habermeier-Haus in Brand, eine Immobilie im Herzen der Innenstadt, die mehreren Menschen als Wohnort diente. Mit seiner Tat hatte es Saller auf die „Türken“ abgesehen, die in dem Haus lebten, als Motiv gab er später an, er habe „Ausländer ärgern“ wollen. Das Feuer breitete sich damals rasend schnell vom Treppenhaus über das restliche Gebäude aus, die meisten Menschen wurden im Schlaf überrascht, ohne jede Vorwarnung. Viele Bewohner konnten sich zwar – zum Teil verletzt – aus den Flammen retten, doch für vier Menschen kam in jener Nacht jede Hilfe zu spät: Die Familie Osman (50), Fatma (44) und Mehmet Can (12) sowie Jürgen Hübener (47) starben noch im Gebäude.
Es war der erste rassistische Brandanschlag in Deutschland, noch vor den Attentaten in Mölln und Solingen. Doch die Tat war lange fast in Vergessenheit geraten, auch weil sich die Stadt über Jahre gegen ein sichtbares Gedenken gesträubt hatte. Inzwischen aber hat sich das geändert: Am Montag wurde zum 30. Jahrestag bei einer offiziellen Gedenkfeier unter städtischer Regie wieder an das Verbrechen erinnert. Neben Stadträten und lokalen Würdenträgern hatten sich auch Vertreter der beiden christlichen Kirchen, der türkisch-islamischen Gemeinde, der türkische Generalkonsul sowie Hinterbliebene eingefunden, um ein Zeichen zu setzen, dass die Erinnerung an die Verstorbenen lebendig bleibt.
„Opfer nicht vergessen“
„Wir haben die Opfer nicht vergessen, die bei diesem verbrecherischen Anschlag ihr Leben lassen mussten“, sagte 2. Bürgermeisterin Ulrike Roidl (SPD). Dieses abscheuliche Verbrechen habe sich „in unser Gedächtnis unauslöschbar“ eingebrannt, noch drei Jahrzehnte später sei man fassungslos, dass „so eine widerwärtige Tat bei uns geschehen konnte“. Doch die Ideologie, die damals zum Anschlag führte, sei noch nicht verschwunden, warnte Roidl: Es seien alle Bürger aufgefordert, „jeglichem Angriff auf die Menschenwürde mit Entschlossenheit entgegenzutreten“ – gerade vor dem Hintergrund, dass heute wieder Flüchtlingsunterkünfte angegriffen werden.
„In Schwandorf ist kein Platz für Ausgrenzung und Verachtung“, sagte Roidl. Schwandorf sei vielmehr eine „offene und tolerante Stadt, in der jeder Bürger, Gast oder Verfolgter geachtet und respektiert“ werde. Die jährliche Gedenkveranstaltung, die seit einem Stadtratsbeschluss im Jahr 2009 durchgeführt wird, unterstreiche das. Auch der türkische Generalkonsul Yavuz Kül aus Nürnberg konnte diese Aussage bekräftigen. Das Erinnern sei eine klare Botschaft, „dass kein Platz für Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus ist“, betonte der Diplomat. Attentate wie das in Schwandorf würden bei Migranten stets für große Verunsicherung sorgen, ja Ängste entstehen lassen. Die Gesellschaft sei aufgefordert, ihnen diese Ängste durch ihr Engagement zu nehmen.
Wichtiges Signal
Nach einem interkonfessionellen Friedensgebet versammelten sich die Teilnehmer dann gemeinsam vor dem einstigen Tatort, um vor dem dortigen Gedenkstein Blumen niederzulegen. Seit 2016 erinnert dieser Stein namentlich an die vier Opfer, er ergänzte damit eine Gedenktafel, die seit 2007 am Gebäude angebracht ist. Für Leyla Kellecioglu, die Hinterbliebene der Familie Can, war das eine wichtige Geste. „Vielen Dank“, sagte sie sichtlich gerührt in Richtung der zahlreichen Schwandorfer, die mit ihr an ihre Angehörigen erinnerten. Nach all den Jahren des Wegschiebens ist es für sie offensichtlich ein bedeutungsvolles Signal, dass in ihrer Heimatstadt endlich eine würdige Gedenkkultur entstanden ist, dass ihre Verwandten nicht einfach vergessen wurden.