Bundesweite Berichterstattung – Der NPD-Mediencoup von Amberg

Nach den Gewalttaten von Amberg war es selbst vielen überregionalen Medien einen Bericht wert, dass die NPD als Bürgerwehr durch die Stadt patrouilliert. Dabei ist dieses Auftreten nicht mehr als der billige Trick einer sterbenden Partei, um verzweifelt Aufmerksamkeit zu generieren.
Die Strategie ist aufgegangen. Nach der viel beachteten Gewalttat von Amberg war die NPD-Nürnberg wenige Tage später in die Stadt aufgebrochen, um dort auf Patrouille zu gehen. Im Internet posierten vier Aktivisten mit roten Warnwesten, dazu der Kommentar: „Wenn wir sagen ‚Schafft Schutzzonen in Amberg‘, dann meinen wir das auch so.“ An Selbstbewusstsein mangelt es den Neonazis offensichtlich nicht, und tatsächlich konnten sie mit der Taktik vielleicht zum ersten Mal einen kleinen Erfolg verbuchen, seit sie diese Aktionen veranstalten. Schließlich wurde nach der riesigen medialen Aufmerksamkeit bundesweit über die rechte „Bürgerwehr“ berichtet, zum Beispiel bei „Spiegel Online“, im „Stern“, in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ oder im Berliner „Tagesspiegel“.
Für den Preis einer Tankfüllung, vielleicht auch für den Preis einer Bahnfahrkarte erhielt die NPD damit öffentliche Aufmerksamkeit, die ihr lange verwehrt war. Doch leider bemerkten viele Medien nicht, dass genau das beabsichtigt war. Innerhalb der extremen Rechten hat das Auftreten als Bürgerwehr eine lange Tradition, es wird seit Jahren von unterschiedlichen Gruppen praktiziert – immer mit dem Ziel, das staatliche Gewaltmonopol schrittweise zu destabilisieren. Dazu sind aufsehenerregende Gewalttaten stets ein willkommener Anlass für die Neonazis, weil sie ihnen die Möglichkeit bieten, an ein bestehendes Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung anzuknüpfen und dieses im Sinne ihrer Ideologie weiter anzuheizen.

Bürgerwehr soll Bedeutungslosigkeit kaschieren
Es soll jeweils das Bild vermittelt werden, dass der Staat nicht länger imstande sei, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, dass nur neonazistische Gruppen noch die nötige Stärke hätten, diese Aufgabe zu übernehmen. Dabei ist das Auftreten als Bürgerwehr oder als „nationale Streife“ ein beliebtes Instrumentarium, auch um den tatsächlichen Zustand der fraglichen Gruppe zu überhöhen. Die Nürnberger NPD ist das beste Beispiel für diese Strategie: Politisch befindet sich die Partei seit langer Zeit in einem sterbenden Zustand, selbst unter den neonazistischen Kräften spielt „Der III. Weg“ vielerorts eine wichtigere Rolle. In Bayern verfügt sie aktuell weder über nennenswerte Strukturen noch war sie in den letzten Jahren in der Lage, größere öffentliche Aktionen auszurichten.
Der Landesverband hat sich nach verschiedenen innerparteilichen Querelen vielmehr bis zur weitgehenden Handlungsunfähigkeit zerschossen. Hinzu kommt, dass die Daseinsberechtigung der NPD zunehmend infrage steht, nachdem die AfD mit teilweise vergleichbaren Positionen parlamentarische Erfolge erzielt. Ihre Existenz als Partei ist deshalb heute mehr formaler Natur, findet aber keinen Niederschlag in öffentlichen Aktionen. Tatsächlich ist die sogenannte „Schutzzonen“-Aktion eine der seltenen Aktivitäten, mit denen die bayerische NPD überhaupt noch in Erscheinung tritt – hauptsächlich in Nürnberg, aber vereinzelt auch im oberfränkischen Bamberg.
Amberg beschert Aufmerksamkeit
Der Erfolg war zumindest bislang eher mäßig: In der Frankenmetropole spazieren die Neonazis zwar mit einer gewissen Regelmäßigkeit durch die Stadt, größere Aufmerksamkeit hat ihnen das jedoch nicht eingebracht, von der Lokalpresse einmal abgesehen. Erst nach dem Auftritt in Amberg hat sich das geändert, auch weil viele Medien leider bereitwillig berichtet haben, ohne die Inszenierung als solche zu hinterfragen. Natürlich stellen derartige Bürgerwehren im Einzelfall durchaus eine konkrete Gefahr dar, vor allem für diejenigen Menschen, die nicht in das rassistisch-antidemokratische Weltbild der Neonazis passen. Für sie kann es eine reale Bedrohungskulisse sein, die nicht unterschätzt werden darf, wenn Neonazis sich zum Hüter über Recht und Ordnung aufspielen. Die militante Neonazi-Partei „Der III. Weg“, die selbst regelmäßig „nationale Streifen“ durchführt, verfügt etwa über einige kampfsporterfahrene, teils wegen Gewaltdelikten vorbestrafte Aktivisten. Zudem muss bei Bürgerwehren nach Chemnitz immer die Gefahr beachtet werden, dass diese sich weiter radikalisieren – bis hinein in den rechtsterroristischen Bereich.

Es ist zweifellos wichtig, über solche Aktionen zu berichten. Aber es ist zwingend notwendig, nicht einfach die Patrouille zu vermelden, sondern die Hintergründe zu betrachten. Vor allem zwei Aspekte sind dabei besonders bedeutsam: Zum einen die Tatsache, dass „Bürgerwehren“ zwangsläufig ein offener Angriff auf das staatliche Gewaltmonopol sind, dass diese vermeintlich besorgten Herren also an der Zersetzung des demokratischen Rechtsstaates arbeiten. Sie unterminieren dafür gezielt das Vertrauen in Institutionen wie Polizei und Justiz, um letztlich Recht und Ordnung selbst in die Hand zu nehmen. Durch die Präsenz der Neonazis können so dann auch andere Menschen eingeschüchtert werden, die in ihrem Weltbild als Feinde betrachtet werden, beispielsweise Migranten oder Menschen, die sich für die Demokratie einsetzen. In der Konsequenz würde das, wenn man es zu Ende denkt, der Willkür Tür und Tor öffnen.
Kenntnisreiche Berichterstattung nötig
Zum anderen ist es eine zentrale Aufgabe von Journalisten, die Inszenierung der Neonazis zu hinterfragen, gegebenenfalls auch zu durchbrechen. Das erfordert ein solides Wissen über die extreme Rechte, um eine fundierte Einordnung treffen zu können. Im Fall der NPD bedeutet das: Man muss die Aktion unbedingt im Kontext ihrer politischen Gesamtverfassung betrachten und herausarbeiten, dass es sich um das verzweifelte Aufbäumen einer sterbenden Partei handelt, die um jeden Preis Aufmerksamkeit generieren will. Journalisten sind gut beraten, diesem abwegigen Selbstbild der vermeintlich starken Ordnungshüter nicht auf den Leim zu gehen. Sonst bedienen sie ungewollt genau die Bilder, die die Neonazis – mittels Medien – transportieren möchten.