Völkische, islamfeindliche Anfragen im LandtagDer „gemäßigte“ Franz Bergmüller

Franz Bergmüller 2015 auf einer Demonstration der AfD in Freilassing. Archivbild

Er ist im Zerwürfnis der AfD Bayern und der Landtagsfraktion der Gegenpart zur bayerischen Flügel-Frontfrau und Fraktionsvorsitzenden Katrin Ebner-Steiner. Der Rosenheimer Gastronom, Metzgermeister und Unternehmer Franz Bergmüller. Er sieht sich selbst als bürgerlich und liberal denkenden und handelnden Politiker. In manchen Medienberichten wird der Konflikt deshalb zum Kampf zwischen Hardlinern und Gemäßigten gedeutet. Aber verdient Bergmüller diese Bezeichnung? Ein Blick in die von ihn gestellten Anfragen im Bayerischen Landtag lässt deutliche Zweifel aufkommen.

Franz Bergmüller ist von allen AfD-Abgeordneten Spitzenreiter bei der Nutzung des Fragerechts. Mitte August waren im öffentlichen Informationssystems des Bayerischen Landtags 73 Schriftliche Anfragen verzeichnet. Tatsächlich dürfte er noch einige mehr gestellt haben, da die Antworten der Staatsregierung immer mit einiger Verzögerung für die Öffentlichkeit freigegeben werden. Hinzu kommen noch sogenannte Anfragen ohne Drucklegung, die nie im System erscheinen.

Aber Quantität ist nicht gleich Qualität. Von den zahlreichen Anfragen führten nur die wenigsten zu einer Pressemitteilung von ihm selbst, eines Kollegen oder der Fraktion. Zwei Antworten griffen die Medien von sich auf. Bergmüller geriert sich wie der heimliche Fraktionsvorsitzende und beschränkt sich bei den Themen, zu denen er nachfragt, weder auf die Bereiche, in denen er Sprecher der Fraktion ist, noch auf den Stimmkreis oder Bezirk.

Auch scheint es kaum eine Koordination innerhalb der zerstrittenen Fraktion zu geben. So gibt es von ihm und von Richard Graupner Anfragen zum Urteil im Prozess um die vier Asylbewerber von Amberg, beide nur wenige Tage auseinander. Nur vier Tage liegen zwischen den Anfragen wiederum von Bergmüller und Graupner zur Störung eines Gottesdienstes in einer Münchner Kirche. Und auch zu angeblichen Jugendbanden in Würzburg stellen beide mit wenigen Tagen Unterschied jeweils eigene Fragenkataloge an die Staatsregierung. Beim Thema Straftaten gegen Kirchen fragen Bergmüller und das Duo Ferdinand Mang und Katrin Ebener-Steiner fast parallel an.

Völkische Fragerichtungen samt Eigentor

Von besonderer Bedeutung ist eine erst kürzlich veröffentlichte Antwort der Staatsregierung auf eine Anfrage von ihm zu einer Vorfall in Germering. Dort hatte ein Mann eine Frau bereits in der S-Bahn bedrängt und dann weiter auf dem Bahnsteig. In den Medienberichten waren nur Alter und Geschlecht angegeben und dass der Täter aus München stammen soll.

Wie es in sozialen Netzwerken beinahe üblich geworden ist bei extrem rechten Kommentatoren, wollte Bergmüller nun nicht nur die Staatsbürgerschaft wissen (das wäre ein rechtliches Kriterium), sondern typisch völkisch Geburtsland, Vorname und wo Täter und Opfer aufgewachsen sind. Zudem interessiert ihn die Art und Weise, wie die Frau „vulgär“ angesprochen wurde.

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich aufzumalen, dass Bergmüller hier wohl auf einen eingebürgerten Geflüchteten setze, der von Sozialleistungen lebt, vielleicht mit arabischem Vornamen und die unter extrem Rechten seit den Ereignissen der Kölner Silvesternacht oft kolpotierte „Ficki,Ficki“-Äußerung.

Bergmüller wurde aber übel enttäuscht. Der Tatverdächtige ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, sein Opfer eine gebürtige Afghanin, mit mittlerweile deutschem Pass. Die Vornamen verweigert die Staatsregierung zurecht mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte. Der Täter hat einige Einträge im BZR, darunter Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Der Fall machte vor allem Schlagzeilen, weil anwesende Passanten der bedrängten Frau nicht helfen wollten. Einem 59-Jährigen erwartet hier ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung.

Eigentlich verbieten sich Frage und Antwort mit Blick auf das belästigte Opfer

Auch bei anderen Anfragen, etwa zu Linksextremismus, „christophobischer Vorfälle“ und Tätern, bei denen eine psychische Erkrankung zur Schuldunfähigkeit führte, will er in typisch völkischer Intention den Vornamen wissen, was entweder nicht gespeichert oder aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes verweigert wird.

Umkehr des Rechts

Einen völkischen und gänzlich illiberalen Gedanken bringt Bergmüller auch in einer Anfrage ein, die er „Erosion in das Vertrauen in den Rechtsstaat“ nennt. Er stellt dort Urteile gegen beim Diebstahl erwischte Senioren mit angeblich zu lasch behandelten Migranten. Ohne Fakten, allerdings mit Rainer Wendt als vermeintlichem Kronzeugen. In einer Zwischenüberschrift unterstellt der AfD-Politiker eine „Ideologische Justiz“. In einer Frage bringt Bergmüller eine gesetzliche Strafverschärfung für „Fremdländer“ ins Spiel. Er nennt es „Missbrauch der Gastfreundschaft“ und fragt die Staatsregierung nach ihrer Haltung. Die lehnt ein solches Ansinnen vehement ab, die Erklärung klingt nach einer Nachhilfe für den 55-jährigen Unternehmer in Sachen Rechtsstaatlichkeit.

„Die Pflicht, die im Staatsgebiet geltenden Strafrechtsnormen zu befolgen, gilt in gleichem Maße für alle sich hier auf- haltenden Personen und ungeachtet der Staatsangehörigkeit der Täter. Die Ausländereigenschaft als solche rechtfertigt keine Ungleichbehandlung, denn dieser Umstand beeinflusst weder das Unrecht der Tat noch die Schuld des Täters.“

Fragwürdige Passagen aus Bergmüllers Anfragen an die Staatsregierung

„Fremdländer“ ist allerdings von der Bedeutung her auch mehr als der „Ausländer“. Es steht für Exot, dürfte eher für Personen optisch von anderen Kontinenten Verwendung finden als für den europäischen Nachbarn und damit den Denkmustern der neuen Rechten entgegenkommen.

Bekämpfung einer Weltreligion

Eine ähnliche Nachhilfestunde erhält er in einer auf seine Anfragen vom 22. April. Hier will er wissen, ob es zutrifft, dass die Staatsregierung nur den „politischen Islam“ und nicht „den Islam“ an sich bekämpfen möchte. Hier antwortet die Staatsregierung:

„Die deutlich überwiegende Mehrzahl der muslimischen Mitbürger übt ihre Religion friedlich aus und respektiert die vom Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland vorgegebene Werteordnung. Sie genießen das Recht auf freie Religionsausübung, das durch Art. 4 Grundgesetz geschützt wird. Die Glaubens- und Religionsfreiheit ist eine der Grundlagen unserer freiheitlichen Ordnung. Sie gewährleistet dem Einzelnen und seiner Glaubensgemeinschaft die grundsätzlich ungestörte Ausübung seiner Religion und verbietet Ungleichbehandlungen allein wegen des Glaubens und der religiösen Überzeugung.“

Auswahl sonstiger Fragen Bergmüllers an die Staatsregierung

Zudem fordert er die Staatsregierung auf, religiöse Texte zu interpretieren und zu bewerten. Das wäre ebenfalls ein schwerer Eingriff in die Religionsfreiheit, weshalb das antwortende Innenministerium das Ansinnen komplett ablehnt.

Und auch in einer Anfrage zu IS-Rückkehrern bemüht sich Bergmüller um das Framing, das übrigens Personen wie Michael Stürzenberger in der Verfassungsschutzbericht gebracht hat. Er fragt das Innenministerium, ob im Ausland begangene Taten wie Völkermord, Sklaverei und Kreuzigungen in Deutschland geahndet werden können und betont hier jeweils, selbst wenn sie „nach den Regeln des Korans“ begangen worden seien. Die Staatsregierung gibt auch hier wieder Nachhilfe zur Anwendung des deutschen Strafrechts und des Völkerstrafrechts, ohne auf die muslimfeindliche Intention der Fragestellung einzugehen.

Für Bergmüller gibt es keine Flüchtlinge

Zwei Persönlichkeiten zeigt der Rosenheimer auch beim AfD Leib- und Magenthema Flüchtlinge. Während er in einer Pressemitteilung zu den Vorgängen in Amberg betont, nichts gegen die Menschen zu haben, die wirklich Schutz bräuchten. Hilfe für Menschen in Not sei eine Selbstverständlichkeit. Er sei nur gegen diejenigen, die nicht verfolgt würden und hier Straftaten begingen. In den Anfragen zeigt sich ein anderer „Bergmüller“. Seit geraumer Zeit durchzieht die Formulierung „die die Staatsregierung als `Flüchtlinge` bezeichnet“ seine Anfragen, die allen Geflüchteten pauschal abspricht, verfolgt zu werden.

Vor einigen, allerdings auch nicht vor allen Antworten stellt die Staatsregierung der klarstellenden Hinweise voran: „Vor Beantwortung der Schriftlichen Anfrage des Abgeordneten Franz Bergmüller (AfD) darf klargestellt werden, dass die Staatsregierung nicht, wie vom Abgeordneten Franz Bergmüller (AfD) behauptet, „Personen als Flüchtlinge bezeichnet“, sondern aus- schließlich solche Personen darunter fasst, die tatsächlich Flüchtlinge sind.

Auch wenn Bergmüller sich in seinen Reden im Landtag und in der Tonlage seiner Pressemitteilungen nicht völkisch, rassistisch, islamfeindlich oder pauschal geflüchtetenfeindlich zeigt, wie weite Teile der AfD, kehrt er doch diese Seite in seinen Anfragen nach vorne. Diese Seite ist weder bürgerlich noch liberal, sondern Markenkern der AfD. Von „gemäßigt“ kann mit Blick auf seine Anfragen nicht die Rede sein.