Werk KodexSchrieb eine hohe Funktionärin der Junge Alternative Bayern für ein Neonazi-Magazin?

Kathrin Filser mit Vorstandkollegen beim Konservatismuskongress der JA Bayern in Prichsenstadt

Wir haben zu einer Funktionärin der Partei und Jugendorganisation recherchiert, die einem ganz rechts außen angesiedeltem Projekt zugearbeitet haben und damit für den Verfassungsschutz von Bedeutung sein könnte. Mit journalistischen Mitteln ist das allerdings nicht endgültig zu belegen.


Heute stellt der bayerische Innenminister den Verfassungsschutzbericht für das erste Halbjahr des Jahres 2019 vor. In der Ankündigung dominierte der Verweis auf die Bedeutung der sozialen Medien. Es ist auch die erste schriftliche Stellungnahme seit der Aufnahme des Flügels und der Jungen Alternative als Beobachtungsobjekte. Wie umfangreich der Beitrag ausfällt, ist noch nicht bekannt.

Neonationalsozialistisches Projekt

Anfang Juli listete der Tagesspiegel einige extrem rechte Organisationen und Projekte auf, die nach dem Mord an Walter Lübcke verstärkt ins Visier der Behörden geraten könnten. Neben Combat18 und einigen anderen eher überraschend mit dabei war das Zeitschriftenprojekt Werk Kodex, das maßgeblich vom NPD-Politiker Tobias Schulz alias Baldur Landogart betrieben wird. Aufgefallen ist das Projekt vor allem deshalb, weil der Diplomdesigner Unterstützung durch die 68er-Ikone Rainer Langhans erfährt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz klassifiziert das Projekt als „neonationalsozialistisch“ und spricht im aktuellen Bericht von einer völkisch-rassistischen Schrift.

Haverbeck, Schaub, Schlimper und andere: Eindeutige Autorenlisten. Screenshot Facebook

Von Dezember 2018 bis Februar 2019 wurden auf der Facebook-Seite der rechtsextremen Zeitschrift 72 Tageskommentare veröffentlicht. Unter den Autoren finden sich Namen von bekannten Kadern der extremen Rechten, etwa der des Anwalts Björn Clemens, von Frank Kraemer (Stahlgewitter) oder der NPD-Politikerin Ariane Meise. Für zehn dieser Beiträge zeichnet eine „Kathrin Filser“ verantwortlich.

Tageskommentar mit mutmaßlicher Binnensicht auf die AfD

In der bayerischen AfD ist ebenfalls eine Kathrin Filser aktiv. Sie wurde im Januar erneut als stellvertretende Landesvorsitzende in die Spitze der AfD-Jugend Junge Alternative gewählt und ist Schatzmeisterin im nach rechts gedrifteten AfD-Kreisverband Weilheim-Schongau. Als Teil des Vorstandes der JA war Filser auch von den Durchsuchungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft betroffen, die wegen der Terror-Inszenierung vor der CSU-Landeszentrale durchgeführt wurde. Die JA hatte sich auf Facebook dazu bekannt. Filser gab zur Razzia der extrem rechten Plattform Ein Prozent ein Interview (dort geführt als Katrin Filser). Für ein Videoprojekt der JA interviewte sie – wohl unter falscher Flagge – Gegendemonstranten zum AfD-Parteitag in Augsburg, darunter auch Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth.

Filser interviewt Claudia Roth. Das Mikro hat keine Kennzeichnung, Roth antwortet nicht so, als ob sie wüsste, eine Vertreterin der JA vor sich zu haben. Screenshot Facebook

Sind nun beide Personen, die Autorin bei Werk Kodex und die AfD-Funktionärin identisch? Soweit das öffentlich ersichtlich ist, hat die AfD-Funktionärin keinen Beitrag der Autorin „Kathrin Filser“ noch sonst einen Beitrag von Werk Kodex geteilt, gelikt oder kommentiert. Auf Instagram folgt Filser sowohl dem Projekt als auch Herausgeber Landogart. Tageskommentar 33 vom 10. Januar klingt nach einer Person, die die AfD von innen kennt. Dort heißt es, es „gebe viele, gute nationale Kräfte in der AfD“, aber die sollten sich angesichts von Ausschlussverfahren und Ämtersperren fragen, „ob es nicht langsam Zeit wäre, seinen Hut zu nehmen, um noch in die Spiegel schauen zu können. Der Beitrag endet pessimistisch.

ENDSTATION RECHTS.Bayern hat vor einigen Tagen die AfD Bayern Junge Alternative Bayern als auch Baldur Landogart von Werk Kodex um Bestätigung oder Dementi gebeten. Antworten bleiben aber bisher aus.

Kontakt vor, während und nach Veröffentlichung der fraglichen Kommentare

Unabhängig davon ist klar: Die Funktionärin Kathrin Filser und Baldur Landogart kennen sich und tauschen sich gelegentlich auf Facebook aus.

Am 28. März besprachen beide das neue Lied von Rammstein, „Deutschland“. Filser fand es bis zur zweiten Strophe okay. Danach kreist die Frage eher darum, was die Band als „Deutschland“ sehe. Beide befürchten unisono nur die „BRD“. Hier scheinen sich die AfD-Politikerin und der NPD-Mann einig zu sein in einem anderen „Deutschland“-Bild.

Fahne in Schwarz-Weiß-Rot, Deutschland im Kommentar. «In Treue Fest» ist Wahlspruch des Hauses Wittelsbach und gilt als nicht NS-belastet. Filsers Parteikollege Ralf Stadler hielt das Motto für einen «SS-Spruch». Das Bild bekam Likes von einigen JA-Funktionären. Screenshot Instagram

Am 7. Mai wurde es vulgär. Als sich der NPD-Mann über ein semi-prominentes Model echauffierte, klassifizierte Filser die Frau, die gelegentlich auch für Tichys Einblick schreibt, mit „dumm wie ein Pfund Brezensalz“. Das rechtsaffine „Sternchen“ hatte im Nachgang des Flügel-Treffens von Greding Anfang Mai gegen Höcke ausgeteilt und „Nazi-Wichser“, die gerne die erste Strophe des Deutschlandliedes singen würden, aufgefordert, ihre Seite zu verlassen.

Aufschlussreich ist auch ein Beitrag vom 14. Oktober letzten Jahres. Gauland und Höcke hatte sich den Groll des NPDlers zugezogen mit Aussagen, die von ihm als Abgrenzung verstanden wurden. Filser kommentierte damals, sie sehe die AfD auf das Schicksal der NPD Ende der 1960er Jahre zusteuern bzw. auf das der Republikaner. Das Problem sei das ständige Bedürfnis, sich von anderen Rechten distanzieren zu müssen oder gar zu wollen. Sie dagegen würde sich „niemals von aufrechten Patrioten oder Nationalen distanzieren“.

Werk Kodex Herausgeber Tobias Schulz – Baldur Landogart bei seiner Rede in Ostritz

Ob Filser die Autorin der Tageskommentare ist, ist mit journalistischen Mitteln ohne Bestätigung der beteiligten Personen nicht zu beweisen. Unabhängig davon unterhält Filser über die Kommentare auf dem Profil von Landogart in nur für Freunde sichtbaren Bereich problematische Kontakte für die Funktionärin einer Organisation, die die Behörden gerade davon überzeugen wollte, auf dem Boden der Verfassung zu stehen.

Landogart sollte sich um NPD-Bundesvorsitz bewerben

Tobias Schulz ist nicht einfach nur ein ehemaliger NPD-Funktionär und Mediengestalter. Im Dezember 2014 wurde er in den nach den Rücktritten ausgedünnten Landesvorstand der NPD Bayern gewählt, bereits ein Jahr später wurde er Beisitzer im NPD-Bundesvorstand und dort zuständig für Öffentlichkeitsarbeit. 2014 führte ihn der Landkreis Traunstein noch auf seiner Seite in der Kategorie „Bildende Künstler“. Werk Kodex ist über die Adresse von NPD-Bundesvize Thorsten Heise in Fretterode zu erreichen. Gemeinsam mit ihm rief er den „Völkischen Flügel“ für die radikalsten Mitglieder in der rechtsextremen NPD ins Leben. Nachdem Heise wegen anderer Projekte abgewunken hatte, erneut gegen NPD-Parteichef Frank Franz zu kandidieren, sollte Landogart nach seinem Willen antreten. Er warf aber im Juni hin und gab zudem den Posten im NPD-Bundesvorstand auf. Im Januar trat er zusammen mit dem „Volkslehrer“ Nikolai Nerling in Berlin auf, in Ostritz hielt er eine dezidiert völkische Rede mit antisemitischem Einschlag.

Mit «Volkslehrer» und Verschwörungstheoretikern feiern gewesen

Kontakt mit Nerling hatte auch schon Filser. Der Berliner erschien spontan zu einer Kundgebung der AfD / Kandel ist überall im oberbayerischen Lenggries. Im Nachgang entspann sich eine Diskussion zwischen Nerling und Michael Stürzenberger, der Redner auf der Versammlung war. Die zunächst in lockerer Atmosphäre geführte Diskussion wechselte schnell auf einen ernsten Charakter, als der PI-News-Autor merkte, dass er von mehreren Verschwörungstheoretikern umgeben war, die etliche Themen von der „Gutjahr-Verschwörung“, über die angebliche Sprengung der Brücke von Genua bis hin zu 9-11 als „inside job“ in die Diskussion warfen, um Stürzenbergers Fokussierung auf die «Islamisierung» herauszufordern.

Filser feiert nach der Kundgebung mit Nerling und anderen . Screenshot Youtube (inzwischen gelöscht)

Filser, die Teile der Diskussion verfolgte, stellte sich mit dem Einwurf, die Medien hätten schon vor dem Einschlag des Flugzeugs die beiden Türme gefilmt, auf die Seite der „Truther“. Stürzenberger brach die Diskussion ab. Die meisten AfD-Funktionäre zogen weiter und holte sich beim Alten Wirt ein Hausverbot. Mit einer Pressemitteilung traten sie einen Shitstorm los, der in der Androhung körperlicher Gewalt gegen das Wirtsehepaar mündete. Filsers Name stand nicht auf dem Posting. Sie war unterdessen mit Nerling und einigen anderen, auch Verschwörungstheoretikern feiern gegangen.

Hinweis: Filser wurde im Januar als stellvertretende Landesvorsitzende wiedergewählt. Im März verfasste sie noch Kurzkommentare für die Facebook-Seite der Junge Alternative Bayern. Auf der Homepage fehlt ihr Name bei der individuellen Vorstellung der Vorstandsmitglieder. Über einen freiwilligen oder unfreiwilligen Rückzug von dem Amt liegen weder uns noch den Behörden Erkenntnisse vor. Die fragwürdigen Tätigkeiten fielen alle in den Zeitraum, in dem sie dem Landesvorstand angehörte.

Mit Material der ERDLINGE