Wunsiedel – NSU-Opfer bei Neonazi-„Heldengedenken“ verhöhnt

Ohne hörbaren Widerspruch entlang der Strecke konnte die Neonazi-Partei III.Weg gestern in Wunsiedel ihre als „Heldengedenken“ titulierte Demonstration durchführen. Der Parteivorsitzende Klaus Armstroff griff das Gedenken an die Opfer des NSU an. Der Comic-Künstler Nils Oskamp sorgte zumindest mit Plakaten für eine stille Intervention entlang der Strecke, die die Neonazis spürbar nervte. Nachdem Ordner einen Fotografen attackierten, riegelte die Polizei die Abschlusskundgebung gegenüber Pressevertretern ab.
Dieser Staat setze nicht mehr den eigentlichen „Helden“ Denkmäler, sondern pflanze mittlerweile Bäume für Drogendealer. Mit dieser Anspielung zielte der Parteivorsitzende der neonazistischen Kleinstpartei, Klaus Armstroff, offensichtlich auf die Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds ab. Zu deren Gedenken wurden in Zwickau kürzlich Bäume gepflanzt. Eine zur Erinnerung an Enver Şimşek, dem ersten Mordopfer, errichtete Eiche, war kurz vorher abgesägt worden. Bei den jahrelang in die falsche Richtung geführten Ermittlungen der Ceska-Mordserie vermuteten die Behörden bekanntlich lange einen Bezug zu kriminellen Geschäften. Armstroff griff die Gerüchte, mit der Opfer und Angehörige kriminalisiert wurden, offensichtlich nur zu gerne auf und verhöhnte sie damit aufs Neue.

Nachdem vor fünf Jahren die Bilder vom unfreiwilligen Spendenmarsch „Rechts gegen Rechts“ um die Welt gingen, haben die Neonazis vom III.Weg umgeplant. Statt mittags geht es jetzt erst am späten Nachmittag los. Die Dunkelheit verstärkt nicht nur die Wirkung der Fackeln, sie blendet auch bildliche Interventionen von außen größer aus, denn die könnten Sinn und Zwecke aus Sicht der Veranstalter zunichtemachen.
Bejahung von Rassedenken
Die Neonazis verfolgen mit dieser Veranstaltung vor allem die ideologische Bestärkung der eigenen Anhängerschaft. Deshalb dürfte es ihnen Jahr für Jahr ganz recht sein, wenn sich die politischen Gegner weit weg am Marktplatz sammeln. Die Strecke, die seit ein paar Jahren angemeldet und akzeptiert wird, ist an sich denkbar unattraktiv, führt durch ein Wohngebiet nördlich des ehemaligen Bahnhofs. Vorbei scheinen die Zeiten, als die Neonazis unbedingt in die Innenstadt wollten.

Dementsprechend krude, völkische und rassistische Vorstellungen gaben auch die anderen Kader der Partei in den Reden von sich. Walter Strohmeier bemühte sich um die wissenschaftliche Begründung von Rassendenken. Der Mensch sei kein „Produkt der Zufälligkeit und völlig beliebig“– eine Absage an den Individualismus – und schon gar nicht gleich. Das sei Verleugnung der Wissenschaft und naturwidrig. Strohmeier nannte das „biologische Wirklichkeiten“. Eine davon: Blut ist dicker als Wasser. Besonders das hätte einen Einfluss auf das Wesen des Menschen.
Gemäß der völkischen Vorstellung, wonach Geschichte und Gesellschaft nichts anderes als ein gewaltiger „Kettenbrief“ sei, gelte es Land, Kultur und Blut zu erhalten und von einer Generation an die nächste weiterzugeben. Der Liberalismus sei der Hauptgegner jedes wahren Deutschen. Strohmeier äußerte Sympathien für verurteilte Holocaust-Leugner, für ihn angebliche „wahrheitssuchende Historiker und Forscher“, tatsächlich aber meist reine Hitler-Apologeten und Neonazis.
Für Julian Bender, Gebietsleiter West, wurde 1918 der angebliche „Vernichtungskrieg gegen das deutsche Volk nur auf eine andere Basis gestellt, die grausamer gewesen sei als der [Erste] Weltkrieg.“ Extreme Rechten konstruieren mit allen Mitteln einen „Anti-Germanismus“, um vom mörderischen Antisemitismus ihrer „Helden“ abzulenken, der in die Shoa führte.
Polizei lässt keinen Protest in Hörweite zu
Diese kruden Vorstellungen konnten auch deshalb ihre Wirkung bei den etwa unter 200 Teilnehmern voll entfalten, weil es so gut wie keinen hörbaren Widerspruch vor Ort gab. Einer Antifa-Demo mit etwa 250 Teilnehmern wurde eine Kundgebung in Hörweite untersagt. Entlang des Weges blieb es ruhiger als in den letzten Jahren. Das örtliche Bündnis beklagte, es hätte gerne etwas bunter und bemerkbarer entlang der Strecke Flagge gezeigt, was vor allem von Seiten der Polizeiführung abgelehnt worden sei. So blieb es bei einem Nachbarn, der bei der Auftaktkundgebung von seinem Balkon aus die Versammlung mit der Melodie der sowjetischen / russischen Hymne beschallte.

Stiller Protest kam wie im Vorjahr in Form von Plakaten aus der Feder des Comicbuchautoren Nils Oskamp. Letzter Jahr säumten die Strecke Plakate mit „Adolf Duck“. Dieses Jahr wurden die Neonazis mit einem auf Hitler getrimmten Frühstücksei im Becher und dem Slogan „Deutschland erwache – Frühstück ist fertig“ konfrontiert. Die Plakate zeigten eine gewisse Wirkung. An einigen Stellen entlang des Weges versuchten Ordner zu verhindern, dass Fotografen Aufnahmen machen konnten, die den Fackelzug gemeinsam mit dem Ei abbildeten.
Neonazi-Ordner werden für Provokationen von der Einsatzleitung der Polizei belohnt
Am Freitag veröffentlichen über 450 Einzelpersonen, Redaktionen und Verbände gemeinsam den Aufruf „Schützt die Pressefreiheit“. Dabei ging es um die Solidarisierung mit drei von Neonazis aktuell bedrohten Journalisten, aber auch um besseren Schutz für Medienschaffende bei extrem rechten Demonstrationen. Auch Wunsiedel lieferte wieder einige Beispiele. Gerade der III. Weg setzt seine Ordner und die ihnen zugestandene Bewegungsfreiheit gezielt dafür ein, Journalisten bei der Arbeit soweit es geht zu behindern.
Kolleginnen und Kollegen berichteten dem Bayerischen Journalisten-Verband (BJV) gegenüber, der auch mit einem Vertreter vor Ort war, von Beinstellen, Anrempeln und gezieltem Sichtversperren. Ein Videojournalist wurde während der Reden vom Platz an der Bühne verdrängt und von den Ordnern ans Ende der Kundgebung verbannt. Auf dem Weg zur Abschlusskundgebung wurde ein Fotograf von mehreren Ordnern zunächst behindert und dann körperlich bedrängt.

Nach den Erfahrungen von ENDSTATION RECHTS.Bayern stellen sich Einsatzkräfte in Bayern hier so gut wie immer auf die Seite der Neonazis und drohen den Medienvertretern unter dem Vorwand, sie hätten „provoziert“, mit Ausschluss von der Kundgebung. Auch in Wunsiedel ging die Taktik wieder auf. Die Einsatzleitung sperrte kurzerhand den Zugang zur Versammlungsfläche für Journalisten ab und diese aus. Von einer unabhängigen Dokumentation, wie sie das Versammlungsgesetz eigentlich vorsieht, kann hier keine Rede mehr sein.
Gerade in diesem Jahr haben die oft gescholtenen Polizeistellen in Sachsen und Thüringen gezeigt, dass es auch anders geht. Bei den Neonazi-Festivals in Ostritz und Themar setzen sie den freien Zugang für Medienvertretern zu den als Versammlungen titulierten Konzerten sehr zum Leidwesen der dort anwesenden Neonazis konsequent um.
Letztes Jahr kam es unter den Augen der Einsatzkräfte auch zu einer Körperverletzung einer Gegendemonstrantin durch einen Ordner der Neonazi-Partei, die von den Beamten nicht erkannt wurde. Innenminister Herrmann hat sich mittlerweile bei dem Opfer für das Verhalten der Polizisten entschuldigt. Der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter steht demnächst an.
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