Früherer Landesvorsitzender und stellvertretender Bundesvorsitzender – Karl Richter tritt aus NPD aus

Am Gründonnerstag, wenige Woche nach dem für Richter enttäuschenden Abschneiden bei der Kommunalwahl und dem damit verbundenen Schlussstrich unter seine Zugehörigkeit zum Münchner Stadtrat, trat der frühere NPD-Landesvorsitzende aus der Partei aus.
Richter begründet seinen Schritt damit, dass die NPD nicht mehr zu dem tauge, wozu Parteien seiner Sicht nach da seien: den politischen Kampf. Auch an ihm ging nicht vorüber, was eigentlich schon länger zu beobachten war: Dort, wo die AfD antritt, gibt es für die 1964 gegründete mittlerweile Kleinstpartei NPD nichts mehr zu holen. Weder Mandate, noch Gelder und an vielen Orten nicht mal mehr ein Prozent der abgegebenen Stimmen. Richter machte auf – für ihn bittere Art und Weise – nun doppelt diese Erfahrung. Dem 57-Jährigen ging es in seinem letzten Wahlkampf um den Wiedereinzug in den Münchner Stadtrat. 0,2 Prozent der Stimmen bedeuteten den letzten Platz unter allen zur Wahl zugelassenen Vorschlägen. Das alte Mittel der Provokation zahlte sich für ihn nicht mehr aus. Richter veranstaltete zusammen mit dem Kopf des verbliebenen Pegida-München-Grüppchens, Heinz Meyer, beinahe täglich Dauerkundgebungen, hatte diverse Aufreger um Plakatmotive, angedachte Kundgebungen bei der Synagoge und den Ausschluss Meyers von der OB-Wahl.

Gut von der Partei gelebt
Parteien seien keine Familie, so Richter. Für ihn war die NPD aber immer auch ein Mittel zum Geldverdienst. Der ehemalige Parteivorsitzende Holger Apfel schildert in seinem 2017 erschienenen Buch «Irrtum NPD» eine Episode nach dem überraschenden Einzug 2004 in den Sächsischen Landtag. Die Liste der NPD sei eher ein Verlegenheitsprodukt gewesen und die Fähigkeiten der gewählten Funktionäre überschaubar. Umso mehr ging sei ihm darum gegangen, die zweite Reihe, also die Mitarbeiter und Referenten arbeitsfähig zu besetzen. Richter hatte als Referent für den EU-Abgeordneten Harald Neugebauer (Republikaner) immerhin Parlamentserfahrung und entsprechend sollte sich dies in der Vergütung widerspiegeln.
Apfel spricht davon, dass Richter nach den ersten finanziellen Vorstellungen gerne mehr verdient hätte als ein Landtagsabgeordneter. Die Fraktion habe damals die Kröte geschluckt, weil Erfahrung jäh gesät war und er sich über Richter Zugang zu einem bürgerlich-nationalen Lager erhofft habe, sich dessen Standing allerdings als schlecht herausgestellt habe. Bei welchem Betrag sich dann beide einig wurden, schrieb er nicht. Richter habe sogar den parteiintern dafür berüchtigten Peter Marx aus dem Feld geschlagen, wenn es darum gegangen sein soll, dort zu sein, wo es Geld zu verteilen gab.
Und auch bei seiner letzten Tätigkeit, Referent beim 2019 aus dem EU-Parlament ausgeschiedenen Udo Voigt, dürfte er gut verdient haben. Voigt hatte als Mitglied des Europaparlaments eine Mitarbeiterpauschale von über 20.000 Euro zur Verfügung, die er zum Aufbau eines „Staat im Staate“ (NPD), so der Vorwurf Holger Apfels, genutzt habe. Das Geld aus öffentlicher Hand fehlt Richter nun ebenso wie die monatliche Aufwandsentschädigung für ehrenamtliche Münchner Stadträte.
Ebenfalls bezahlen ließ sich Richter seine Tätigkeit bei der Partei-Zeitung Deutsche Stimme (DS), bis ihm wegen der finanziellen Schieflage und Niedergang der Zeitung (O-Ton Apfel) gekündigt wurde. Sie ehrenamtlich weiter zu führen, lehnte er ab. Interessant ist an dieser Stelle noch eine weitere Information aus Apfels Buch über seine Zeit bei der NPD. Richter habe schon zu seiner Zeit als Verantwortlicher für die DS zu dieser nur noch „publizistische Abfallprodukte“ beigetragen, weil er längst für mehr Geld unter Pseudonym für eine „patriotische Wochenzeitung“ schreiben könne. Um welches Medium es sich dabei handelt, bleibt unklar.
Landesverband Bayern an die Wand gefahren
Verbunden bleiben wird mit dem Namen Karl Richter auch der weitestgehende Niedergang der NPD Bayern zu seiner Zeit als Landesvorsitzender. Der Münchner, zu dem Zeitpunkt auch stellvertretender Bundesvorsitzender der NPD, löste Ende 2012 den Nürnberger Stadtrat Ralf Ollert als Landesvorsitzender der NPD in Bayern ab, nachdem sich die Abspaltung der neonazistischen Kameradschaftskreise, die 2008 begann, 2012 noch mal verfestigt hatte.

Richters Verhältnis zur „Szene“ entwickelte sich kaum besser als unter dem Vorgänger. Aber immerhin stand nun an der Spitze zusammen mit seinen beiden Stellvertretern Sascha Roßmüller und Sigrid Schüßler drei sehr extrovertierte Funktionäre an der Spitze der bayerischen NPD. Doch das Trio setzte den Karren gleich bei der ersten großen Aufgabe in den Sand. Bei der Landtagswahl 2013 in Bayern verfehlte die Partei ausgerechnet im bevölkerungsreichen Oberbayern und in Unterfranken, wo Richter und die vorschnell zur Spitzenkandidatin gekürte Schüßler antraten, die nötigen Unterstützungsunterschriften beizubringen. In der Frage der Schuldzuweisungen für dieses Desaster gehen bis heute die gegenseitigen Schuldzuweisungen auseinander. Die Folge war allerdings klar. Von 1,2 Prozent 2008 ging es runter auf 0,6 Prozent und damit raus aus der wichtigen staatlichen Parteienfinanzierung.
Bei der anschließenden Kommunalwahl 2014 scheiterte die beabsichtigte lokale Verankerung ebenfalls. Richter fuhr Verluste ein und erreichte mit Ach und Krach gerade noch so den Wiedereinzug in das Münchner Rathaus – knapp vor dem Islamhasser Michael Stürzenberger und dessen inzwischen aufgelöster Partei Die Freiheit.
Im Oktober 2014 nutzte Richter die Affäre um seinen Vize Roßmüller, um zusammen mit Sigrid Schüßler die Brocken hinzuwerfen. Den Straubinger Roßmüller holte eine alte Rockergeschichte aus 2010 wieder ein, die ihm kurzzeitige Untersuchungshaft einbrachte, aber strafrechtlich relativ glimpflich für ihn ablief. Richter hinterließ einen Landesverband im Chaos, erschien gar nicht mehr zum Parteitag für einen Rechenschaftsbericht. In der Folge unter der Notlösung Franz Salzberger trat der Landesverband kaum noch in Erscheinung, es gab weder einen erneuten „Bayerntag“ noch einen Politischen Aschermittwoch. Im Gegensatz zu Schüßler blieb Richter in der NPD, er war zu dem Zeitpunkt ja noch bei Voigt in Lohn und Brot. Laut Holger Apfel habe der Münchner das bereits zu seiner Zeit in der sächsischen Landtagfraktion angekündigt, sollte die NPD niemanden mehr beschäftigen können, sich eine neue Spielwiese zu suchen.