Parallel Kundgebung der AfDPandemieleugner demonstrieren durch Nürnberg: groß, aber enttäuschend

Demonstration der Querdenker. Es galt Abstandsgebot. In rot das Transpi der Veranstalter, gelb weiß die Identitären

Querdenker und AfD Bayern mobilisierten am Sonntag nach Nürnberg zu zwei separaten Kundgebungen. Beide Veranstaltungen blieben aus unterschiedlichen Gründen hinter den Erwartungen zurück und zogen zudem ein Publikum an, das der Außendarstellung als angeblich demokratische Bewegungen wenig zuträglich sein kann.

Wochenlang war auf etlichen Querdenker-Kanälen für den 19. Dezember nach Nürnberg mobilisiert worden, darunter nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks auch explizit über rechtsextreme Akteure. Diese Nähe ist schon länger nicht mehr außergewöhnlich. In den Telegram-Gruppe der Szene werden rechtsextreme Medien überproportional geteilt, weil sie durchgehend die von Querdenkern gewünschten Narrative liefern. Es herrscht eine aktive Nichtabgrenzung.

Nürnberg versprach besonders, zumindest groß zu werden. Seit einigen Wochen demonstrierte an etlichen Orten in Bayern eine vierstellige Zahl an Teilnehmern gegen die verbliebenen Anti-Corona-Maßnahmen, am Samstag direkt 2.400 in Aschaffenburg, 550 in Augsburg, 2.000 in Neumarkt in der Oberpfalz, 2.400 in Regensburg und 2.000 im benachbarten Fürth. In etlichen Gemeinden verdoppelten sich zuletzt die Zahlen der Teilnehmer von Woche zu Woche.

Als die Demonstration loslaufen soll drängen sich rechtsextreme Identitäre an die Spitze

Im Hinblick darauf blieb die Demonstration in Nürnberg mit etwa 15.000 Teilnehmern doch deutlich hinter den Erwartungen zurück und konnte nicht an Massenveranstaltungen der Szene wie in Kassel, Stuttgart oder Berlin anknüpfen. Zudem war die Route, ausgehend von ehemaligen Reichsparteitagsgelände, höchst unattraktiv. Gegen 15 Uhr ging die Demo Polizeiangaben zufolge ohne größere Ereignisse zu Ende.

Rechtsextremisten in der zweiten Reihe willkommen

Größter Aufreger: Als die Demonstration Aufstellung nahm, setzten sich auch in Nürnberg Rechtsextreme der Identitären Bewegung an die Spitze, um das mediale Bild der Versammlung zu prägen. Der Versammlungsleitung kam hier der Umstand zur Hilfe, dass die Polizei den Zug schnell wieder wegen Nichteinhaltung der Auflagen anhielt. Medienaktivist und Querdenker Markus Haintz verhandelte für den Veranstalter mit dem Wortführer. Nach einem Wortwechsel erreichte er, dass sich die Rechtsextremisten ein paar Meter weiter hinten hinter dem vom Veranstalter präferierten Banner einreihten. Die Ideologie der Gruppe, obwohl eindeutig erkannt, störte nicht.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach wird in die Nähe des NS-Arztes Josef Mengele gerückt

Neben der Identitären Bewegung nahmen auch andere extreme Rechte am Aufzug teil. Zwei weitere Banner kamen von der NPD bzw. wurden von NPDlern getragen. Mitgelaufen sind NPD-Funktionäre, Anhänger des in Teilen antisemitischen QAnon-Kultes, neonazistische Influencer, Aktivisten des Dritten Weg und eine Gruppe extremer Rechter aus dem Raum Main-Taunus, darunter Alexander D. von der Artgemeinschaft. Jens Janik, Funktionär und Medienaktivist der NPD filmte den Aufzug. Am Arm hatte er eine Armbinde mit der Aufschrift «Ungeimpft». Allerdings wählte er mit rot statt gelb die Farbe der Täter. Auch scheinbar bürgerliche Teilnehmer präsentierten krude Botschaften. Auf Schildern wie „Impfen macht frei“ oder Anspielungen auf den Nürnberger Kodex wurde das NS-Regime verharmlost. Gesundheitsminister Lauterbach wurde in die Nähe von NS-Arzt Josef Mengele gerückt. Eine Teilnehmerin forderte einen «Nürnberg 2.0-Prozess».

Polizei lässt Verstöße gegen Auflagen aus Sorge vor wilder Demo ungeahndet

Einzige pandemiebezogene Auflage an dem Tag war das Einhalten von Mindestabständen. Die Polizei Mittelfranken stellte zu Beginn per Lautsprecher fest, dass diese größtenteils nicht eingehalten wurden, ließ den Zug aber dennoch starten und machte vereinzelte Durchsagen. Eine Maskenpflicht gab es nicht. Wieder einmal kamen die Ordner nicht ihre Aufgabe nach, auf die Einhaltung der Auflagen hinzuwirken, sondern brachen sie ihrerseits. Die Sprecherin der Polizei Mittelfranken gab gegenüber dem Bayerischen Rundfunk an, aus Sorge vor einer wilden Demo quer durch die Stadt die Versammlung nicht vorzeitig aufgelöst zu haben.

AfD nur zweite Geige

Eventuell inspiriert von der FPÖ organisierte auch der AfD-Landesverband am Sonntag in Nürnberg eine eigene Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen. In Österreich ist die Beteiligung an der Mobilisierung entscheidend dafür, ob mittlere fünfstellige Teilnehmerzahlen erreicht werden.

Blick auf den Großteil der AfD-Versammlung vor den Hauptreden von Weidel und Chrupalla. Nach unserer Schätzung sind das um die 1.500 Teilnehmende

In Nürnberg schloss sich die Mehrheit gestern allerdings der Demonstration aus der Querdenker-Szene an. Zur AfD, die ebenfalls wochenlang mobilisiert hatte und mit Alice Weidel und Tino Chrupalla die Spitze aus Partei und Fraktion aufbot, kamen etwa 1.500 Personen, die Polizei nennt 2.500 in der Spitze. Der AfD-Landesvorsitzende Stephan Protschka sprach noch davon, 2.000 weitere Teilnehmer würden aus Platzgründen nicht mehr zur Kundgebung gelassen. Wo er die gesehen haben will, blieb sein Geheimnis.

Bundestags- Landtagabgeordneter und Spendensammler Bendels…

Gefolgt waren dem Aufruf etliche Bundestagsabgeordnete wie Karsten Hilse, Petr Bystron, Wolfgang Wiehle und aus dem Landtag Vertreter der kürzlich abgewählten Fraktionsspitze wie die Abgeordneten Ferdinand Mang, Christoph Maier und Martin Böhm. Auf dem als Bühne dienenden Eventtruck fand sich auch David Bendels ein. Der ehemalige CSUler verantwortete in der Vergangenheit einige vor Wahlen geschalteten politische Kampagnen, die nahe an den Inhalten der AfD waren, auf denen allerdings nicht AfD stand und die laut Partei auch angeblich nicht mit ihr abgesprochen waren.

JA-Landesvorsitzender Kachelmann dahinter rechts ins Telefon vertieft David Bendels

Landesvorstand Georg Hock, der wegen der Beteiligung an kürzlich veröffentlichten heiklen AfD-Chats eine Hausdurchsuchung hatte, fungierte als Ordner. Chrupalla sah sich laut seiner Rede in die DDR zurückversetzt und bewertete die aktuellen Zustände sogar als schlimmer. Noch drastischere Vergleiche wählten Teilnehmende mit Vergleichen mit dem NS-Regime, darunter einem Schild „Impfung macht frei“. Als Pausenfüller diente unter anderem Musik von Querdenker Björn Banane Winter.

…und noch mehr extreme Rechte aus vielen Spektren

Auffällig war auch hier die Anwesenheit anderer extrem rechter Akteure. NPD-Landesgeschäftsführer Axel Michaelis hörte sich einen Teil der Reden an, ging dann aber deutlich vor dem Ende. Es bildete sich Gesprächskreise aus Identitärer Bewegung – anwesend war hier etwa Annie Hunecke, eine der wichtigsten verbliebenen Aktivistinnen und «Gesicht» der IB – Neonazi-Szene um Influencer Patrick Schröder samt «FSN-TV-Sidekick» Daniel F. und Crew mit Angehörigen der Jungen Alternative. Die Unterhaltungen waren der Beobachtung nach angeregt. Im Gegensatz zur Mutterpartei wird die AfD-Jugend bereits als rechtsextremer Verdachtsfall geführt.

Gesprächskreise mit Junge Alternative, Identitärer Bewegung und bekannten Neonazis

Die Polizei Mittelfranken gab heutige Vormittag bekannt, dass in mindestens einem Fall wegen Volksverhetzung ermittelt wird. Weitere könnten folgen. Polizeikräfte hätten bei einer Teilnehmerin beim Verlassen der AfD-Kundgebung ein «Impfen macht frei»-Schild festgestellt und eingezogen. Tatsächlich war das Plakat schon während der Versammlung von etlichen Fotografen dokumentiert und thematisiert worden. Auf Twitter hatte die Polizei Mittelfranken zunächst eher despektierlich auf einen User geantwortet, warum es die als «massivste antisemitische Ausfälle» bezeichneten Vorfälle nicht in die Pressemitteilung der Polizei zum Tag geschafft hätten.

In Sicht- und Hörweite demonstrierte das Bündnis Nazistopp mit 2.000 Teilnehmenden gegen die AfD. Am Kornmarkt versammelten sich etwa 1.000 Personen, darunter Innenminister Joachim Herrmann und Nürnberger Oberbürgermeister Marcus König. Aufgerufen hatte hier die Allianz gegen Rechtsextremismus in der Metropolregion Nürnberg.

Fotos von den Querdenkern gibt es hier auf FLICKR
Fotos von der AfD-Veranstaltung gibt es hier auf FLICKR