München steht aufVerschwörungsideologen zogen durch Münchner Stadtteil Laim

Teilnehmer mit einem gegen die Grünen und Waffenlieferungen gerichteten Plakat
Teilnehmer mit einem gegen die Grünen und Waffenlieferungen gerichteten Plakat

Die verschwörungsideologische Szene hatte sich für ihren gestrigen Umzug den Laimer Anger als Start und eine ziemlich lange Route ausgesucht. Das machte sich unterwegs auch bemerkbar. Nach anfänglich knapp unter 500 Teilnehmenden schrumpfte die Zahl unterwegs auf etwa 390 zusammen.

Größere inhaltliche Reden gab es nicht. Zu Beginn wurde Karl Hilz gedacht, dessen Ableben sich am 19. November zum ersten Mal jährte. Der ehemalige Polizeibeamte war der einzige bislang namentlich bekannte Fall des im Rahmen der Corona-Proteste eingerichteten Beobachtungsobjektes des bayerischen Verfassungsschutzes mit der Bezeichung „sicherheitsgefährdende demokratiefeindliche Bestrebungen“.

Hilz sah beinahe unbegrenzt angebliche diktatorische Tendenzen. Das ging bis hin zu Vergleichen mit dem NS- oder DDR-Regime. Die Organisatoren von „München steht auf“ (MSA) beziehen sich noch sehr stark auf Hilz als eine Art Vorbild oder Mentor, auch wenn dessen schrille Töne fehlen.

Zu den Grundaussagen von MSA auf allen Demonstrationen gehört es, den Impfstatus als angebliches Diskriminierungsmerkmal auf eine Stufe mit Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder angenommener Herkunft zu stellen. Merkmale, die in der Vergangenheit oft zu tödlicher Gewalt bis hin zu organisiertem Massenmord führten. Übergriffe auf „Ungeimpfte“ sind nicht bekannt, eher das Gegenteil.

Extrem rechte Kampagnenplattformen beworben

Die Parolen, die unterwegs eingestreut werden, schrecken folgerichtig auch keine Anhänger entsprechender Ideologien ab. So war ein zur extrem rechten Kampagnenplattform AUF1 gehörendes Info-Mobil vor Ort, aus dem heraus Teilnehmende bereitwillig mit Merchandising versorgt wurden. Zum üblichen Sujet der Plattform gehört neben dem Impf-, Corona- und Energiethema auch die Agitation gegen Geflüchtete, Muslime und von heteronormativen Vorstellungen abweichende Personen. Also der ganze Bauchladen extrem rechter Agitatoren.

Ein Teilnehmer bewarb zudem die Medienplattform der Sasek-Sekte als Informationsquelle. Im Kanal von MSA kann auch ohne Widerspruch für eine asylfeindliche Petition der rechten „Jungen Freiheit“ geworben werden, die sich zynisch „Petition für Demokratie“ nennt. Am Ende des Zuges wurde erneut ein mit diversen Verschwörungserzählungen gespickter Clip über das angebliche „besetzte Deutschland“ und „machtbessene Globalisten“ abgespielt, die sich der „Klimawandellüge“ bedienten.

Teilnehmer bewirbt extrem rechte Medienplattform AUF1 und Sasek-Sekte

MSA hatte zum gestrigen Aufmarsch erneut den Kanal eines bekannten Reichsbürger-Streamers beworben. Zu den regelmäßigen Teilnehmern gehört auch ein Anhänger der AfD, der bereits mit der rassistischen Pegida-Bewegung oft auf Münchens Straßen unterwegs war und der auf einem Schild offen zur Wahl „der einzigen Alternative“ aufruft.

Verschwörungsszene plant eigene Demo gegen Münchner Sicherheitskonferenz (SIKO)

Melchior Ibing, einer der führenden Aktivisten von MSA, gab bekannt, zur nächsten Münchner Sicherheitskonferenz eine eigene Demo ohne das bestehende Anti-SIKO-Bündnis zu planen. Die hätten sich neulich wieder von der verschwörungsideologischen Szene distanziert. In dem Themenfeld ging es auch gestern wieder häufig gegen die Partei Die Grünen, stellvertretend für alle Befürworter von Waffenlieferungen, die die Ukrainer zur Verteidigung ihres Landes gegen den russischen Überfall benötigen.

Schild soll offenbar dem Westen die Schuld am russischen Angriff auf die Ukraine zuschreiben

MSA vertritt hier eine formal „neutrale Position“ im Konflikt, die aber einseitig den russischen Angreifern helfen würde. Die Forderungen nach dem Verbot sämtlicher Waffenlieferungen und der Aufhebung aller Sanktionen wurden auch nach dem gezielten Beschuss der für das tägliche Leben notwendigen ukrainischen Infrastruktur nicht aufgegeben oder abgemildert. Soweit gehört wurde auch zu keinem Zeitpunkt Putin oder die russische Seite mit Forderungen adressiert. Mindestens ein Teilnehmer führte ein Schild mit sich, das von der angeblichen Einkreisung Russland durch die NATO als angeblichen Grund für die Eskalation sprach.

Nächsten Mittwoch will sich MSA wieder in der Innenstadt versammeln und sich um eine Route bemühen, die auch beim Bayerischen Rundfunk vorbeiführen soll. Der Versammlungsleiter sprach noch abschließend davon, die Polizei sei angeblich so zufrieden mit den Teilnehmenden gewesen, dass sie vom Einsatzleiter zu weiteren Demonstrationen nach Laim eingeladen worden seien. Die Reaktionen der Anwohner waren, soweit beobachtet, durchaus gemischter Natur.